Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Reformen in Birma: Langsam wie ein Drache
> Der birmesische Präsidentenberater Ko Ko Hlaing verspricht „freie und
> faire“ Nachwahlen. Er hofft, dass die Sanktionen der EU aufgehoben
> werden.
Bild: Auf den Straßen Yangons ist Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi…
BERLIN taz | „Wer heute in Myanmar die Spieler der Politik anschaut, sieht
die gleichen wie früher. Aber das Spiel hat neue Regeln.“ Das sagt Ko Ko
Hlaing, der wichtigste politische Berater des Präsidenten von Birma
(Myanmar) zur Kritik, dass trotz der jüngsten Reformen dort immer noch
Militärs bestimmen. Auch der seit einem Jahr amtierende Präsident Thein
Sein wie Berater Ko Ko Hlaing trugen einst Uniformen. „In der neuen
Regierung sind viele Exmilitärs, aber die Politik hat sich sehr gewandelt“,
sagt Ko Ko Hlaing der taz.
In Berlin warb er jetzt für ein Ende der Sanktionen gegen das von der Junta
in Myanmar umbenannte Birma. „Wir sind wie ein einjähriges Kind, das gerade
zu laufen anfängt. Wir brauchen Ermutigung“, sagt der 55-Jährige. Er
verspricht: „Die Regierung garantiert, dass die Nachwahlen am 1. April fair
und frei sind.“
In Birma regieren seit 1962 verschiedene Militärjuntas. 1990 gab es
erstmals freie Wahlen, doch als die oppositionelle NLD (Nationale Liga für
Demokratie) von Aung San Suu Kyi gewann, wurde die Wahl de facto
annulliert, und Aung San Suu Kyi wurde zumeist weggesperrt. 2010 kam sie
aus dem Hausarrest frei, und am 1. April 2012 sollen erstmals Nachwahlen
stattfinden, zu denen die NLD wieder antreten darf. Die Wahlen sollen 48
Sitze besetzen, die durch den Wechsel von Abgeordneten in die Regierung
frei wurden.
In Birmas Parlament sind 25 Prozent der Mandate für das Militär reserviert.
Laut Ko Ko Hlaing müsse das nicht so bleiben. Er verweist auf Indonesien,
wo sechs Jahre nach Ende der Diktatur der für Militärs reservierte
Mandatsanteil von 40 Prozent auf null reduziert wurde: „Jede Verfassung
kann geändert werden, wenn das Volk es will.“
## Reformen sind mühsam
Bei den Nachwahlen kandidiert auch Oppositionsführerin und
Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi. Sie könnte laut Ko Ko Hlaing
eine wichtige Rolle im Parlament spielen. Sie könne auch in die Regierung
wechseln, müsse dann aber auf ihr neues Parlamentsmandat verzichten, das
alle Beobachter erwarten. „Das ist ihre Entscheidung“, sagt der Berater.
Er räumt ein, dass die Reformen in Birma mühsam sind. „Wir sind wie ein
Drache. Der Kopf hat sich gedreht, jetzt wollen wir, dass der Körper
folgt.“ Reformen seien angeblich immer vorgesehen gewesen, behauptet er. Es
hätten dafür nur die Voraussetzungen gefehlt. Die Reformen seien weder
Folge der Sanktionen des Westens gegen die Junta noch von deren wachsender
Abhängigkeit von China, die selbst den Militärs zu viel geworden sei. Die
Sanktionen seien nur schlecht und kontraproduktiv.
Der grüne Abgeordnete und Vorsitzende der Asean-Parlamentariergruppe im
deutschen Bundestag, Thomas Gambke, der im Februar Birma besuchte, hält den
China-Faktor für zentral: „Mehrfach wurde uns gesagt, wie stolz man sei,
die Chinesen vor 350 Jahren zurückgeschlagen zu haben.“ Er empfiehlt den
schrittweisen Sanktionsabbau. „Das Fenster für Veränderungen steht offen“,
sagt er zur Lage im Land. Doch vermutet er, dass Suu Kyi in der Opposition
ruhiggestellt werden soll, damit sie nicht 2015 zur Präsidentin gewählt
wird. „Das könnte zum Militärcoup führen.“
Einen Putsch hält Ko Ko Hlaing für abwegig. Das Militär habe erst zweimal
und damit viel weniger als in manchen Nachbarländern geputscht. Gambke
sieht hingegen auch Schwächen bei Suu Kyi: „Für die Gefahren der jetzigen
Veränderungen wie das Eindringen der westlichen Konsumgesellschaft
interessiert sie sich nicht. Denen wird sie sich aber stellen müssen.“
9 Mar 2012
## AUTOREN
Sven Hansen
## ARTIKEL ZUM THEMA
Nachwahl in Birma: Reformmotor und Feigenblatt
Politisch unwichtig, symbolisch bedeutend. Der Reformprozess in Birma
stützt sich derzeit vor allem auf zwei ungleiche Akteure: General Thein
Sein und Aung San Suu Kyi.
Debatte Birma: Reformpoker der Generäle
Hinter den überraschenden Reformen könnte nüchternes Kalkül der Militärs
stecken. Trotzdem ist es eine Chance, die Unterstützung verdient.
Karen-Rebellen in Birma: „Wir haben Angst“
Zu Beginn des Jahres 2012 haben die Rebellen der Karen einen
Waffenstillstand mit der Regierung geschlossen. Ein dauerhafter Frieden ist
nicht gesichert.
Birma öffnet sich: Hoffnung unter der Pagode
Bei den Wahlen in Birma darf die Friedensnobelpreisträgerin und ehemalige
Staatsfeindin Nr. 1, Aung San Suu Kyi, antreten. Die Bevölkerung bleibt
skeptisch.
Strategische Konkurrenz um Birma: Niebels Date mit Suu Kyi
Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel trifft Oppositionsführerin Aung San
Suu Kyi und lotet die Chancen von Reformen aus. Die EU-Sanktionen könnten
enden.
Erkundungen in Birmas Hauptstadt: Die weißen Elefanten des Generals
Naypyidaw – Sitz der Könige – ist die neue Hauptstadt Birmas. Vor wenigen
Jahren wurde sie von der Militärdiktatur auf dem Reißbrett entworfen.
Reisen in Birma: The Road to Mandalay
Es ist ein Erlebnis der besonderen Art: eine Flusskreuzfahrt quer durch
Birma auf einem vor fast 50 Jahren in Köln gebauten Rheindampfer.
Demokratischer Wandel in Birma: Der unbeugsame Komiker
Der Satiriker Zarganar ist einer der prominentesten Dissidenten Birmas,
jahrelang saß er im Gefängnis. Jetzt plädiert er für die rasche Aufhebung
ausländischer Sanktionen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.