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# taz.de -- 16-jähriges Mädchen in Iran: Garawand soll hirntot sein
> Ihr Name schmückt bereits Wände in Teheran. Nun ist Armita Garawand für
> hirntot erklärt worden. Sie war von einer Sittenwächterin angegriffen
> worden.
Bild: Bild aus einer Überwachungskamera: Garawand wird aus dem U-Bahnwaggon ge…
Berlin taz | Die 16-jährige Armita Garawand soll hirntot sein. Dies
berichten iranische Staatsmedien. Die Schülerin war Anfang Oktober ins Koma
gefallen, nachdem sie in der Teheraner Metro von einer Sittenwächterin
wegen ihres fehlenden Kopftuchs angegriffen worden war. Der Fall hat
national und international Empörung ausgelöst.
Die [1][Nachricht über den Hirntod Garawands] lässt sich nicht unabhängig
überprüfen. Unabhängige Journalist*innen dürfen nicht von vor Ort
berichten und das Krankenhaus, in dem sich die 16-Jährige befindet, ist
stark militarisiert. In den vergangenen Wochen kursierten immer wieder
Meldungen, sie sei verstorben.
„Eine neue Jina Mahsa Amini“, hatten Aktivist*innen in sozialen Medien
geschrieben, nachdem sich die Meldung über Armita Garawand erstmals im Netz
verbreitet hatte. Bilder von Amini und Garawand im Krankenhaus an
Schläuchen wurden nebeneinander gestellt und vielfach geteilt.
Tatsächlich zeigt der Fall Garawand viele Parallelen zur jungen Kurdin
Amini, die im September 2022 ebenfalls von den iranischen Sittenwächtern
festgenommen und getötet wurde. Die Journalistin Maryam Lotfi, die für die
reformistische Zeitung Shargh über Garawands Fall berichten wollte, wurde
inhaftiert. Mittlerweile ist sie auf Kaution entlassen worden.
Anders Nilufar Hamedi, die im September 2022 aus dem Krankenhaus über den
Fall Amini berichtet hatte. Auch sie war unmittelbar danach festgenommen
worden. Nun wurde sie am Sonntag zu sieben Jahren Haft wegen „Kollaboration
mit der US-Regierung“, „Absprachen gegen die nationale Sicherheit“ und
„Propaganda gegen das System“ verurteilt.
## Regime setzt auf Verwirrung
Der iranische Staat scheint aus dem Fall Amini Lehren gezogen zu haben. Die
Machthaber wollen eine neue [2][Protestwelle wie im Herbst 2022] um jeden
Preis verhindern. Die Öffentlichkeit über den tatsächlichen
Gesundheitszustand der Schülerin in Unwissenheit zu lassen, ist ein Teil
der Strategie des Regimes.
Ein weiterer Teil dieser Strategie ist der maximale Druck auf Garawands
Eltern. Sie mussten nach Bekanntwerden ihres Falles in den Staatsmedien der
Islamischen Republik Interviews geben, ihre Tochter sei lediglich
ohnmächtig geworden, es habe keinen Zwischenfall gegeben und sie dürften
ihre Tochter besuchen, wann immer sie wollten.
Menschenrechtsorganisationen wie die in Norwegen ansässige Organisation
Hengaw berichteten jedoch, die Eltern seien zu dieser Aussage gezwungen
worden. Zwischenzeitig wurde sogar Shahin Ahmadi, die Mutter der
16-jährigen Garawand, festgenommen und an einen unbekannten Ort gebracht.
Auch Mitschülerinnen Garawands wurden unter Druck gesetzt. Hengaw zufolge
bedrohten Sicherheitskräfte des Bildungsministeriums die Schülerinnen in
ihrer Schule und forderten sie auf, keine Informationen über ihre
Mitschülerin oder Fotos von ihr zu verbreiten.
Das Regime hofft offenbar: Je weniger Informationen es über die 16-Jährige
gibt und je weniger sich die Menschen mit ihr verbunden fühlen, desto
niedriger ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Iraner*innen auf die
Straße gehen.
Die Strategie der Machthaber mag kurzzeitig aufgehen: Mit einer
Inflationsrate von mehr als 50 Prozent sorgen sich viele Iraner*innen, wie
sie ihr täglich Brot finanzieren. Zudem wurden hunderte Menschen allein im
letzten Jahr ermordet, unzählige verletzt, zehntausende inhaftiert.
Angehörige dieser Getöteten oder Familienmitglieder von politischen
Gefangenen wurden und werden massenhaft festgenommen, um die Bevölkerung
zum Schweigen zu bringen.
Doch es lässt sich trotz – oder wegen – der starken Repression eine immer
weiter wachsende Wut beobachten, die den Protest weiter anhalten lässt.
Seit Wochen hängen in Teheran Banner mit dem Gesicht von Armita Garawand in
der Stadt verteilt. An der U-Bahn-Station am Shohada-Platz, in der sich der
Vorfall ereignete, wurde ein Kunstgemälde für die 16-Jährige installiert,
die in ihrer Freizeit gerne malte. Und an viele Wände wurde ihr Name als
Hashtag gesprüht.
Solidarität mit Israel in Iran
International gibt es dagegen kaum noch Aufmerksamkeit für ihr Schicksal.
Sechs Tage nach dem [3][Angriff auf Garawand] in der U-Bahn verübte die
Hamas Massaker in Israel. Die Machthaber in Teheran sind finanzielle und
ideologische Unterstützer der Hamas, doch die iranische Bevölkerung
solidarisiert sich mit den Menschen in Israel.
Der Protest der Menschen in Iran geht weiter, wenn auch nicht im selben
Ausmaß wie letztes Jahr. Es ist jedoch die Ruhe vor dem Sturm. Jederzeit
kann ein neuer Tropfen das Fass zum Überlaufen bringen und eine neue Welle
von Straßenprotesten ausbrechen lassen.
22 Oct 2023
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## AUTOREN
Daniela Sepehri
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