| # taz.de -- Mit MigrantInnen auf Jobsuche: Empowerment und Teilhabe | |
| > Yvonne Trenner war Organisatorin des Oranienburger Wochenmarkts. In der | |
| > Winterpause wollte sie Geflüchteten helfen – das tut sie heute in | |
| > Vollzeit. | |
| Bild: Seit Mai sitzt Trenner auch als Parteilose für die Grünen im Kreistag O… | |
| In Oranienburg war 2014 Aufbruchstimmung. Die Initiative „Willkommen in | |
| Oranienburg“ wollte Geflüchteten das Ankommen in der fünftgrößten Stadt | |
| Brandenburgs erleichtern. „In meinem Dunstkreis haben alle mit angepackt | |
| und wollten helfen“, erinnert sich Yvonne Trenner. | |
| Sie organisierte damals den städtischen Wochenmarkt und wollte sich in der | |
| Winterpause ebenfalls in der Geflüchtetenhilfe engagieren. Also gab sie | |
| Deutschunterricht, begleitete Geflüchtete beim Gang zu ÄrztInnen und | |
| VermieterInnen. „Der Andrang war riesig“, sagt sie. Bald wurde aus dem | |
| Ehrenamt eine Vollzeitbeschäftigung. | |
| Als dann die vakante Stelle der städtischen Integrationsbeauftragten nicht | |
| neu besetzt, sondern gestrichen wurde, entschloss sich Trenner, sich voll | |
| und ganz der Arbeitsvermittlung für Geflüchtete zu widmen. Eine Ausbildung | |
| in der Arbeitsagentur hatte sie bereits in den neunziger Jahren absolviert, | |
| es fehlte das Zertifkat zur Arbeitsvermittlerin. „Ein Bürokratiemonster“, | |
| stellt sie seufzend fest – trotzdem habe sie sich ein halbes Jahr | |
| durchgebissen, bis sie im September 2016 endlich ihr kleines Büro unweit | |
| der St. Nicolai Kirche eröffnen durfte. | |
| „Integration durch Arbeit“ nennt sich die Arbeitsvermittlung der | |
| 43-Jährigen. Sie ist überzeugt, dass der Name Programm ist, da Geflüchtete | |
| nicht nur im Berufsleben in Deutschland Fuß fassen, sondern durch die | |
| jeweiligen Unternehmen auch Zugang zum Sozialleben erhalten. Statt „in | |
| ihrer Blase gefangen zu sein“, lernten sie durch die Arbeit deutsche | |
| Kollegen kennen, sagt Trenner – was letztlich auf beiden Seiten | |
| Berührungsängste abbaue. Rund 50 bis 60 Geflüchtete vermittelt sie pro Jahr | |
| in Ausbildungen und Praktika. | |
| ## Nicht mehr der erstbeste Job | |
| Die Arbeitssuche, das Bewerbungsschreiben und die Suche nach den Gründen, | |
| warum es bei manchen Arbeitsuchenden zum Teil wieder und wieder nicht | |
| klappen will, seien ein riesiger Aufwand, sagt Trenner. „Aber wenn er von | |
| Erfolg gekrönt ist, dann kann ich zufrieden nach Hause gehen.“ | |
| Andererseits sei auch das Frustpotenzial hoch: Nicht alle Arbeitsuchenden | |
| fänden sofort eine passende Stelle. „Aber die Zeit arbeitet für die | |
| MigrantInnen: Nach einer Weile beherrschen sie die deutsche Sprache, haben | |
| Berufserfahrung und kennen ihre Rechte“, sagt Trenner. „Mittlerweile haben | |
| sie nicht mehr nur den Anspruch, einen beliebigen Job anzufangen.“ | |
| Als professionelle Quereinsteigerin kennt Yvonne Trenner die Auf und Abs im | |
| Berufsleben sehr gut: Statt sich für das Jurastudium immatrikulieren zu | |
| lassen, eröffnete sie nach der Ausbildung bei der Arbeitsagentur eine | |
| Boutique. Sie arbeitete mal im Großhandel, mal im Import, kam beruflich | |
| quer durch Europa und Asien – aber aus Oranienburg wegzuziehen kam für sie | |
| nie infrage. | |
| ## Angeworben von den Grünen | |
| Seit 20 Jahren lebt sie in derselben Wohnung; seit zehn Jahren gemeinsam | |
| mit ihrer Tochter, die sie allein erzieht. „Oranienburg wird immer | |
| schöner“, sagt sie, es werde rege gebaut und investiert. Ihren Laden in der | |
| Fußgängerzone in Potsdam gab sie damals auf, weil ihr in ihrer Heimatstadt | |
| ein Wochenmarkt fehlte und sie diesen kurzerhand selbst organisierte. Bevor | |
| sie Arbeitsvermittlerin wurde, verkaufte sie am eigenen Stand Bioeier aus | |
| dem Falkenthal. | |
| Nun will die Oranienburgerin auch lokalpolitisch mitmischen. Für ihr | |
| Engagement wurde sie 2018 von den Brandenburger Grünen mit dem Preis „Grüne | |
| Gründerin“ ausgezeichnet – ihre Arbeitsvermittlung für Geflüchtete sei in | |
| dem Bundesland einmalig. Als die Partei sie fragte, ob sie sich nicht im | |
| Kreistag Oberhavel politisch engagieren wolle, musste Trenner gut | |
| überlegen. | |
| „Ich hab mir eine Sitzung angeschaut und musste feststellen, dass die | |
| Themen, die mir wichtig sind, von den Männern dort schlichtweg ignoriert | |
| wurden“, sagt sie. Seit Mai hat Trenner ein Mandat im Kreistag Oberhavel, | |
| parteilos, aber für die Grünen. Als ehemaliges Die-Partei-Mitglied will sie | |
| genau abwägen, ob sie den Grünen beitritt. „Meine Ziele und Themen sind | |
| grün, das Parteibuch ist mir weniger wichtig“, sagt sie. | |
| 5 Aug 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| David Rutschmann | |
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