# taz.de -- Polizeifreie Zone in Seattle: Kurzer Frieden | |
> AktivistInnen haben in der US-Metropole Seattle eine „Autonome Zone“ ohne | |
> Polizei ausgerufen. Zunächst lief es friedlich, doch dann fielen Schüsse. | |
Bild: Auf Capitol Hill haben gerade die BesetzerInnen das Sagen | |
Seattle taz | Karnista schreitet mit einem glühenden Bündel aus Salbei | |
durch die Menge. Sie umrundet holzverkleidete Zementbarrikaden, auf die | |
erhobene Fäuste, zerbrochene Herzen und Flüche auf die Polizei gemalt sind; | |
sie geht unter das Zeltdach, wo ein bärtiger junger Mann erschöpft auf | |
einem Sofa hängt, und sie umrundet langsam drei ältere Wachleute mit | |
scheppernden Walkie-Talkies in Fantasieuniformen. Jedem fächert Karnista | |
mit einer weißen Adlerfeder den süßlichen Duft zu. | |
„Rauch reinigt alles“, sagt die zierliche Frau in dem langen grünblauen | |
Kleid. Über ihren Schultern hängen Otternfellstreifen. Vor ihrer Brust | |
baumeln die beiden metallenen Erkennungsmarken, die ihr verstorbener Vater | |
beim Militär bekommen hat. An diesem Sonntag bringt sie ihren Rauch in ein | |
innerstädtisches Gebiet von acht Häuserblocks im Stadtzentrum von Seattle. | |
Dort verbreitet die Frau aus dem Volk der Syilx positive Energie für die | |
jungen Weißen und Schwarzen, deren Vorfahren lange nach ihren eigenen an | |
die Pazifikküste von Nordamerika gekommen sind. | |
Vor zehn Tagen hat die Polizei in dem Stadtteil Capitol Hill in Seattle | |
ihre große Wache am Broadway fluchtartig verlassen. Nach tagelangen | |
Auseinandersetzungen, bei denen die Uniformierten mit Tränengas, | |
Gummigeschossen und Knüppeln gegen Sprechchöre und rosafarbene Regenschirme | |
vorgegangen waren, [1][überließen sie den Stadtteil den jungen Leuten], die | |
ein Land ohne Polizei, ohne Rassismus und ohne Kapitalismus wollen. Seither | |
zelten mehrere Hundert von ihnen im Cal Anderson Park, essen in der | |
Suppenküche auf der 12th Avenue und diskutieren im Decolonization Cafe auf | |
der 11th Avenue, wie sie ihren Ziele näher kommen können. | |
Am Samstag, dem 155. Jahrestag von „Juneteenth“, feiern die BesetzerInnen | |
die Befreiung der letzten Schwarzen Sklaven in Galveston, Texas. Ihre | |
Zeremonie verkehrt die Verhältnisse ins Gegenteil. Sie machen die Weißen zu | |
Hilfspersonal und Zaungästen. Nur People of Color sind an dem Tag im einem | |
„Heilenden Kreis“ auf der Wiese zugelassen. Um sie herum und mit dem Rücken | |
zu ihnen steht eine dicht geschlossene Reihe von Weißen, die sich | |
unterhaken, um Eindringlinge abzuwimmeln. Im Inneren des Kreises | |
diskutieren PoCs über ihre Ahnen, über Mutter Erde und darüber, was „die | |
Weißen“ nicht verstehen. Dann feiern sie. | |
## Schüsse unterbrechen das Freudenfest | |
Die acht Blocks Innenstadtgebiet fielen den BesetzerInnen so überraschend | |
in den Schoß, dass sie sich bis heute auf keinen Namen für das Experiment | |
einigen konnten. Manche nennen es „CHOP“ – Capitol Hill Organized Protest. | |
Die radikaleren sprechen von „CHAZ“ – Capitol Hill Autonomous Zone. Auf | |
jeden Fall haben sie es geschafft, die Aufmerksamkeit [2][in der | |
Coronakrise] auf Rassismus und Polizeigewalt zu lenken. „Rassismus ist die | |
Pandemie“, steht auf Postern, die sie in der Stadt geklebt haben. | |
In der Nacht von Samstag auf Sonntag wird das Freudenfest auf dem Capitol | |
Hill brutal unterbrochen. Kurz nach zwei Uhr am frühen Morgen fahren | |
