# taz.de -- Militärtribunal im Kongo: Massenvergewaltigung vor Gericht | |
> Im Kongo hat der bisher größte Prozess gegen Milizionäre begonnen. Die | |
> Anklage: Vergewaltigung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit. | |
Bild: Eine Waffe in Kongos Bürgerkriegen: Massenvergewaltigungen | |
GOMA taz | Der Militärrichter betritt den Gerichtssaal, die Angeklagten, | |
Anwälte und Zuschauer erheben sich von den Holzbänken. Die | |
Militärpolizisten salutieren. Der Richter in grüner Uniform und Abzeichen | |
am Revers raunzt den Befehl „Setzen!“ ins Mikrofon. Die Lautsprecher | |
quietschen. Dann wird es mucksmäuschenstill im Saal. | |
Vor einem Militärtribunal in der Provinzhauptstadt Goma im Osten der | |
Demokratischen Republik Kongo begann am Donnerstag der bisher größte | |
Prozess des Landes gegen Milizenkommandeure. Angeklagt sind sie wegen | |
Massenvergewaltigung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Es ist ein | |
Meilenstein im Kampf gegen die Straflosigkeit. Im Vorverfahren wurden | |
praktische Fragen besprochen: die Ernennung von Pflichtverteidigern, | |
Probleme beim Zeugenschutz. Zahlreiche Zeugen und Mittler haben bereits | |
Drohungen erhalten. | |
Als der Militärstaatsanwalt die Anklage verliest, verschränken die vier | |
Angeklagten in blauen Häftlingsanzügen die Arme: Vergewaltigung als | |
Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Plünderung, Folter, Mord, Terrorismus, | |
Teilnahme oder Anführung einer bewaffneten Gruppe, liest der Richter vor. | |
Auf der Anklagebank sitzen vier von acht Angeklagten, die für eine | |
Massenvergewaltigung im Juli 2010 in dem kleinen Dschungeldorf Luvungi und | |
den benachbarten Orten im Urwalddistrikt Walikale rund 150 Kilometer | |
westlich von Goma verantwortlich gemacht werden. Nach UN-Angaben wurden 387 | |
Menschen vergewaltigt: 300 Frauen, 23 Männer, 55 Mädchen und 9 Jungen. Das | |
älteste Opfer war 79 Jahre, das jüngste 2 Jahre alt. Es war eines der | |
größten Einzelverbrechen in der Horrorgeschichte der [1][Bürgerkriege im | |
Kongo]. 2011 erließ Kongos Militärjustiz acht Haftbefehle gegen die | |
mutmaßlichen Täter. | |
## Vier weitere Angeklagte im Dschungel oder tot | |
Die Ermittlungen zogen sich über Jahre hin. Um Zeugenaussagen aufzunehmen, | |
musste die UN-Mission im Kongo (Monusco) die Militärstaatsanwaltschaft von | |
Goma ausstatten – vom Kugelschreiber bis zum Transport mit Hubschraubern. | |
Die Sachlage war komplex: Drei Milizen und Kongos Armee hatten sich nahe | |
Luvungi um eine Goldmine gestritten und sich gegenseitig jeweils an den | |
Frauen und Verwandten ihrer Gegner vergriffen. | |
Dann kam den Militärstaatsanwälten der Zufall zu Hilfe: Bei einer | |
Militäroperation 2015 ging der kongolesischen Armee Hauptmann Seraphin | |
Lionceau ins Netz, ein Kommandeur der ruandischen Hutu-Miliz FDLR | |
(Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas). Er hatte die FDLR-Truppen | |
rund um Luvungi angeführt. Sein Gegner: Ntabo Ntaberi Sheka, Anführer der | |
in Walikale beheimateten Miliz Nduma Verteidigungskräfte (NDC) und seit | |
Jahren im Ostkongo berüchtigt. Sheka stellte sich 2017 den UN-Blauhelmen. | |
Die zwei anderen mutmaßlichen Täter auf der Anklagebank sind als | |
Unteroffiziere weniger bekannt. Die vier weiteren Angeklagten sind | |
weiterhin im Dschungel oder bereits tot. | |
Zum ersten Mal steht nun im Kongo ein Kommandeur der ruandischen | |
FDLR-Miliz, eine der brutalsten bewaffneten Gruppen der Region, vor | |
Gericht. Und erst am vergangenen Sonntag gingen Kongos Armee zwei wichtige | |
FDLR-Funktionäre ins Netz, als sie gerade von einer Reise ins Nachbarland | |
Uganda zurückkamen und den Grenzposten Bunagana überquerten: der | |
langjährige FDLR-Sprecher Laforge Fils Bazeye und der Vize-Geheimdienstchef | |
der Miliz, bekannt unter dem Kriegsnamen „Mwenebantu“. Beide wurden nach | |
Kinshasa geflogen, um dort von Kongos Militärgeheimdienst verhört zu | |
werden. Danach sollen sie nach Ruanda überstellt werden, versichert die | |
Regierung. | |
„Die FDLR ist quasi erledigt“, sagt ein Analyst in Goma, der in der Monusco | |
für die Entwaffnung der FDLR zuständig ist und aus Sicherheitsgründen nicht | |
namentlich genannt werden kann. In den vergangenen Monaten ergaben sich | |
wöchentlich rund fünf bis zehn Kämpfer, die von der UN in ihr Heimatland | |
zurückgebracht werden. Übrig sind im kongolesischen Dschungel noch rund 300 | |
Kämpfer. | |
[2][Kongos Armee geht gezielt gegen die FDLR vor.] Auch lokale Milizen, die | |
früher mit der FDLR kollaborierten, wenden sich jetzt gegen sie. Die lokale | |
Bevölkerung in den von der FDLR besetzten Gebieten versorgt die Armee mit | |
Informationen über FDLR-Verstecke im Dschungel – auch das ist neu. Nach der | |
Festnahme vom Sonntag sind nur noch drei hohe Generäle übrig, die den | |
Fortbestand der FDLR garantieren. | |
20 Dec 2018 | |
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## AUTOREN | |
Simone Schlindwein | |
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