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# taz.de -- Misshandlung durch Irans Sittenpolizei: Erneut Mädchen im Koma
> Der Fall erinnert in vielen Punkten an den der Kurdin Jina Mahsa Amini.
> Nicht nur das Vorgehen der iranischen Behörden ist ähnlich.
Bild: In Iran obligatorisch: das Kopftuch (Symbolbild)
Berlin taz | Erneut ist in Iran ein Mädchen Opfer der Sittenpolizei
geworden. Mit zwei Freundinnen war die 16-jährige Armita Garawand am
Sonntag gegen 7 Uhr am Teheraner Shohada-Platz in den Frauenwaggon der
U-Bahn eingestiegen. Eine Agentin der Sittenpolizei forderte sie auf, ihren
Hidschab aufzusetzen. Als die Schülerin sich weigerte, griff die Beamtin
sie körperlich an. Garawand stürzte zu Boden und verletzte sich am Kopf,
woraufhin sie blutend ohnmächtig wurde. So berichtet es unter anderem
Juristen-Vereinigung Dadban. Videomaterial einer Überwachungskamera im
Bahnhof [1][zeigt], wie Garawand aus der U-Bahn getragen wird.
Die 16-Jährige, die im Koma liegen soll, wird nun im Fadschr-Krankenhaus
in Teheran behandelt, das der iranischen Luftwaffe untersteht. Das
Krankenhaus ist Berichten zufolge militärisch abgeriegelt. Nicht einmal die
Eltern des Mädchens dürfen ihre Tochter besuchen.
Jegliche Kommunikation wurde eingeschränkt, nachdem ein mutmaßliches
[2][Foto Garawands], auf dem sie an medizinische Geräte angeschlossen ist,
an die Öffentlichkeit gelangte. Das Foto soll von einem Familienmitglied
auf Instagram veröffentlicht worden sein, bevor es gelöscht und der Name
des Accounts geändert wurde. Dies konnte bislang jedoch nicht verifiziert
werden. Die [3][Telefone des Krankenhauspersonals] sowie der Eltern der
Schülerin wurden infolgedessen beschlagnahmt.
Die Journalistin Maryam Lotfi, die für die reformistische Zeitung Shargh
ins Krankenhaus ging, um über den Fall zu berichten, wurde am Montag
[4][nach Angaben der Zeitung] festgenommen. Mittlerweile ist sie gegen
Zahlung einer Kaution entlassen worden, wie ihre Schwester [5][auf der
Plattform X berichtete].
## Behörden stellen den Fall anders dar
Iranische Behörden behaupten, Garawand sei wegen gesundheitlicher Probleme
und niedrigen Blutdrucks ohnmächtig geworden. Auch Garawands Eltern mussten
[6][gegenüber dem staatlichen Fernsehsender Irna aussagen], dass ihre
Tochter lediglich ohnmächtig geworden sei, es aber keinen Zwischenfall
gegeben habe. Menschenrechtsorganisationen berichten, die Eltern seien zu
den Aussagen gezwungen worden.
Aktivist*innen und zivilgesellschaftliche Organisationen fordern nun
die Veröffentlichung von Videomaterial aus der U-Bahn selbst. Demnach
existieren Aufnahmen, die eine Misshandlung Garawands zeigen. Die in
Norwegen ansässige Menschenrechtsorganisation Hengaw [7][fordert] zudem
Organisationen wie Ärzte ohne Grenzen und das Rote Kreuz auf, den Vorfall
zu untersuchen. Auch die vom UN-Menschenrechtsrat im vergangenen Jahr
eingerichtete Untersuchungskommission solle sich des Falls annehmen.
Garawands Familie stammt aus Kuhdascht in der westiranischen Provinz
Luristan. In den 2000er Jahren zog die Familie in die mehrheitlich
kurdische Stadt Kermanschah, bevor sie nach Teheran zog. Die 16-Jährige hat
den [8][3. Dan im Taekwondo] und malt in ihrer Freizeit.
Der Vorfall hat national und international Empörung ausgelöst. „Schon
wieder kämpft eine junge Frau in Iran um ihr Leben. Allein, weil sie in der
U-Bahn ihre Haare gezeigt hat. Es ist unerträglich“, [9][schrieb] die
deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) am Mittwoch.
Der Fall erinnert an die junge Kurdin Jina Mahsa Amini, die am 13.
September 2022 ebenfalls von der Teheraner Sittenpolizei festgenommen und
misshandelt wurde. Auch sie lag im Koma, bevor sie am 16. September 2022
ihren Verletzungen erlag. Selbst das Vorgehen der Behörden erinnert an den
Fall Amini. Die [10][Journalistin Nilufar Hamedi], die damals als erste aus
dem Krankenhaus berichtet hatte, sitzt bis heute im [11][Teheraner
Evin-Gefängnis] im Frauentrakt für politische Gefangene. Ihr wird unter
anderem „Kollaboration mit dem Feindesstaat USA“ vorgeworfen.
Auch Aminis Eltern waren unter Druck gesetzt worden, öffentlich der
Darstellung der Behörden zuzustimmen, die damals von Tod durch
Vorerkrankung sprachen. Erst einige Wochen später veröffentlichte [12][die
Journalistin Nazila Marufian] ein Interview mit Aminis Vater, der von Mord
durch die Sittenpolizei sprach. Marufian wurde daraufhin verhaftet.
Der Tod Aminis löste im vergangenen Jahr eine breite [13][Protestbewegung
in Iran unter dem Slogan „Frau, Leben, Freiheit“] aus. Mehr als 500
Menschen wurden seither im Zusammenhang mit den Protesten getötet und mehr
als 22.000 Menschen festgenommen. Mindestens sieben Protestierende wurden
hingerichtet.
4 Oct 2023
## LINKS
[1] https://twitter.com/FSeifikaran/status/1708762159050539285?t=Ot6JTXWAyUaCDe…
[2] https://twitter.com/HengawO/status/1709290245487751323
[3] https://twitter.com/dadban4/status/1709458634097168626
[4] https://twitter.com/SharghDaily/status/1708857529608941718
[5] https://twitter.com/MarziyeLotfi/status/1708925828451426358
[6] https://twitter.com/IRNA_1313/status/1709117072167305418
[7] https://twitter.com/HengawO/status/1709500930381492709
[8] https://twitter.com/FSeifikaran/status/1709485762012389454
[9] https://x.com/ABaerbock/status/1709504134926204963?s=20
[10] /Journalistinnen-in-Iran-vor-Gericht/!5934775
[11] /Weisse-Folter-in-iranischem-Gefaengnis/!5915486
[12] /Verhaftung-von-Journalistin-in-Iran/!5957319
[13] /Proteste-in-Iran/!t5884344
## AUTOREN
Daniela Sepehri
## TAGS
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