# taz.de -- Oma for Future über Klimaprotest: „Ich würde mich wegtragen las… | |
> Die Pastorin Almuth Bretschneider gründete die Pinneberger Lokalgruppe | |
> von „Omas for Future“ – ein Gespräch über Klimaangst und Ungehorsam. | |
Bild: Pastorin im Ruhestand: Almutz Bretschneider engagiert sich bei „Omas fo… | |
taz: Frau Bretschneider, haben Sie Angst vor dem Klimawandel? | |
Almuth Bretschneider: Es gibt Tage, da bekomme ich richtig Fracksausen. Ich | |
bin neulich noch mal auf die Kipppunkte gestoßen: Dass zum Beispiel der | |
Regenwald anfängt, CO2 abzugeben, oder die Permafrostböden abtauen. Da | |
wurde mir richtig schwummerig. Wenn solche Kipppunkte überschritten werden, | |
dann beschleunigt sich der Klimawandel von selbst. Auch wenn wir dann | |
Gegenmaßnahmen ergreifen, können wir das nicht mehr stoppen. Und davor habe | |
ich Angst, ganz klar. | |
Jetzt gerade auch? | |
Diese Angst ist nicht immer gleich stark. Man hält es ja auch nicht aus, | |
ständig in so einem Alarmzustand zu sein. Aber als mir noch mal bewusst | |
geworden ist, wie dicht wir an einigen dieser Punkte dran sind, hat mir das | |
eine schlaflose Nacht bereitet. | |
Was hat Ihnen zuletzt konkret Angst bereitet? | |
Da reicht es, nach Süddeutschland und zu den Hochwasserereignissen in | |
diesem Jahr zu schauen. 150 Meter entfernt von meinem Garten fließt die | |
Mühlenau. Wenn die mal richtig Hochwasser bekommt, haben wir das sofort bei | |
uns im Haus. Wir haben keinen Keller. Das ist das eine, dass es wirklich | |
vor unserer Haustür stattfinden kann. | |
Und das andere? | |
Es gibt Regionen, die noch viel mehr und viel krasser betroffen sind als | |
wir, manche Inselstaaten zum Beispiel. Die Menschen dort haben konkrete | |
Ängste und spüren die Folgen schon jetzt, durch Hurrikans oder Zyklone | |
oder so was. Und wer ist daran schuld? Hauptsächlich wir. | |
Wann ist Ihnen die [1][Dimension der Klimakatastrophe] bewusst geworden? | |
Eine Sensibilität für das gesamte Thema hatte ich, glaube ich, schon | |
länger, aber an einen konkreten Zeitpunkt kann ich mich nicht erinnern. Vor | |
allem in den letzten fünf Jahren sind die Folgen immer deutlicher spürbar | |
geworden: die Dürren, die Hitzesommer. Da hat sich eine Bedrohlichkeit | |
beständig aufgebaut. | |
Sie engagieren sich bei den „Omas for Future“ in Pinneberg. Wie sind Sie | |
auf die Organisation gestoßen? | |
Das erste Mal bin ich mit der Organisation in Hamburg in Kontakt gekommen – | |
auch wenn mir das damals noch gar nicht bewusst war. Ich war mit meiner | |
Tochter und meinem Enkel auf einer „Fridays for Future“-Demo und bin da auf | |
ein Schild mit „Omas for Future“ gestoßen. Das hat mich direkt angesprochen | |
und für meine nächste Demo habe ich mir selbst eins gemalt. Seitdem | |
schleppe ich das öfter mit. Damals wusste ich noch nicht, dass dahinter ein | |
bundesweites Netzwerk steckt. Ich habe mich sozusagen unbewusst mit den | |
Omas for Future solidarisiert. | |
Wie kam es dann zu Ihrem Engagement? | |
Durch Zufall. Seit dem vergangenen Jahr bin ich im Ruhestand und wollte | |
mich eigentlich ehrenamtlich für Kinder und Jugendliche engagieren, die ein | |
Elternteil oder Geschwisterkind verloren haben. Aber dann kam die Pandemie | |
dazwischen, wodurch diese Arbeit nicht wirklich stattfinden konnte. | |
Stattdessen hat mir eine Bekannte eine Mail zu der Aktion Klimabänder der | |
Omas for Future geschickt. | |
Eine Aktion, bei der Menschen Klimaforderungen auf Stoffbänder schreiben | |
