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# taz.de -- Nach Polizeieinsatz: Weiter Zittern um Hambacher Forst
> Am Freitag hieß es kurz, der von Rodung bedrohte Wald sei gerettet – dann
> wieder doch nicht. Die Kohleaktivist*innen sind verärgert.
Bild: Was denn jetzt? Wird geräumt? Oder doch nicht?
Berlin taz | Trügerische Stille im Hambacher Forst: Am Freitag ruhten die
jüngsten Räumungen zwar wieder, aber Gerüchte und Meldungen überschlugen
sich – und irritieren die Aktivist*innen vor Ort.
Es wäre eine kleine Sensation gewesen: Der Spiegel meldete am
Freitagmittag, dass die Kohlekommission in Berlin beschlossen habe, den
Kohleausstieg schon in den kommenden Jahren [1][vom Westen Deutschlands her
zu beginnen]. Sechs Kohlekraftwerke im Rheinischen Revier sollten
abgestellt werden – damit sei auch der Hambacher Forst gerettet.
„Die gesamte Meldung entbehrt jeder Grundlage“, teilte das
Wirtschaftsministerium im Auftrag der Geschäftsstelle der „Kommission
Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ am Freitag mit.
„April, April“, kommentierte Antje Grothus, Aktivistin von der
Bürgerinitiative „Buirer für Buir“ und Mitglied der Kohlekommission, diese
Meldung. „Angesichts solcher immer wieder vorkommenden erfundenen Leaks bin
ich kurz davor, das Vertrauen in den gesamten zivilgesellschaftlichen
Prozess zu verlieren. Die ernsthafte Aufgabe der Kohlekommission sollte
ohne solche Störfeuer von außen ablaufen können.“ Es würde außerdem auch
gar nicht reichen, wenn der Wald bleibt – es gehe schließlich auch um die
Dörfer.
## Aktivist*innen: Fortführung des Konfliktes
Anstatt also zu feiern, stellen sich auch die Aktivist*innen im Hambacher
Forst auf eine Fortführung des Konfliktes ein. Am Donnerstag hatte die
Polizei nach Wochen der relativen Ruhe [2][erneut Räumungen von
Rettungswegen durchgeführt und den Wald als Gefahrengebiet ausgerufen].
Aktivistin „Lena“, die ihren Namen nicht veröffentlicht sehen möchte,
bezeichnete das Vorgehen und den Verlauf des Einsatzes als „fragwürdig und
widersprüchlich“. Zunächst habe es geheißen, dass nur Rettungswege geräumt
werden, erzählt sie. Dann seien auch Zelte und Plattformen außerhalb der
Wege entfernt worden. Selbst vor der Gedenkstätte zu Ehren des am 19.
September tödlich verunglückten Steffen Meyn wurde nicht Halt gemacht. Wie
mehrere Augenzeug*innen berichteten, zerstörten RWE-Leute sie – Andenken
wie Fotos und persönlichen Botschaften fehlen nun. Das wurde in
Aktivist*innen-Kreisen und auf Twitter vielfach als pietätlos verurteilt
und als respektlose Provokation bezeichnet.
Polizei und RWE hätten sich gegenseitig die Verantwortung für den Einsatz
in die Schuhe geschoben. Offiziell heißt es von der Polizei Aachen, man
handle im Sinne der „Verkehrssicherungspflicht“, die RWE garantieren müsse
– und man habe dabei lediglich RWE-Mitarbeiter*innen vor „möglichen
Übergriffen geschützt“.
Zunächst verlautbarte die Polizei, dass der Einsatz friedlich verlief. Dann
wurde eine vermeintliche Bombe gefunden, die sich aber als Attrappe
entpuppte. Aktivistin Lena bezeichnete den Fall als „öminös“. Ein anderer
Aktivist verwies auf frühere Fälle konstruierter „Gefahren“.
## Polizei umstellt Wiesencamp
In einer Polizeipressemitteilung heißt es, dass zwei Menschen „wegen
versuchter gefährlicher Körperverletzung vorläufig festgenommen“ wurden.
Sie hätten laut RWE mit Steinen geworfen, ohne jedoch jemanden zu
verletzen. Daraufhin umstellte die Polizei das Wiesencamp, in welches sich
die Verdächtigen zurückgezogen hätten. Nachdem ein Durchsuchungsbefehl
offenbar nicht bewilligt worden war, zogen sie jedoch wieder ab. Man
arbeite an einer Sammelklage, um gegen die Vorwürfe der Polizei zu wehren.
Auch Antje Grothus verurteilte die Räumungen und kritisierte das Vorgehen
der Polizei. Die Ausrufung eines „Gefahrengebiets“ durch die Beamten sei
abermals intransparent vonstatten gegangen. Man werde als Bürger nicht über
Rechte und Pflichten aufgeklärt und fühle sich bei Durchsuchungen der
Polizei ausgeliefert, sagte Grothus.
„Die Situation ist undurchsichtig, und vieles passiert genau dann, wenn
keine Presse und keine Beobachter da sind“, so Lena. „Ich traue mich schon
gar nicht mehr, Prognosen zu treffen, wie es weitergeht, weil man nur
falsch liegen kann. Was hier passiert, ist nicht rational, und selbst
kurzfristigen Aussagen der Polizei kann man nicht vertrauen. Auf jeden Fall
rechnen wir weiterhin mit einer Räumung.“ Derzeit gibt es wieder einige
Baumhäuser in dem von Rodung bedrohten Wald.
23 Nov 2018
## LINKS
[1] /Kohlekommission-und-Hambacher-Forst/!5550459
[2] /Raeumung-im-Hambacher-Forst-geht-weiter/!5552409
## AUTOREN
Andrew Müller
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