Unbekannte an zwei Stellen an die Barrikaden, die um die Zone gebaut sind, | |
heran und schießen. Ein 19-Jähriger ist tot. Eine weitere Person liegt | |
schwer verletzt im Krankenhaus. Eine Sozialarbeiterin vermutet, dass eine | |
Abrechnung unter Straßengangs dahinterstecken könnte. Die sozialistische | |
Stadträtin Kshama Sawant hält rechtsextreme Gewalt für möglich. In | |
derselben Nacht wird eine ältere Frau zwischen den Zelten sexuell | |
angegriffen. | |
„Das hier ist keine Party“, ruft eine Schwarze Aktivistin am Sonntagmorgen | |
in ein Megafon. Sie bebt vor Wut über das nächtliche Geschehen. Geht mit | |
schnellen, nervösen Schritten im Kreis, während sie den Umstehenden, von | |
denen viele gerade erst aus ihren Zelten gekrochen sind, eine Standpauke | |
hält. Sie sagt: „Wer grillen will, kann das in seinem Garten tun.“ Und | |
verlangt, dass jeder „verdammt noch mal“ eingreift, wenn eine Frau | |
belästigt wird, und dass alle, die Probleme mit Drogen haben, verschwinden | |
und notfalls medizinische Hilfe suchen. „Gegen Marihuana ist doch nichts | |
einzuwenden“, brummt eine weiße Frau mit rosa Mütze. | |
## Linke Enklave | |
Seattle liegt in Washington, ist mehrheitlich weiß und eine linke Enklave | |
in den USA. Die Stadt war schon oft radikaler als der Rest der Landes. Als | |
im Jahr 1999 die Welthandelsorganisation in Seattle tagte, um ihre | |
Millenniumziele zu verabschieden, stemmten sich 40.000 Menschen auf der | |
Straße gegen den Freihandel. 2016 wählte Seattle als erste | |
US-amerikanische Großstadt mit Sawant eine bekennende Sozialistin in ihren | |
Stadtrat. | |
Seattle ist zugleich der Sitz von neuen Konzernen wie Amazon, Microsoft und | |
Starbucks. Sie haben Seattle zu einer Boomstadt gemacht, deren | |
EinwohnerInnenzahl binnen zehn Jahren um mehr als 160.000 Menschen in die | |
Höhe geschnellt ist. Gleichzeitig haben sich die Mieten fast verdoppelt. | |
Das hat auch das Obdachlosenproblem der Stadt verstärkt, mehr als 12.000 | |
Menschen leben auf der Straße. Einige von ihnen sind zu den BesetzerInnen | |
auf Capitol Hill gezogen, wo es täglich Essen gibt. | |
Aber Seattle ist auch berüchtigt für die Brutalität seiner Polizei. Die | |
Forderungen: „Fuck the SPD“ – für Seattle Police Department – und „K… | |
Geld für die SPD“ sind in diesen Tagen quer durch die Stadt zu sehen. Sie | |
hängen an Laternenmasten und auf den Pressholzplatten, die im Auftrag der | |
Bürgermeisterin der Stadt, der Demokratin Jenny Durkan, vor das Erdgeschoss | |
der verlassenen Polizeiwache auf Capitol Hill genagelt worden sind. Eine | |
der zentralen Forderungen der BesetzerInnen ist, dass sie das Polizeibudget | |
um 50 Prozent kürzt und die Mittel an soziale und Bildungsprojekte für | |
AfroamerikanerInnen umleitet. Aber manche AktivistInnen wollen mehr als | |
Umverteilungen. „Eat more Porc“ – Esst mehr Schwein – schreiben sie auf | |
ihre Poster. „Porc“ ist ein Synonym für Polizisten, das schon die | |
Studentenbewegung in den 60er Jahren benutzt hat. | |
## Keine offiziellen SprecherInnen | |
Die Aktivistin, die eine Standpauke gehalten hat, trägt nicht nur | |
Atemmaske, sondern ist komplett vermummt – wie fast alle BesetzerInnen. Nur | |
ihre Augen, ihr Mund und ihre langen, weiß lackierten Fingernägel sind zu | |
sehen. Mit einem davon weist sie auf einen jungen Mann und sagt: „Wir | |