können. | |
Genau, und darüber bin ich dann mit der Organisation in Kontakt gekommen | |
und habe gemerkt, dass es in Pinneberg noch keine Regionalgruppe gibt. Die | |
habe ich dann zusammen mit drei weiteren Omas gegründet. | |
Warum ist es Ihnen wichtig, sich bei den Omas for Future zu engagieren? | |
Vor zwei Jahren bin ich Großmutter geworden. Wenn ich sehe, was sich in den | |
letzten Jahren getan hat, wie rasant sich der Klimawandel beschleunigt, | |
frage ich mich wirklich, was für eine Zukunft unsere Kinder und gerade | |
unsere Enkel vor sich haben. Wenn sie in einigen Jahren fragen: „Oma, warum | |
habt ihr nichts getan?“, dann möchte ich sagen können: „Doch, ich habe | |
etwas getan, sowohl im eigenen Verhalten als auch in der | |
Öffentlichkeitsarbeit mit den Omas for Future.“ | |
Denken Sie, Sie hätten aus heutiger Perspektive früher mehr tun müssen? | |
Sicher wäre das gut gewesen. Aber zusätzlich zu meinem Beruf als Pastorin | |
hätte ich es allein zeitlich nicht hinbekommen, mehr zu machen. Jetzt, mit | |
mehr Zeit, fühle ich mich stärker in der Verantwortung. | |
Waren Sie schon vorher umweltpolitisch aktiv? | |
Nein, das politische Engagement kam erst mit den Protesten von Fridays for | |
Future. Aber Nachhaltigkeit war mir schon lange ein Anliegen. Gerade auch | |
in der Kirche wurde das Thema bereits in den 80er-Jahren auf Kirchentagen | |
aufgegriffen und hat nach und nach bis herunter zu den Kirchengemeinden | |
immer mehr an Bedeutung gewonnen. | |
Ihr Beruf hatte also auch einen Einfluss? | |
Ja, als Pastorin hängt Nachhaltigkeit für mich mit dem Erhalt der Schöpfung | |
zusammen. Als Christen haben wir eine Verantwortung für die Umwelt, für | |
unsere Mitmenschen, für unsere Nächsten – und zwar für die nahen und die | |
fernen. | |
Es gibt noch zahlreiche andere Unterstützungsorganisationen der „Fridays | |
for Future“-Proteste, zum Beispiel die [2][„Scientists for Future“]. Warum | |
braucht es auch die Omas? | |
Zu großen Teilen gibt es natürlich Überschneidungen zwischen vielen dieser | |
Organisationen. Aber zum einen haben wir Omas im Ruhestand mehr Zeit, zum | |
anderen gehören wir einer Generation an, die maßgeblich daran beteiligt | |
war, dass sich das Klima in die Richtung entwickelt hat, die wir jetzt | |
sehen. | |
Was können Sie den jungen Aktivist:innen mitgeben? | |
„Engagiert euch!“ Ich finde es wichtig zu zeigen, dass wir die Möglichkeit | |
haben, etwas zu bewirken. Außerdem wollen wir diese junge Bewegung mit | |
unserer Zeit und unserem Wissen unterstützen. Wir wollen ihnen zeigen, dass | |
sie in ihrem Kampf nicht alleine sind. Mir ist es wichtig, dass sich jetzt | |
alle Generationen zusammen engagieren. | |
Wo sehen Sie Ihre Grenzen des politischen Protests? | |
Eine klare Grenze ist definitiv Gewalt. Die Frage nach zivilem Ungehorsam | |
als nächste Stufe des Protests hat sich für uns als Omas bisher noch nicht | |
gestellt. | |
Wäre das eine Option? | |
Das käme auf das konkrete Thema oder den konkreten Anlass an, ausschließen | |
würde ich es nicht. Wenn wir zum Beispiel gegen ein Kohlekraftwerk | |
demonstrieren, könnte ich mir schon vorstellen, mich irgendwo auf die | |
Straße zu setzen und mich wegtragen zu lassen. Aber im Moment ist das eher | |
eine hypothetische Frage. | |
19 Sep 2021 | |
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## AUTOREN | |
Tjade Brinkmann | |
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