| # taz.de -- Rechtsextremismusexperte über die AfD: „Das ist Fastfood-Parlame… | |
| > Die AfD sitzt seit einem Jahr im Magdeburger Landtag. Die | |
| > Rechtspopulisten setzen in Debatten auf Provokation und Enthemmung, sagt | |
| > David Begrich. | |
| Bild: Provokateur in Aktion – Sachsen-Anhalts AfD-Partei- und Landeschef Andr… | |
| taz: Herr Begrich, die AfD sitzt seit einem Jahr als zweitstärkste Kraft | |
| mit 25 Abgeordneten im Magdeburger Landtag, sie hat dort ihr bislang | |
| bundesweit bestes Ergebnis erzielt. Was hat sich seitdem verändert? | |
| David Begrich: Die Debattenkultur im Parlament, aber auch im Land überhaupt | |
| ist rauer geworden. Die AfD arbeitet gezielt an der Enthemmung des | |
| politischen Diskurses, sie setzt auf Provokation und Polarisierung. Sie | |
| nutzt das Parlament als Bühne für ihre Inhalte. Das Parlament ist Mittel | |
| zum Zweck und nicht Zweck an sich. | |
| Heißt das, die Alternative für Deutschland macht keine parlamentarische | |
| Arbeit im klassischen Sinne? | |
| Die AfD macht so eine Art Fastfood-Parlamentarismus. Auch andere Parteien | |
| recyceln Vorschläge von jeweils anderen Parteien, aber die AfD will vor | |
| allem Effekte bedienen. Sie spielt Identitätsthemen wie Gender und | |
| Migration an, verfolgt die Themen aber nicht durch parlamentarische | |
| Kärnerarbeit zum Beispiel in den Ausschüssen weiter. Sie will die Inhalte | |
| in der Öffentlichkeit platzieren. Das sieht man auch daran, dass | |
| Fraktionschef André Poggenburg keine Gelegenheit auslässt, um das Parlament | |
| und die Öffentlichkeit zum Beispiel mit NS-lastigen Aussagen zu | |
| provozieren. | |
| Wie reagieren die anderen Parteien auf solchen Provokationen? Poggenburg | |
| benutzt ja gerne Vokabeln wie „Volkskörper“ oder „Volksgemeinschaft“, | |
| Fraktionsvize Lehmann sprach im Landtag gerade von | |
| „Ficki-Ficki-Fachkräften“ und meinte Flüchtlinge damit. | |
| Die Parteien haben sich im vergangen Jahr sehr schwergetan, darauf eine | |
| Antwort zu finden. Das ist auch verständlich. Es gibt parlamentarische | |
| Regularien und eigentlich geht man davon aus, dass sich alle dran halten. | |
| Die AfD hält sich aber nicht daran. Die Parteien suchen aus diesem Dilemma | |
| zwei Auswege. Der eine ist eine formale parlamentarische Antwort: Was die | |
| AfD beantragt, geht juristisch nicht, entspricht nicht der Geschäftsordnung | |
| des Parlaments, solche Dinge. Das andere ist die inhaltliche | |
| Auseinandersetzung mit der dahinterstehenden Ideologie. Auch das ist | |
| natürlich eine Gratwanderung. Natürlich muss ich der Ideologie der AfD | |
| widersprechen, aber so, dass ich diese Inhalte nicht multipliziere. | |
| Was würden Sie raten? | |
| Ich würde raten zu unterscheiden, ob es sich bei der vorgebrachten | |
| Provokation um einen Tabubruch handelt oder eben „nur“ eine Provokation | |
| ist. Und dann kann man sich fragen, worauf man reagiert und worauf nicht. | |
| Sie würden raten, auf Tabubrüche zu reagieren, auf Provokationen nicht? | |
| Ja, aber das ist eben auch schwer auseinanderzuhalten. Wenn es allerdings | |
| um die Normalisierung von NS-Vokabeln geht, ist die Antwort klar: Das ist | |
| ein Tabubruch, dem widersprochen werden muss. Provokationen wie die | |
| „Ficki-Ficki-Fachkräfte“ bedürfen eines Ordnungsrufs und fertig. Den gab … | |
| in diesem Fall allerdings nicht, was ein Problem ist. | |
| Anfangs gab es die Hoffnung, die AfD-Fraktion würde sich selbst zerlegen. | |
| Es gab auch viel Streit und viele Machtkämpfe. Wie steht sie jetzt da? | |
| Wir haben anfangs den Fehler gemacht zu glauben, dass der Streit einer um | |
| Inhalte wäre, wie das in manchen AfD-Fraktionen der Fall ist oder zumindest | |
| war. Hier in Sachsen-Anhalt ist es aber ein gruppendynamischer Streit um | |
| die Machtarchitektur in der Fraktion. Da geht es um alles Mögliche, aber | |
| nicht um Inhalte. Der Kurs der AfD in Sachsen-Anhalt ist stramm rechts. Und | |
| Partei- und Fraktionschef Poggenburg sitzt auch deshalb wieder fester im | |
| Sattel, weil er die Unterstützung des völkisch-nationalistisch rechten | |
| Flügels in der Partei hat. | |
| Wie wichtig ist das Parlament für die AfD überhaupt? | |
| Es ist nur ein Ort unter mehreren, wo sie Politik machen will. Sie | |
| inszeniert sich ja permanent in diesem Dualismus: Da die korrupten | |
| Altparteien und hier die Vertreter des Volkes, also die AfD. Das reicht | |
| aber nicht für eine ganze Legislaturperiode. Hinzu kommt das | |
| Selbstverständnis als Bewegungspartei. Man kann sich ja schon fragen, warum | |
| die zentralen Protagonisten des rechten Flügels der AfD fast alle auf eine | |
| Bundestagskandidatur verzichtet haben. Eine Erklärung ist sicherlich: Im | |
| Bundestag wären sie nur einer unter vielen, in den ostdeutschen Ländern | |
| sind sie König und können ganz anders in öffentliche Diskurse eingreifen. | |
| Wie haben sich die Kontakte zwischen den AfD-Abgeordneten in Sachsen-Anhalt | |
| und der neurechten und der rechtsextremen Szene entwickelt? | |
| Das ist gleich geblieben. Formal sagt die AfD zum Beispiel über die | |
| Identitären: Mit denen haben wir nichts zu tun. Das stimmt formal auch. | |
| Aber faktisch ist es so, dass es ein Interaktionsverhältnis gibt, das an | |
| Personen gebunden ist. Es gibt zum Beispiel Überschneidungen zwischen | |
| Fraktionsmitarbeitern und dem Umfeld der Identitären. Ich muss ja nicht | |
| institutionell miteinander zu tun haben, wenn ich mich sowieso auf den | |
| gleichen Veranstaltungen treffe. Das ist ein Kontaktnetzwerk eines Milieus, | |
| das ganz gut in verteilten Rollen agieren kann. | |
| 20 Mar 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Sabine am Orde | |
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