wissen genau, wer hier nicht hingehört.“ Als sie sagt, dass sie denjenigen, | |
der die ältere Frau angegriffen hat, an die Polizei übergeben will, nehmen | |
mehrere Schwarze Männer sie in ihre Mitte und drängen sie an den Rand des | |
Kreises. „Ihr seht, wie unsere eigenen Brüder uns behandeln, wenn Schwarze | |
Frauen reden“, sagt die nächste Frau am Megafon. Auch sie nennt ihren Namen | |
nicht. Auch sie will nicht fotografiert werden. | |
Die BesetzerInnen haben keine offiziellen SprecherInnen. Niemand hat das | |
Sagen. Aber unter den vielen beteiligten Gruppen tauchen zwei Namen | |
besonders häufig auf. Einer ist BLM – die landesweit aktive Schwarze | |
Bürgerrechtsgruppe Black Lives Matter, der andere ist ACAB: „All Cops are | |
Bastards“. Am Sonntag nach der tragischen Nacht verteilen junge Leute | |
Flugblätter, auf denen zu lesen ist: „RIP für den Mann, der letzte Nacht in | |
CHIP/CHAZ ermordet worden ist. Lasst euch nicht davon überzeugen, dass wir | |
Cops brauchen. Cops verhindern keine Morde.“ Der kurze Text ist gemeinsam | |
von BLM und ACAB unterzeichnet. Am Sonntagabend wiederholt sich die | |
Tragödie. Erneut fallen Schüsse. Wieder kommt eine Person mit Schusswunden | |
ins Krankenhaus. | |
George Floyd, dessen Tod unter einem Polizeiknie in Minneapolis am 25. Mai | |
die landesweite [3][Protestbewegung gegen rassistische Polizeigewalt | |
ausgelöst hat], ist auch in Seattle über Nacht bekannt geworden. Sein Name | |
prangt inzwischen auf Hausfassaden und auf dem Asphalt. Aber Minneapolis | |
ist 2.600 Kilometer weit entfernt. Und der Bundesstaat Washington hat seine | |
eigene Opferliste. Am Zaun vor dem Haupteingang der verlassenen Wache haben | |
die BesetzerInnen Fotos von 25 Schwarzen Männern und Frauen aufgehängt, die | |
in den zurückliegenden sieben Jahren in ihrem Bundesstaat von der Polizei | |
getötet worden sind. Täglich bringen Passanten Blumen vorbei, die sie in | |
den Zaun hineinflechten. „Bei wie vielen war keine Kamera dabei?“, steht | |
daneben auf einem Zettel. | |
Seattles Bürgermeisterin Jenny Durkan, eine Demokratin, spricht mit den | |
BesetzerInnen. Zu Anfang des Konflikts, als die Stadt nach wochenlanger | |
Quarantäne mit der Aktion der BesetzerInnen zu neuem Leben erwachte, sprach | |
Durkan von einem bevorstehenden „Sommer der Liebe“. Als der US-Präsident | |
androhte, das Militär zu schicken, um Capitol Hill „in ein paar Stunden“ zu | |
säubern, konterte sie, dass er keine Ahnung von friedlicher Konfliktlösung | |
habe. | |
Aber inzwischen sitzt Bürgermeisterin Dunkan zwischen allen Stühlen. Auf | |
Capitol Hill hängen Parolen: „Tritt zurück, Jenny“. Auch Carmen Best, die | |
Schwarze Polizeichefin der Stadt, steht gegen sie. Mit der Anordnung, die | |
Wache zu räumen, wollte Dunkan eine Eskalation wie in Minneapolis | |
vermeiden, wo DemonstrantInnen nach George Floyds Tod die zuständige | |
Polizeiwache abgebrannt haben. Aber Polizeichefin Best fühlt sich von der | |
Bürgermeisterin im Stich gelassen. In einem dreiminütigen Video spricht | |
Best von „regierungsfeindlichem Vandalismus“ und lobt ihre PolizistInnen. | |
## Private Sicherheitskontrollen | |
Am Sonntagmorgen kommen widersprüchliche Darstellungen über die Minuten | |
nach den Schüssen. Adrianne, die 31-jährige Biologin, die die | |
Medizinstation der BesetzerInnen koordiniert, sagt, dass ihre Freiwilligen | |
