Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Modi in Angst: Demokratie, zum Schweigen gebracht
> In Indien herrscht die BJP. Und weil der Rückhalt in der Bevölkerung
> schwindet, setzt Modi auf undemokratische Repressionen. Anders ist es in
> Irland.
Bild: Verhaftung von Anhängern der Aam Aadmi Partei (AAP) Ende März in New De…
In den vergangenen zehn Tagen konnte ich erleben, wie Menschen auf
unterschiedliche Weise ihre demokratischen Rechte wahrnehmen – einmal in
Indien, wo ich geboren wurde, und zum anderen in Irland, wo ich heute
wohne. In Indien wird seit dem 19. April und noch bis zum 1. Juni ein neues
Parlament gewählt.
Das geschieht in brütender Hitze. Die Sommer werden immer heißer: Niemand
mehr ist überrascht, wenn das Thermometer auf 38 Grad und höher klettert.
Meine Mutter berichtet mir, dass bei ihr in Mumbai, der größten
Metropolregion des Landes, alte Bäume neuen Straßen weichen müssen, auf
denen immer mehr Autos fahren, oder dass immer mehr Gebäude entstehen,
deren Glasfassaden die Hitze geradezu aufsaugen. Massen einfacher Arbeiter
müssen sich gleichzeitig in immer weniger öffentliche Busse quetschen.
In der Wahlkampagne nimmt religiöse Rhetorik einen immer breiteren Raum
ein. Aber die Bevölkerung in Indien ist des Geredes überdrüssig. Immer
mutiger spricht sie davon, dass die derzeitige BJP-Regierung die Leute
täuscht und betrügt. Das hat Premierminister Narendra Modi, der [1][für
eine dritte Amtszeit kandidiert], in Angst versetzt. Und wer Angst hat,
greift zu brutalen Machtmitteln. Da werden dann andere Kandidaten, die die
Vorherrschaft der BJP brechen wollen, daran gehindert, anzutreten. Shyam
Rangeela etwa, der sich mit politischer Satire einen Namen gemacht hat,
durfte nicht einmal seine Kandidatur in Varanasi anmelden. Varanasi ist
eine für Hindus heilige Stadt und zufällig auch der Wahlkreis, den Premier
Modi im Parlament vertritt. Die indische Wahlkommission wies Rangeelas
Antrag ab und ließ ihn nicht einmal in das Gebäude hinein.
Rangeela ist kein Einzelfall: In anderen Städten wurden Kandidaten bedroht.
Viele sahen sich gezwungen, ihre Bewerbung zurückzuziehen, so dass nur noch
die Kandidaten der BJP übrig blieben. Diese Einschüchterungen beweisen,
dass die BJP Angst vor einer Niederlage hat. Der Kaiser hat keine Kleider
an, und die 1,4 Milliarden Inder und Inderinnen sind sich dessen bewusst.
Deshalb greift Modi zu solchen Terror-Praktiken bei der Parlamentswahl.
## Trinity
Wahlen sind, wie auch Proteste, wesentliche Elemente der Demokratie. In
Irland setzten sich die [2][Studierenden am Trinity College in Dublin]
vergangene Woche demokratisch durch. Sie hatten gegen die
Geschäftsbeziehungen ihrer Universität zu israelischen Unternehmen
protestiert und ein Protestcamp errichtet. Nach fünf Nächten und langen
Verhandlungen verzichtete die Universitätsleitung auf den Einsatz von
Polizei, stimmte der Forderung zu und wird diese Geschäftsbeziehungen
auflösen.
Irland ist das Geburtsland des Boykotts. 1880 wollten irische Bauern dem
Gutsverwalter Charles Cunningham Boycott den Pachtzins nicht bezahlen, weil
er ihnen gegenüber gewalttätig geworden sei. 1984 weigerten sich junge
Kassiererinnen in einem Kaufhaus in Dublin erstmals, Früchte aus Südafrika
zu verkaufen – aus Protest gegen die Apartheid.
Im irischen Fernsehen wurde der Mediziner [3][Gabor Maté] interviewt, ein
Spezialist für Traumata und Abhängigkeit. Seine jüdische Familie entkam in
seinem Geburtsjahr 1944 in Ungarn nur knapp der Deportation. Er sagte,
politisch gehöre er nicht zu denen, die eindeutige Positionen vertreten,
aber er wolle von der Wahrheit reden, die die Bilder aus Gaza zeigen: unter
Trümmern begrabene Kinder oder Mütter mit den leblosen Körpern ihrer
Jüngsten.
Am Trinity College haben Studierende ihre Wahrheit dargelegt und die
Universität hörte ihnen zu. In Indien versucht Modi, die Wahrheit zu
unterdrücken, aber alle schauen hin.
Aus dem Englischen von Stefan Schaaf
20 May 2024
## LINKS
[1] /Parlamentswahl-in-Indien/!6006329
[2] /Anti-Israel-Proteste-in-Irland/!6009701
[3] https://www.youtube.com/watch?v=i0WJM9RfRD8
## AUTOREN
Priyanka Borpujari
## TAGS
Kolumne Fernsicht
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Indien
Irland
Social-Auswahl
Indien
Indien
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Narendra Modi
Indien
## ARTIKEL ZUM THEMA
Parlamentswahl in Indien: Absolut nicht mehr alle wollen Modi
Laut Zwischenergebnissen liegt Premierminister Narendra Modi bei Indiens
Parlamentswahlen zwar vorn. Aber er wird Koalitionspartner brauchen.
Wahlen in Indien: Für die Stimmen der Frauen
Fast eine Milliarde Menschen wählen in Indien, das Votum der Frauen ist
wichtiger denn je – doch die wollen mehr als nur Wahlgeschenke.
Inder und Nepalesen im Ukrainekrieg: Für Russland gestorben
Über Social Media wurden Inder nach Russland gelockt und an die Front
geschickt. Jetzt wurden in Indien vier Personen wegen Menschenhandel
verhaftet.
Parlamentswahl in Indien: Narendra Modi ist Favorit
In Indien finden Parlamentswahlen statt. Die Wiederwahl des Regierungschefs
Narendra Modi könnte die indische Demokratie weiter destabilisieren.
Parlamentswahl in Indien: Wirtschaften wie in Gujarat
Premier Modi formt Indien nach dem indischen Bundesstaat Gujarat. Dort
blüht die Wirtschaft, aber laut Kritiker:innen profitieren davon nur
wenige.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.