# taz.de -- Neuer Spiegel-Chef Wolfgang Büchner: Der Versöhner | |
> Der dpa-Boss Wolfgang Büchner wird neuer Chefredakteur des „Spiegels“. Er | |
> könnte die Gräben zwischen Print und Online zuschütten. | |
Bild: Wolfgang Büchner, alias Wob, der Baumeister: Er ist kein Alles- aber ein… | |
Die Anzahl der Twitter-Follower ist nicht die ideale Währung in Sachen | |
Relevanz, aber bei Wolfgang Büchner hat sie eine gewisse Aussagekraft. Dem | |
künftigen Chefredakteur des Spiegels folgen fast 19.000 Nutzer. Stefan | |
Plöchinger, der das Onlineangebot der Süddeutschen Zeitung verantwortet, | |
kommt nur auf knapp mehr als die Hälfte. Wolfgang Blau, lange Chefredakteur | |
von Zeit Online und jetzt für den Guardian in London tätig, ist mit fast | |
17.100 Fans immerhin recht nah dran an Büchner. | |
Die drei Alphatiere haben – anders als viele andere namhafte Kräfte aus der | |
etablierten Medienwelt – einen sehr guten Stand in jenem Milieu, das | |
mangels präziserer Begriffe gern als Netzgemeinde bezeichnet wird. Dass | |
Büchner, jedenfalls gemessen an der Follower-Statistik, den besten Ruf hat, | |
könnte zumindest einen kleinen Teil dazu beigetragen haben, dass ihn der | |
Spiegel-Verlag offiziell zum neuen journalistischen Oberhaupt des Hauses | |
kürte. In Zeiten, in denen die etablierten Marken, auch der Spiegel, an | |
Strahlkraft verlieren, schadet es nicht, einen solchen Mann an der Spitze | |
zu haben. | |
Der 46-jährige Büchner, bislang Chefredakteur der Deutschen Presse-Agentur | |
(dpa), kennt die Verhältnisse in Hamburg gut, er war immerhin neun Jahre | |
lang bei Spiegel Online tätig: ab 2001 als geschäftsführender Redakteur, ab | |
2003 als stellvertretender Chefredakteur und von 2008 bis 2009 in oberster | |
Funktion. Er arbeitete lange mit Matthias Müller von Blumencron zusammen, | |
den der Spiegel vor drei Wochen gemeinsam mit Ko-Chefredakteur Georg | |
Mascolo vor die Tür setzte. An der Spitze der dpa steht Büchner seit | |
nunmehr drei Jahren. | |
Büchner übernimmt beim Spiegel sowohl die Verantwortung für den Print- als | |
auch den Onlinebereich, und zwar zum „nächstmöglichen Zeitpunkt“, wie der | |
Spiegel-Verlag mitteilt. In Gedanken ist Büchner schon bei der neuen | |
Aufgabe. Ungefähr zu dem Zeitpunkt, als der Spiegel die Personalie bekannt | |
gab, dankte er seinen „großartigen“ dpa-Kollegen für „lehrreiche, | |
aufregende, wunderbare Jahre“ – natürlich (auch) via Twitter. | |
## Der Favorit braucht keinen Verkäufer | |
Mit Büchner hat sich der Favorit durchgesetzt. Das von manchen Kräften im | |
großen Spiegel-Universum wohl gewünschte Modell, das an der Spitze | |
zusätzlich als Herausgeber bzw. Quasi-Außenminister für Talkshowauftritte | |
den Freitag-Verleger und Spiegel-Mitgesellschafter Jakob Augstein vorsah, | |
kommt nicht zum Zuge. Büchner weiß sich schon selbst zu verkaufen. | |
„Wob, der Baumeister“, wie ihn die Medienzeitschrift Journalist einst | |
nannte, ist aber nicht der Alleskönner, den der Spiegel laut Einschätzung | |
mancher Medienbeobachter gebraucht hätte. Aber den gibt es ohnehin nicht. | |
Chefredakteure waren nie Alleskönner, auch nicht in Prä-Onlinetagen, als | |
das Aufgabengebiet eines Oberhaupts weniger multidimensional war als heute. | |
Chefredakteure sind stets angewiesen auf Vertraute, die ihnen den Rücken in | |
jenen Bereichen freihalten, in denen sie selbst Schwächen haben. | |
## Viel- nicht Alleskönner | |
Büchner ist „nur“ ein Vielkönner: Er hat bereits eine Onlineredaktion | |
geleitet. Und bei der dpa hat er ein Team geführt, das eher für | |
Journalismus der alten Schule steht. Diese Erfahrungen dürften ihm nun | |
zugutekommen, denn das Verhältnis zwischen Print- und Onlineabteilung gilt | |
beim Spiegel als nicht sehr herzlich. | |
Wird Büchner auch gute Coverideen haben? Vorgänger Mascolo hatte sich | |
unbeliebt gemacht mit Titeln à la Guido Knopp („Hitlers Uhr“) oder à la | |
Bild („Kim Jong Bumm“). Und der erste von den Interimsmachthabern | |
verantwortete Titel, der uns weiszumachen versuchte, wir seien, was die | |
finanziellen Verhältnisse in Südosteuropa betrifft, bisher einer | |
„Armutslüge“ aufgesessen, „wäre an rassistischen Anspielungen deutlich | |
stark genug für ein NPD-Plakat gewesen“, wie der Griechenland-Fachmann | |
Michalis Pantelouris in seinem Blog ausführte. Eine Niveauabsenkung ist | |
unter Büchner also kaum denkbar. | |
29 Apr 2013 | |
## AUTOREN | |
René Martens | |
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