umgehend Krankenwagen und Polizei verständigt haben. Aber die Krankenwagen | |
der Stadt weigern sich, ohne Polizeischutz zu kommen. Und die SPD | |
behauptet, ihre BeamtInnen seien von „gewalttätigen Demonstranten“ daran | |
gehindert worden, zu den Schussopfern zu kommen. Statt in Krankenwagen | |
werden die beiden Opfer auf der Ladefläche von Trucks der BesetzerInnen zum | |
Krankenhaus gebracht. | |
Mit der Begründung: „Ich will keine Zielscheibe auf dem Rücken haben“, | |
lehnen die meisten Schwarzen AktivistInnen in der besetzen Zone es ab, | |
fotografiert zu werden und ihre vollen Namen zu nennen. BesucherInnen | |
werden aufgefordert, nur Fotos zu machen, wenn sie damit niemandes | |
Sicherheit gefährden. Vor der Veröffentlichung sollen JournalistInnen | |
überlegen, welche Konsequenz ein Bild für das Leben einer AktivistIn haben | |
könnte. „Schreib, dass ich ein gewöhnlicher Mann bin“, sagt ein Schwarzer | |
Aktivist, mit hoch geschnürten Stiefeln und Schirmmütze, der sich nicht | |
fotografieren lassen und auch seinen Namen nicht nennen will. Er stellt | |
sich als „Dragon“ vor. | |
Dragon lebt in einem Zelt. Nach jahrelanger Abwesenheit ist er erst | |
kürzlich in seine Heimatstadt Seattle gekommen. Auf dem Capitol Hill ist er | |
einer von vielen, die an den Barrikaden stehen und nachts Patrouille gehen. | |
An diesem Sonntagmorgen greift er zum Megafon und fleht die gerade erst | |
Aufgewachten an, keine Schaufenster zu zertrümmern, keine Parolen an | |
Hausfassaden zu schmieren und nicht zu plündern, wenn sie abends zu einer | |
ihrer kleinen Demonstrationen in andere Stadtteile ausziehen. „Bitte, macht | |
nichts kaputt“, sagt er, „dies ist unser Zuhause. Wir sind besser als das. | |
Unsere Botschaft ist Liebe.“ | |
Im Laufe des Sonntags ist Dragon ein halbes Dutzend Mal im Einsatz, um | |
immer denselben groß gewachsenen weißen Mann, auf dessen verschwitzem | |
gelben T-Shirt ein Bibelzitat steht, aus der besetzten Zone herauszutragen. | |
Sechs, manchmal acht BesetzerInnen tragen ihn zu einer der Barrieren, die | |
die Straßen versperren. Kaum haben sie ihn abgesetzt, kommt er zurück. Er | |
brüllt Bibelsprüche in die Menschenmenge und versucht immer wieder auf | |
einen wackeligen Zaun zu klettern. Ein kleinerer weißer Mann läuft mit | |
einem Gettoblaster neben ihm her, aus dem es ohrenbetäubend dröhnt: „Gott | |
ist allmächtig“. | |
Die beiden Jesus-Typen sind lästig. Aber im Vergleich zu den | |
rechtsradikalen „Proud Boys“, die vor ein paar Tagen mit sichtbaren | |
Pistolen am Gürtel in einer zehnköpfigen Männergruppe durch die | |
Menschenmenge auf dem Capital Hill stolziert sind, nehmen sie sich harmlos | |
aus. Für den 4. Juli, den US-amerikanischen Nationalfeiertag, haben | |
Neonazis auf Facebook über einen „Besuch“ auf Capitol Hill diskutiert. | |
Washington ist ein „Open Carry“-Bundesstaat, in dem jeder mit der Pistole | |
herumlaufen kann. Auch von den BesetzerInnen tragen manche eine Pistole. | |
Wenn es um Freiwillige für die Nachtschicht geht, sind sie die Ersten, die | |
sich melden. Sie wollen die Polizei abschaffen. Aber sie haben nichts gegen | |
Schusswaffen in der Stadt. | |
Auch Angelica will kein Foto. Die 26-Jährige trägt eine Spiegelbrille und | |
schwarze Nylons mit Laufmaschen. Ihre Stimme ist heiser von den Slogans, | |
die sie bei den Demonstrationen ruft. Aus dem Inneren ihrer roten Jacke mit | |
der Aufschrift „Fuck Trump“ ragt die Antenne eines Walkie-Talkie heraus, | |
