Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Neuer Rostock-„Polizeiruf“: Nächtlicher Anruf, neue Wendung
> Ein deutscher Fernseh-Krimi, der eine Trigger-Warnung verdient hat: Das
> müssen sich die Beteiligten erstmal erarbeiten. Und das machen sie sehr
> gut!
Bild: Evelyn Sonntag (Judith Engel) gibt die Hoffnung nicht auf, dass ihre Toch…
Evelyn Sonntag arbeitet bei der Rostocker [1][Telefonseelsorge]. Es ist
mitten in der Nacht, als etwas Unerhörtes geschieht – das ist einem gleich
klar, ohne die näheren Umstände zu kennen. Denn Tochter Jessica ruft an.
Aber nicht lange: „Ich hätte nicht anrufen sollen“, sagt sie und legt
wieder auf. Diese Mutter kann einem irgendwie leid tun.
Wir haben es in diesem Fall zunächst mit einem toten Mann zu tun, der
regelrecht drapiert aufgefunden wird, festgebunden an einen Glastisch,
geknebelt, überall Blut; Sexspielzeug wird gefunden.
Es könnte sich um einen brutalen Ritualmord handeln oder ein
unkontrolliertes Sexdate. Die beiden Ermittlerinnen, Katrin König (Anneke
Kim Sarnau), die LKA-Profilerin, und die [2][immer noch neue Kollegin Melly
Böwe (Lina Beckmann)] nehmen routiniert die Arbeit auf. Schnell ist klar,
dass der Tote als Facharzt für plastische Chirurgie gearbeitet hat – und
„ein Arschloch“ war.
Doch dann, natürlich, nimmt der Fall eine unerwartete Wendung. Am Tatort
wird DNA gefunden, die auf einen alten Fall verweist. Zwei Haare stammen
von einer Toten. Und richtig, da kommt Jessica ins Spiel, die nächtliche
Anruferin, die ja aber offensichtlich lebt. Ja, was denn nun?
## Lauter Warnsignale
Keine Bange, der Krimi klärt das alles auf, man kann gut folgen und alles
ist super spannend – und erschütternd. Denn es ist so: Vor 15 Jahren
verschwand Jessica spurlos. Damals war sie magersüchtig, hat die Schule
geschwänzt, nahm Drogen – lauter Warnsignale! Nur hat sie niemand
wahrgenommen …
Vor drei Jahren wurde Jessica sogar für tot erklärt. Vater Robert wollte
einen Schlussstrich ziehen. Auch, weil seine Frau all die Jahre über immer
wieder, sich an jeden Strohhalm klammernd, darauf hoffte, dass die Tochter
doch noch lebt. Nun aber dieser nächtliche Anruf und die DNA-Spuren. Und
dieser tote Mann. Gibt es einen Zusammenhang?
Aber sicher, wir sind hier in einem ARD-Krimi. Und dieser hier gehört zu
den richtig guten. Das liegt am Team, das zwei starke Frauenfiguren
anführen.
Wir erinnern uns: Alexander Bukow (Charly Hübner) hat den Dienst quittiert.
Stattdessen ermittelt inzwischen seine Halbschwester Melly Böwe. Ja ja, das
ist etwas hanebüchen und sorgt dann auch für Stunk im Team. „Sind wir eine
Erbdynastie?“, fragt ein Kollege seinen Chef herausfordernd und durchaus
gerechtfertigt, aber he, ist halt Film. Aber ein brillanter.
## Seelische Verletzungen
Das liegt auch an der erstklassigen Besetzung. Evelyn Sonntag wird von
[3][Judith Engel] glänzend gespielt. Die Mutter wirkt wie erstarrt, wie in
einem Kokon gefangen, fragil und irgendwie kindlich naiv. Was ihr Ehemann
sagt, wird gemacht. Die Fassade ist alles.
Ihrem Sohn geht es nicht besser. Der wuchs bei der Tante auf, nachdem seine
Schwester für immer verschwunden war. Sein Verhältnis zu den Eltern ist
distanziert. Adrian Grünewald (bekannt aus „Im Westen nichts Neues“) gibt
den scheinbar abgeklärten, gefühlskalten Sohn mit einer ganz eigenen
Entrücktheit, das ist absolut sehenswert.
Die beiden Figuren müssen schwerste seelische Verletzungen mit sich
herumtragen – das ist mitunter schwer zu ertragen. Menschliche Abgründe tun
sich auf. Mit denen kennt sich Katrin König ja bestens aus, wie wir auch
wieder in dieser ergreifenden Folge sehen. Und überhaupt: Die Schlussszene
lässt den Atem stocken, so viel Elend aber auch … Und deshalb: Ich bin ja
generell gegen spoilern, aber dieser Krimi hat eine Triggerwarnung
verdient.
17 Dec 2023
## LINKS
[1] /Zu-wenig-Hilfsangebote/!5968789
[2] /Polizeiruf-aus-Rostock/!5913737
[3] /Filmkomoedie-Casting/!5457156
## AUTOREN
Andreas Hergeth
## TAGS
Wochenendkrimi
Rostock
Polizeiruf 110
Wochenendkrimi
TV-Krimi
Polizeiruf 110
Polizeiruf 110
Schauspiel Hannover
## ARTIKEL ZUM THEMA
„Polizeiruf“ aus Rostock: Das Konstrukt Familie
Im Rostocker Polizeiruf „Diebe“ dreht sich diesmal alles um Mütter und
Väter – und einen Mordfall in Hamburgs Nobelviertel.
Hamburger „Tatort“: Mord im Schietwetter
Der letzte „Tatort“ aus Hamburg mit Kommissarin Julia Grosz erscheint im
Neujahr. Sie hinterlässt eine Lücke, die nur schwer zu füllen ist.
Polizeiruf 110: „Little Boxes“: Ein bisschen Gesellschaftssatire
Ein Mord am Institut für Postcolonial Studies löst eine Grundsatzdebatte
aus. Der Krimi spielt mit überzeichneten Figuren – was teilweise gelingt.
„Polizeiruf“ aus Rostock: Die eigentliche Geschichte
Neues Team, neuer Fall. Eine Grundschullehrerin will Bedrängungen nicht
still hinnehmen. Dann ist sie tot und es wird ermittelt.
Stücke über selbstbestimmtes Sterben: So geht Enttabuisierung
Das Hamburger Schauspielhaus und das Schauspiel Hannover beschäftigen sich
mit selbstbestimmtem Sterben. Beide Stücke sind höchst gelungen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.