| # taz.de -- Parteien in Israel: Vereint gegen politischen Selbstmord | |
| > Vier arabisch-antizionistische Parteien schließen vor der Parlamentswahl | |
| > im März ein Bündnis. Das Spektrum reicht von islamisch bis links. | |
| Bild: Um hier einzuziehen, braucht es mindestens 3,25 Prozent der Stimmen: die … | |
| JERUSALEM taz | Es ist ein Bündnis von Pragmatikern, die ideologisch kaum | |
| unterschiedlicher sein könnten. Die vier arabisch-israelischen Parteien, | |
| die zusammen unter dem Namen „Die gemeinsame Liste“ zu der Parlamentswahl | |
| am 17. März antreten, eint im Grunde nur, dass sie arabische Parteien sind, | |
| genauer: antizionistische. Denn auf ihrer Liste für die Knessetwahl steht | |
| auch ein jüdischer Name. | |
| Der Abgeordnete Dov Chanin vertritt die linke Partei Chadash, die | |
| Demokratische Front für Frieden und Gleichberechtigung. Chadash schwebt | |
| anstelle des jüdischen Staates Israel ein Staat für alle Bürger vor. Am | |
| anderen Ende der Allianz steht die islamische Raam, Initialwort für | |
| „Vereinigte Arabische Liste“. | |
| Grund für die arabisch-antizionistisch Kooperation ist die Anhebung der | |
| Sperrklausel. Zum ersten Mal müssen die Parteien mindestens 3,25 Prozent | |
| der Stimmen erreichen, um in die Knesset einzuziehen. Auf Mandate | |
| umgerechnet sind es vier pro Fraktion in dem 120-köpfigen Parlament. | |
| „Es wäre politischer Selbstmord gewesen, nicht zusammenzugehen“, | |
| kommentierte Hanna Swaid von Chadash die schwierigen Verhandlungen, die | |
| knapp vor der Wahl zum Erfolg führten. Schon seit Jahren wächst der Druck | |
| im arabischen Sektor, die Kräfte zu vereinen, um so der arabischen Stimme | |
| parlamentarischen Widerhall zu verschaffen. Rund ein Fünftel von Israels | |
| Bevölkerung sind Araber oder Palästinenser, wie sich die meisten lieber | |
| nennen. | |
| Schon jetzt zeichnet sich ein deutlicher Zuwachs der Wahlbeteiligung ab. | |
| Beim letzten Urnengang gaben nur 55 Prozent von Israels Arabern ihre Stimme | |
| ab. „Diesmal rechnen wir mit 65 Prozent Beteiligung“, sagt der | |
| Meinungsforscher Mtaned Shihadeh vom Institut Mada al-Carmel. Die | |
| Einheitsliste werde „die Phlegmatiker aus dem Haus locken“. Dies müsse | |
| nicht bedeuten, dass sie tatsächlich auf eine Veränderung hoffen, „aber | |
| eine starke arabische Liste ist ein Statement“. | |
| ## „Ihr Juden habt ja keine Ahnung“ | |
| 12 Prozent geben Umfragen jüdischer Meinungsforschungsinstitute der Liste. | |
| Die israelischen Palästinenser rechnen sogar mit 13 bis 15 Prozent. „Ihr | |
| Juden habt ja keine Ahnung, wie man Umfragen unter Arabern abhält“, gibt | |
| sich Ahmad Tibi siegessicher. Der Chef der weltlichen Partei Taal, die | |
| Progressive arabische Liste, gilt als der populärste arabische Politiker. | |
| Tibi kooperierte in der Vergangenheit schon mit jeder der anderen Parteien | |
| und hat die Verhandlungen entscheidend vorangetrieben. | |
| Der Zusammenschluss zeige, so kommentierte Israels rechtskonservativer | |
| Außenminister Avigdor Lieberman zynisch, „dass es für die arabischen | |
| Parteien völlig egal ist, ob du Islamist, Kommunist oder Dschihadist bist – | |
| ihr gemeinsames Ziel ist, Israel als jüdischen Staat zu zerstören“. | |
| Lieberman will die Rechtmäßigkeit der Liste vor Gericht prüfen lassen. | |
| Die islamische Partei Raam musste sich am weitesten auf ihre neuen Partner | |
| zubewegen, als sie der Aufstellung eines jüdischen Kandidaten zustimmte. | |
| „Chadash ist keine arabische Partei, aber wir haben das akzeptiert“, | |
| erklärte Masud Ganaim, die Nummer zwei auf der Liste, auf telefonische | |
| Anfrage. Raam ist der moderatere Flügel der islamischen Bewegung in Israel. | |
| Ganaim gibt offen zu, dass er sich „eines Tages das Kalifat“ zurückwünsch… | |
| Priorität habe jedoch die Gründung eines palästinensischen Staates an der | |
| Seite Israels. | |
| Auch Aida Touma-Sliman (Chadash), eine von zwei Frauen und auf Platz fünf | |
| der Kandidatenliste, räumt ein, dass es große ideologische Unterschiede | |
| unter den Fraktionen gibt. „Die Tatsache, dass wir mit gemeinsamer Liste in | |
| den Wahlkampf gehen, zeigt aber, dass wir zumindest auf kurze Sicht eine | |
| gemeinsame politische Agenda haben.“ Dazu gehöre der Kampf gegen | |
| undemokratische Gesetze, für freie Meinungsäußerung und gegen die | |
| staatliche Konfiszierung von arabischem Land. Die christliche Kommunistin | |
| geht davon aus, dass „unser Bündnis auf jeden Fall länger leben wird als | |
| die nächste Regierung“. | |
| 3 Feb 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Susanne Knaul | |
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