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# taz.de -- Nach Kommunalwahlen in Frankreich: Grün-Rot nun auch in Marseille
> 25 Jahre regierte in Marseille der konservative Bürgermeister Jean-Claude
> Gaudin. Nun löst ihn die Umweltaktivistin Michèle Rubirola ab.
Bild: Rot-Grün für Marseille: Michèle Rubirola
Paris taz | Viele Zutaten garantieren nicht, dass Marseilles berühmte
Fischsuppe Bouillabaisse gelingt. Noch schwieriger ist es, mit den
notorisch zerstrittenen LokalpolitikerInnen eine tragfähige Mehrheit für
die Stadtregierung zu bilden. Erst nach langem Tauziehen wurde in einem
zweiten Anlauf am Samstag die Umweltaktivistin und Ärztin Michèle Rubirola
von der linken Wahlunion „Printemps marseillais“ (Marseiller Frühling) zur
neuen Bürgermeisterin gewählt. Sie löst damit den Konservativen Jean-Claude
Gaudin ab, der 25 Jahre lang die Hafenstadt an der Rhone-Mündung regiert
hatte.
Rubirolas Liste hatte die Kommunalwahlen zwar in der Stichwahl deutlich
gewonnen, aber eben – aufgrund des speziellen Wahlsystems nach Sektoren wie
in Paris und Lyon – mit 42 von 101 Sitzen keine absolute Mehrheit im
Stadtrat errungen.
Die konservative Liste „Les Républicains“ (LR) mit der Spitzenkandidatin
Martin Vassal, die Gaudins designierte Nachfolgerin war, bekam 39 Sitze,
das rechtsextreme Rassemblement national (RN, ehemals Front national) neun.
Kompliziert wurde der Endkampf um das Rathaus, weil außerdem die Liste der
Ex-Sozialistin Samia Ghali ebenfalls über neun und eine dissidente rechte
Liste über zwei Sitze verfügt. Die konservative Vassal gab sich nicht
geschlagen, und Ghali wollte selbst Bürgermeisterin werden.
## „Typisch Marseille“
Rubirolas Sympathisanten befürchteten, dass ihnen der bereits gefeierte
Sieg zum Schluss doch noch entgehen könnte. Sie demonstrierten vor dem
Rathaus und schüttelten lautstark Schlüsselbündel als Symbole des
geforderten Wechsels.
Eher amüsiert verfolgte das restliche Frankreich dieses Feilschen um Macht
und Einfluss in Marseille. In der Hauptstadt spotteten manche mit der
traditionellen Pariser Herablassung gegenüber der zweitgrößten Stadt
Frankreichs: „Typisch Marseille!“ Alle anderen Städte wussten schon am
letzten Sonntag aufgrund der Ergebnisse der Gemeindewahlen, wer in den
kommenden Monaten ihr Maire (BürgermeisterIn) sein würde, nur Marseille
nicht.
Die LR-Fraktion ließ Vassal fallen, schlug dafür den Altersvorsitzenden Guy
Teissier als LR-Anwärter auf das Bürgermeisteramt vor und drohte
unverhohlen mit einer Allianz mit dem RN. Die Senatorin Samia Ghali trat im
ersten Durchgang ebenfalls an.
Für ihren Verzicht und eine Unterstützung der Linken stellte sie
Forderungen, die Rubirola als „Erpressung“ ablehnte. Umgekehrt bot der
LR-Kandidat Guy Teisser, 75, der „Königsmacherin“ Ghali ungeniert den
ersten Vizebürgermeisterposten an, falls sie mit ihren acht
FraktionskollegInnen für ihn votiere. Die Rechtsextremisten des RN, die
selber keine Chancen hatten, zogen sich – angeblich „vom undemokratischen
Schauspiel angewidert“ – zurück.
## Rubirola war zunächst innergrüne Konkurrenz
Nach einem längeren Hin und Her hinter den Kulissen und einem Rückzug der
Kandidatur von Ghali wurde dann Rubirola am Nachmittag mit 51 von 92
Stimmen gewählt. Vor den applaudierenden FraktionskollegInnen und den für
sie Demonstrierenden vor dem Rathaus umarmten sich Rubirola und Ghali zur
Versöhnung. Ghali wird zweite Vizebürgermeisterin. Mit einer Woche
Verspätung zum restlichen Frankreich ist die grün-rote Welle bei den
Kommunalwahlen nun auch in Marseille angelangt.
Rubirola war als Mitglied von „Europe Ecologie – Les Verts“ (EELV) zunäc…
beurlaubt worden, als sie sich als Spitzenkandidatin des linken „Printemps
marseillais“ und damit in Konkurrenz zur Liste der Grünen aufstellen ließ.
In der Stichwahl vom 28. Juni aber unterstützte dann EELV die langjährige
Umweltaktivistin.
Rubirola verkörpert somit den [1][spektakulären Vormarsch der Grünen bei
den Gemeindewahlen] und ist zugleich eine der Frauen, die jetzt die Hälfte
der zehn größten Städte Frankreichs regieren: Paris, Marseille, Lille,
Nantes und Straßburg.
5 Jul 2020
## LINKS
[1] /Kommunalwahlen-in-Frankreich/!5693232
## AUTOREN
Rudolf Balmer
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