# taz.de -- Prozess in Guatemala: Das Ende des Schweigens | |
> Im Militärcamp Sepur Zarco wurden im Jahr 1981 indigene Frauen | |
> verschleppt und missbraucht. Jetzt beginnt ein Prozess gegen die | |
> Verantwortlichen. | |
Bild: Unter den abgebildeten Fraue steht: „Seguridad Con Justicia, no, con ar… | |
BERLIN taz | Rechtsanwältin Paula Barrios hat darauf gedrängt, dass der | |
Prozess in einen der großen Säle im Justizpalast von Guatemala-Stadt | |
verlegt wird. 400 Plätze hat der „Sala de Vistas“. Dort wird Guatemalas | |
zweiter Jahrhundertprozess nach dem Völkermordprozess gegen Exdiktator | |
Efraín Ríos Montt stattfinden. | |
„Sepur Zarco“ heißt der am Montag beginnende Prozess nach dem Tatort, einem | |
Militärcamp im Verwaltungsbezirk Izabal. „Zum ersten Mal geht es vor | |
Gericht in Guatemala ausschließlich um Gewalt gegen Frauen, verübt im | |
Kontext des Bürgerkriegs durch Soldaten“, sagt Paula Barrios. | |
Die Anwältin ist Vertreterin der fünfzehn Frauen, die sich vor sieben | |
Jahren entschieden haben, Klage gegen ihre Peiniger einzureichen. Ein nicht | |
gerade einfacher Schritt, denn die Angehörigen der Maya-Ethnie Q’eqchí aus | |
dem Verwaltungsbezirk Izabal können kein Spanisch und sind Analphabeten. | |
„Wir haben Ihnen genau erklärt, wie ein Prozess funktioniert, wer welche | |
Funktion hat, und vor ein paar Wochen haben wir auch den Justizpalast | |
besucht und sind dort Fahrstuhl gefahren“, erklärt Barrios. Ein Premiere | |
für fast alle der Gruppe, die gut für den ersten Verhandlungstag | |
vorbereitet sein müssten. Dann wird Richterin Jassmín Barrios Aguilar den | |
Prozess eröffnen, der den Frauen ein Stück Würde zurückgeben soll. | |
Alle Frauen stammen aus der Region um die Kleinstadt Panzós im Grenzgebiet | |
der beiden Verwaltungsbezirke Alta Verapaz und Izabal. Dort schlug das | |
Militär 1978 einen friedlichen Bauernprotest im Interesse der | |
Großgrundbesitzer nieder. Die Bauern wollten ihre Landansprüche geltend | |
machen und gerieten dadurch in den Fokus der Militärs – auch die | |
Q’eqchí-Bauern im Dorf Sepur Zarca. | |
## Als Sexsklavinnen missbraucht | |
In dessen Nachbarschaft hatten die Militärs auf dem Land eines | |
Großgrundbesitzers ein Lager errichtet, welches der Truppe zur Erholung | |
dienen sollte. Dorthin wurden 1982 die 15 Frauen verschleppt, nachdem die | |
Armee ihre Männer hatte gewaltsam verschwinden lassen. Mindestens ein | |
halbes Jahr wurden die Frauen dort als Sexsklavinnen missbraucht. Sie | |
mussten die Soldaten über Jahre bekochen und deren Kleidung waschen. „Es | |
war an diesem Ort, wo die Soldaten meine Ehe zerstörten“, hat eine der | |
Frauen zu Protokoll gegeben. | |
Die Aussagen der nunmehr 14 Frauen – mit Magdalena Pop ist eine der | |
Sprecherinnen der Gruppe im Frühjahr 2013 gestorben – werden im | |
Gerichtssaal nur auf Band zu hören sein. Eine erneute Aussage wollen | |
Staatsanwaltschaft und Verteidigung den Frauen, von denen einige schon über | |
70 sind, ersparen. | |
14 Zeugen will Anwältin Paula Barrios aufrufen, um die Aussagen der Opfer | |
zu untermauern – „darunter auch ein Kronzeuge aus der Armee“. Barrios hat | |
2008 „Frauen verändern die Welt“ in Guatemala gegründet und bietet mit | |
ihrem Team vor allem indigenen Frauen, die Opfer sexueller Gewalt wurden, | |
