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# taz.de -- Restitution: Auf verschlungenen Pfaden
> Nach eigener Forschung gibt Bremens Kunstverein der Familie Berolzheimer
> eine Barockzeichnung zurück, die zu Unrecht in der Kunsthalle gelandet
> war
Bild: Cavedone skizzierte mit Kreide eine Frau
Plötzlich spielt auch Bremen eine Rolle in der großen Geschichte der
Familie Berolzheimer. Oder genauer: Seit Donnerstag kommt Bremen in ihr
vor, als eine Fußnote. Denn am Donnerstag hat die Kunsthalle an die Erben
Michael und Melitta Berolzheimers eine Zeichnung zurückgegeben. Sie stammt
von Giacomo Cavedone (1577–1660).
Auf bräunlichem Papier hat der Bologneser Maler mit Kreide den Rücken einer
Frau skizziert. Und vor allem: ihr Gewand. Eine Stola verbindet rechte
Schulter und linken Arm. Ein wunderbarer Faltenwurf bewirkt, dass sich
dieses Tuch mehrfach um ihn wickelt – verschlungen wie die Pfade, über die
das Blatt 1941 in den Bestand der Kunsthalle gewechselt war. Brigitte
Reuter, Provenienzforscherin des Museums, hat sie rekonstruiert.
Dass das Blatt zur Berolzheimer-Sammlung gehört, war komplett vergessen
gewesen. Das Museum hatte es 1941 in Berlin bei einer Auktion erworben. Die
aber galt als unverdächtig: Kunsthändler Heinrich Beckmann, dessen Nachlass
versteigert wurde, war eines natürlichen Todes gestorben. Die Zeichnung
hatte er seinem Bremer Kollegen Arnold Blome abgekauft: „Der war politisch
eher links“, sagt Kustodin Dorothee Hansen. Dass der Oberneulander
Bäckerssohn, selbst Künstler, zur „Juden-Auktion“ nach München fährt,
„passt nicht ins Bild, das wir von ihm hatten“.
Allerdings: Warum bei Adolf Weinmüller die Meisterzeichnungen so niedrig
aufgerufen wurden, er hätte es wohl ahnen können. Die Berolzheimer-Sammlung
ist ein Begriff in der Szene, damals. Denn Michael Berolzheimer ist zwar
promovierter Jurist, aber eben auch als Kunstexperte unterwegs:
Ehrenamtlich berät er Pinakothek und Grafisches Institut München bei
Ankäufen. Bei den 600 Drucken seiner Sammlung liegt der Akzent eher auf den
alten Niederländern. Etliche Rembrandts sind dabei. Mindestens 400
Originalzeichnungen umfasst sie. Und so tummelt sich, obwohl nur eine
anonyme „süddeutsche Sammlung“ annonciert ist, am 8. 3. 1939 die Crème
deutscher Museen bei Weinmüller, oder besser: ihr Abschaum. Die Wiener
Albertina deckt sich so richtig ein: 29 mal erhält sie den Zuschlag.
Mindestens 24 Blatt schnappt sich die Berliner Nationalgalerie. Zwölf
kriegt Blome. Zwei, die er an die Kunsthalle vertickt, verschwinden im
Krieg: Eins, ein Leichenzug von Lodovico Carraci komplett. Das andere, eine
Gewandstudie von Andrea Boscoli, gehört zum Baldin-Konvolut, um das Bremen
seit Jahrzehnten mit Russland verhandelt.
Bei Weinmüller versteigert werden die Zeichnungen aus der Sammlung: Die
Gestapo hat sie beschlagnahmt, als sie Anfang August 1938 die Villa in
Grainau bei Garmisch stürmt. Die Berolzheimer waren Ende Juli gen New York
aufgebrochen. Es gelingt ihnen, die Drucke zu retten, „keiner weiß, wie“,
sagt Bruce Livie.
Livie, Galerist und Kunsthistoriker, ist der Vertrauensmann von Michael G.
Berolzheimer, einem millionenschweren Unternehmer aus San Francisco
(Duraflame) und Großneffe des 1938 geflüchteten Anwalts. Seit 2010 verfolgt
er das Projekt, die geraubten Werke zurückzubekommen. Was paradox klingt:
Anschließend werden sie verkauft. Nur so lässt sich eine gerechte
Verteilung unter der weltweit verstreuten Nachfahrenschaft sichern. Und
doch, „für ihn geht es um die Familiengeschichte“, erklärt Livie. Für die
Erforschung hat Michael G. Berolzheim das Geld bereitgestellt, an einem
Buch wird in München gearbeitet: Es soll die Sammlung so weit wie möglich
wenigstens in einer Reproduktion vereinen – bevor sie sich endgültig in
alle Winde verstreut.
So war von ihm auch der Impuls ausgegangen, als die Albertina 2010
spektakulär ihre Berolzheimer-Blätter restituierte: „In Wien mussten wir
mit unseren Beweisen anreisen und die vorlegen“, so Livie. Dabei war seit
1950 der Charakter der Weinmüller-Auktion bekannt.
5 Apr 2013
## AUTOREN
Benno Schirrmeister
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