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# taz.de -- Neuer Restitutionsfall in Wien: Schikanen gegen den Sammler
> Der Beethoven-Fries von Gustav Klimt ist eine Ikone des Jugendstils. Wie
> Österreich in seinen Besitz kam, ist allerdings eine zweifelhafte
> Geschichte.
Bild: Ein Ausschnitt aus dem Beethoven-Fries in der Wiener Sezession.
Der Beethoven-Fries, eines der Hauptwerke des Wiener Jugendstils, soll
restituiert werden. Das fordern die Anwälte der Erbengemeinschaft nach
Erich Lederer, der vor 40 Jahren unter Druck an die Republik verkauft
hatte.
Die Restituierungsforderung beruft sich auf das Kunstrestituierungsgesetz
aus dem Jahr 2009, das die zwingende Rückgabe nicht nur für Raubkunst
vorsieht, sondern auch für Kunstwerke, die unter zweifelhaften Umständen
gekauft wurden.
Der Beethoven-Fries ist ein monumentaler Wandzyklus, den Gustav Klimt 1902
für eine Ausstellung in der Wiener Secession schuf. Es ist eine kühne
Allegorie auf die Themen der 9. Symphonie mit ihrem Chor nach dem Gedicht
„An die Freude“.
Die Sehnsucht nach Glück und Liebe wird in Form von Frauengestalten den
dunklen und wollüstigen Trieben gegenübergestellt. Die verschwenderisch mit
Goldornamenten umrahmten Darstellungen, die in einem küssenden Paar
gipfeln, dienten als Rahmen für die Beethoven-Skulptur von Max Klinger und
sollten eigentlich nach der Ausstellung abgetragen werden.
Vor diesem Schicksal bewahrte den Fries der Kunstsammler Carl Reininghaus,
der ihn in sieben Teile zerlegen ließ. Er verkaufte das Kunstwerk 1915 an
das kunstsinnige Ehepaar August und Serena Lederer, das noch vor dem
„Anschluss“ Österreichs im Jahr 1938 in die Schweiz flüchtete und dann
enteignet wurde. Das Familienunternehmen wurde durch exorbitante Steuern in
den Konkurs getrieben.
## Niedertracht der Behörden
Den Historiker Robert Jan van Pelt von der Universität Waterloo in der
kanadischen Provinz Ontario, den die Erben mit einem Gutachten betrauten,
empört besonders, mit welcher Niedertracht die Republik nach 1945 mit den
Lederers umging. Erich Lederer musste sechs Schieles und einen Bellini
„freiwillig“ abtreten, um den Rest der Kunstsammlung seiner verstorbenen
Eltern außer Landes bringen zu können.
Seine Bemühungen, auch den Beethoven-Fries nach Genf zu schaffen, trafen
auf behördliche Schikanen und Verzögerungstaktik. So vermerkte die
Finanzprokuratur 1953 in einem vertraulichen Schreiben an das
Bundesdenkmalamt, es „bestünde vielleicht für die Republik Österreich die
Möglichkeit, unter günstigen Bedingungen zum Fries zu kommen“. Ein
Vergleich, bei dem Lederer ein Teil der von den Nazis über das
Familienunternehmen verhängten „Verkehrssteuern“ erlassen wurde, sei
nämlich nicht korrekt vergebührt worden.
Zur Überraschung der Behörden zahlte Lederer aber die mehrere 100.000
Schilling teure Verwaltungsgebühr nach und wahrte damit seinen
Restitutionsanspruch auf das Kunstwerk, das damals im Depot des Belvedere
verwahrt wurde.
## Der Sammler wird hingehalten
In einem handschriftlichen Brief vom Juni 1970 klagt Lederer dem damaligen
Bundeskanzler Bruno Kreisky, „es mutet an, als stünden die Behörden mit der
Uhr in der Hand da und sagten sich, stirbt er endlich, stirbt er nicht
endlich dieser LEDERER!“ Drei Jahre später gab er nach. Die Republik machte
keine Anstalten, das Ausfuhrverbot für den weltberühmten Fries aufzuheben
und bot Lederer schließlich etwas mehr als die Hälfte des vom Auktionshaus
Christie’s geschätzten Marktwert.
Der Fries wurde daraufhin in mehrjähriger Arbeit restauriert und erst 1986
als Leihgabe des Belvedere wieder in eigens geschaffene Räumlichkeiten in
der Secession montiert. In demselben Jahr starb Lederer, der vom
sukzessiven Verkauf der Kunstsammlung gelebt hatte, in Genf.
Schon 1999, als die Aufarbeitung von Raubkunst begann, wurde der
Kunstrückgabebeirat mit dem Beethoven-Fries befasst. Er rückte aber nicht
von der Position ab, dass der Verkauf mit dem „vollen Einverständnis der
Familie Lederer“ über die Bühne gegangen sei. Es sei ein „angemessener
Preis“ bezahlt worden. Dank der neuen Rechtslage rechnen sich die Anwälte
aus der Schweiz und Österreich, die vergangenen Dienstag beim Ministerium
für Unterricht und Kunst die Restituierung einreichten, gute Chancen aus.
Die zuständige Ministerin Claudia Schmied (SPÖ) reagierte verhalten. Die
Kommission für Provenienzforschung muss die Faktenlage prüfen. Die wird
frühestens im Sommer 2014 zu einem Ergebnis kommen.
22 Oct 2013
## AUTOREN
Ralf Leonhard
## TAGS
Kunst
Raubkunst
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