das sie als Mitglied der Wache ausweist. Sie lehnt mit aufgestützten | |
Ellenbogen auf einer der in Holz eingefassten Zementbarrieren, mit denen | |
die Stadtverwaltung den Übergang zwischen der besetzen Zone und dem Rest | |
von Seattle markiert hat. | |
Eine weiße Frau kommt von der anderen Seite an die Barriere und holt | |
mehrere große Flaschen Handreiniger aus einer Einkaufstasche. Eine Spende, | |
damit sich die BesetzerInnen gegen das Coronavirus schützen können. | |
Angelica dankt. Wegen einer Allergie kann sie keine Maske tragen. Das | |
macht sie zu einer der wenigen BesetzerInnen, deren Gesicht komplett zu | |
sehen ist. Ein Schwarzer Anwohner aus einer Nachbarstraße kommt an die | |
Barriere. Am Morgen nach der Schießerei macht er sich Sorgen wegen der | |
„Optik“. Er möchte, dass seine Community „wunderbar“ bleibt. Angelica | |
antwortet dem „Bruder“ mit ihrer Interpretation eines Zitats des Autors und | |
Aktivisten James Baldwin: „Wenn wir das System nicht ändern können, müssen | |
wir unsere Kids herausnehmen.“ Dann versichert sie ihm, dass die | |
BesetzerInnen dabei seien, Seattle wieder interessant für TouristInnen zu | |
machen. | |
## Die Polizei kommt zurück | |
Unter der BesetzerInnen sind die Weißen in der Mehrheit. Manche von ihnen | |
sind zu Interviews bereit. Aber alle machen klar, dass die führenden | |
Menschen Schwarz sind. Jessica ist weiß, wie die Nachfahren von irischen | |
EinwandererInnen in den USA. Bis zum Beginn der Pandemie hat sie für große | |
Tech-Konzerne und andere etablierte Unternehmen in Seattle gearbeitet. Und | |
sie geht davon aus, dass sie das auch in Zukunft wieder tun wird. | |
Aber als Ende Mai die Bewegung gegen Polizeigewalt und Rassismus begann, | |
war ihr klar, dass sie einen Platz darin hatte. Als manipulierte Fotos mit | |
einem schwer bewaffneten Aktivisten in den Medien auftauchten, übernahm sie | |
die Pressearbeit auf Capitol Hill. Jetzt steht die 28-jährige Seattleite | |
täglich an ihrem Infostand vor der verlassenen Polizeiwache. „Sie riskieren | |
ihr Leben“, sagt sie über die Schwarzen AktivistInnen, „ich würde mich | |
schuldig fühlen, wenn ich mein [4][weißes Privileg] nicht nutzen würde, um | |
sie zu unterstützen.“ | |
Auch Javier ist von Anfang an dabei, er arbeitete bis zum Beginn der | |
Pandemie als Manager einer Hähnchenbraterei auf Capitol Hill. Jetzt | |
patrouilliert er, hilft im Medizin-Team, deeskaliert bei Streit. An diesem | |
Sonntagmorgen organisiert er eine Diskussion auf dem Broadway. Unter | |
anderem kommen ein Schwarzer Obdachloser, ein Indigener und eine ältere | |
weiße Frau ans Mikrofon. Javier desinfiziert zwischen jedem Wortbeitrag das | |
Mikrofon. „Race“, sagt er, „ist ein kompliziertes Konstrukt.“ Seine | |
Vorfahren stammen aus Puerto Rico. Er ist in New York geboren. In seinem | |
kurzen Leben hat er genügend Erfahrungen gesammelt, um der Polizei zu | |
misstrauen. „Ich würde sie nie rufen“, sagt er. | |
Auf Capitol Hill kommt die Polizei wohl trotzdem bald zurück. Nach den | |
gefallenen Schüssen am Wochenende kündigte Bürgermeisterin Durkan am Montag | |
an, die Zone nun doch auflösen zu wollen. Es sei an der Zeit, die Ordnung | |
wiederherzustellen. | |
23 Jun 2020 | |
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## AUTOREN | |
Dorothea Hahn | |
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