Hilfe an. Derzeit arbeitet die Organisation mit etwa einhundert Opfern; die | |
Sepur-Zarco-Frauen bilden die homogenste und entschiedenste Gruppe. „Die | |
Frauen wollen, dass so etwas ihren Töchtern nicht passieren kann, sie | |
wollen, dass der Staat Schutzmechanismen einrichtet und dass die Täter | |
verurteilt werden“, erklärt die Anwältin. | |
## Vergewaltigung als Instrument zur Erniedrigung | |
Die Verantwortlichen, Oberst Esteelmer Reyes Girón und Kommissar Heriberto | |
Valdés Asij, sitzen seit mehreren Monaten in Haft. Das ist für die 14 | |
Frauen bereits ein Erfolg. Noch wichtiger als die Haftstrafe für die Täter | |
ist ihnen, dass die Wahrheit ans Licht kommt und die Stigmatisierung in den | |
Dörfern endet. Dort wird der Prozess verfolgt werden, denn Vergewaltigungen | |
waren im guatemaltekischen Bürgerkrieg 1960 bis 1996 an der Tagesordnung | |
und zählen auch heute zu den häufigsten Delikten. | |
„Sepur Zarco macht deutlich, dass die Armee die Vergewaltigung als | |
Instrument nutzte, um den Gegner zu besiegen, zu erniedrigen“ erklärt | |
Anwältin Barrios. Der Prozess könnte zu einem Meilenstein für die Region | |
werden, denn Anklagen wegen Vergewaltigung gegen Militärs sind | |
ungewöhnlich, und für ein Verbrechen, das 30 Jahre zurückliegt, umso mehr. | |
Daher könnte ein Urteil im Sinne der Opfer regionale Bedeutung erlangen. | |
1 Feb 2016 | |
## AUTOREN | |
Knut Henkel | |
## TAGS | |
Guatemala | |
Guatemala | |
Guatemala | |
Guatemala | |
Guatemala | |
Guatemala | |
Mord | |
Guatemala | |
Gewalt | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Guatemalas Ex-Diktator ist tot: Der grausame Henker der Ixil | |
Efraín Ríos Montt wurde vor fünf Jahren wegen Verbrechen gegen die | |
Menschlichkeit zu 80 Jahren Haft verurteilt. Er hat dafür nicht gebüßt. | |
Feministische Zeitung aus Guatemala: Eine Stimme für die Frauen | |
„La Cuerda“ ist Zentralamerikas einzige feministische Monatszeitung. Sie | |
kämpft seit 18 Jahren für die Rechte von Frauen und Indigenen. | |
Menschenrechte in Guatemala: Diffamiert und mit dem Tod bedroht | |
Die Rechtsvertreter in Guatemala sind gefährdet. Mafiöse Interessengruppen | |
versuchen ihre Pfründen gegenüber einer immer agileren Justiz zu | |
verteidigen. | |
Kommentar Frauenrechte in Guatemala: Feministische Signale | |
Frauenrechte gelten in Guatemala nicht viel. Doch mit der Verurteilung von | |
zwei Vergewaltigern aus dem Militär könnte sich das bald ändern. | |
Strafen für sexuelle Gewalt in Guatemala: 360 Jahre Haft für Militärs | |
Zwei Militärs wurden wegen Versklavung, Mord und Vergewaltigung verurteilt. | |
Die Verhandlung über die Wiedergutmachung steht noch aus. | |
Statistik zu Morden weltweit: Der unbemerkte Gewaltexzess | |
In Brasilien und Mexiko sterben mehr Menschen durch Mord als weltweit in | |
Kriegen. In nur zehn Ländern werden fast 60 Prozent aller Morde begangen. | |
Verhaftungen in Guatemala: Offensive gegen schwerste Verbrechen | |
Für Menschenrechtsaktivsten ist es ein historischer Tag in Guatemala: Die | |
Staatsanwaltschaft verhaftet 14 hochrangige Ex-Militärs wegen Massakern. | |
LGBT in Honduras: „Bleiben ist keine Option“ | |
César Lainez setzt sich für die Rechte Homosexueller ein. Doch vor der | |
Gewalt gegen Homosexuelle will er mit seinem Freund fliehen. |