# taz.de -- Karen-Rebellen in Birma: „Wir haben Angst“ | |
> Zu Beginn des Jahres 2012 haben die Rebellen der Karen einen | |
> Waffenstillstand mit der Regierung geschlossen. Ein dauerhafter Frieden | |
> ist nicht gesichert. | |
Bild: Seit 1949 sind Rebellen der Karen mit der Regierung im Konflikt. | |
MAE SOT taz | Außerhalb der Stadt Mae Sot im Norden des Landes an der | |
Grenze zu Birma führt eine schmale Straße in eine Siedlung. Vor einem | |
Holzhaus am Ende eines überwucherten Pfades sitzen Major Saw Hla Ngwe, | |
Zweiter Sekretär der Karen National Union (KNU), und Saw Mae Ae Sein, | |
Brigadegeneral der Nationalen Karen-Befreiungsarmee (KNLA), einer | |
ethnischen Rebellentruppe. „Ohne eine politische Lösung ist ein | |
Waffenstillstand nichts wert“, sagt Saw Hla Ngwe. | |
Am 12. Januar haben Vertreter der KNU und Birmas Regierung einen | |
Waffenstillstand unterzeichnet. In dem 1949 ausgebrochenen Konflikt kämpfen | |
die KNU und ihr militärischer Arm KNLA gegen die Regierung – erst für | |
Unabhängigkeit, später für substanzielle Autonomie. Im Gegensatz zu anderen | |
ethnischen Rebellengruppen schloss die KNU in den 90er Jahren keine | |
Waffenruhe mit der damaligen Junta. Eine Entspannung begann erst unter dem | |
jetzigen Präsidenten und Exgeneral Thein Sein. | |
Auch nach der kürzlichen Unterzeichnung des von Beobachtern „historisch“ | |
genannten Waffenstillstands bleibt die KNU vorsichtig. „Schließlich | |
befinden wir uns seit mehr als 60 Jahren im Kampf“, sagt Saw Mae Ae Sein. | |
„Man kann einen solchen Friedensprozess nicht innerhalb weniger Monate oder | |
eines Jahres aushandeln.“ | |
Zwar wurde diese Woche ein wegen Hochverrats verurteilter KNU-Führer | |
begnadigt. Doch sonst habe sich nichts verbessert. „Waffenruhe oder nicht – | |
für die Menschen vor Ort ist die Situation dieselbe“, moniert Mae Ae Sein. | |
„Es gibt weiter Zwangsarbeit, und die Regierungsarmee verlangt nach wie | |
vor, Lastwagen und Motorräder zur Verfügung zu stellen, damit Essen und | |
Munition an die Front transportiert werden können.“ | |
## Demarkationslinien müssen noch verhandelt werden | |
Auch Zivilisten berichten, dass Birmas Armee verstärkt Soldaten in die | |
Konfliktgebiete entsendet. „Wir haben Angst, in unsere Häuser | |
zurückzukehren“, sagen nach Mae Sot geflohene Karen. „Und davor, dass die | |
Waffenruhe völlig zusammenbricht.“ Erst kürzlich gab es bei Zusammenstößen | |
Tote und Verletzte auf beiden Seiten. Wo genau die Demarkationslinien | |
verlaufen sollten und inwieweit sich Regierungstruppen in den KNLA-Gebieten | |
bewegen dürfen, müsse noch verhandelt werden, sagt Mae Ae Sein. | |
Mit einem Bevölkerungsanteil von bis zu acht Prozent sind die Karen nach | |
den Birmanen und gemeinsam mit den Shan die zweitgrößte Ethnie im | |
Vielvölkerstaat Birma, das die Junta in Myanmar umtaufte. Im Konflikt | |
zwischen KNU und Regierung wurden Hunderttausende Karen vertrieben. Auf der | |
thailändischen Seite der Grenze leben derzeit 140.000 Langzeitflüchtlinge, | |
die meisten Karen. | |
Waffenstillstände garantieren keine politische Stabilität, wie dies | |
kürzlich der Shan-Staat zeigte. Dort gab es erneut Scharmützel zwischen der | |
ethnischen Shan-Staatsarmee (Süd) und Regierungstruppen. Erst im Dezember | |
hatten die Rebellen eine Waffenruhe vereinbart. Und im nördlichen | |
Kachin-Staat hören die Kämpfe nicht mehr auf, seit im Juni 2011 ein | |
17-jähriger Waffenstillstand nach einer Offensive der Regierungsarmee gegen | |
die Kachin-Rebellen zerbrach. | |
Letztlich hängt es davon ab, ob sich Reformer wie Präsident Thein Sein und | |
sein für die Karen zuständiger Unterhändler, Eisenbahnminister Aung Min, | |
durchsetzen können. Denn in militärischen Fragen sollen immer noch | |
Hardliner um Exjuntachef Than Shwe das Sagen haben. „Aung Min und der | |
Präsident wollen den Friedensprozess“, ist KNU-Sekretär Major Saw Hla Ngwe | |
überzeugt. „Aber einige Generäle sind nicht damit einverstanden.“ Doch der | |
Frieden mit den ethnischen Minderheiten ist eine Bedingung des Westens für | |
die Aufhebung der Sanktionen gegen das Land. | |
23 Mar 2012 | |
## AUTOREN | |
Nicola Glass | |
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