# taz.de -- Medienkrise in Taiwan: „Schützt die Meinungsfreiheit!“ | |
> Taiwans wichtigste Printmedien stehen kurz vor der Übernahme durch | |
> chinafreundliche Milliardäre. Studenten wehren sich gegen das | |
> „Medienmonster“. | |
Bild: Junge Taiwanesen protestieren in Taipeh gegen die Errichtung eines Medien… | |
TAIPEH taz | Wie viel ist Meinungsvielfalt wert? Für viele Taiwaner ist die | |
Antwort klar: 600 Millionen US-Dollar. Diese Summe will ein Konsortium | |
schwerreicher Geschäftsleute zahlen, um die wichtigsten unabhängigen Medien | |
des Landes zu übernehmen. Studenten, Bürgerrechtsgruppen und Opposition | |
fordern von der Regierung, den Deal zu stoppen. Sie befürchten ein | |
Meinungsmonopol und wachsenden chinesischen Einfluss auf Taiwans Medien. | |
Möglich wurde die Übernahme, weil der bisherige Eigentümer das Handtuch | |
geworfen hat. Überraschend verkündete Hongkongs Medienmogul Jimmy Lai | |
seinen Rückzug aus Taiwan. Lai, der aus seiner Abneigung gegen Chinas | |
autoritäres System keinen Hehl macht, hatte in der demokratischen | |
Inselrepublik vor zehn Jahren erfolgreich Ableger seines | |
Nachrichtenmagazins Next Magazine und der Boulevardzeitung Apple Daily | |
gestartet. | |
Beide Blätter gelten als reißerisch, aber auch als unerschrocken und | |
unparteiisch. Während fast alle Medien Taiwans im Regierungs- oder | |
Oppositionslager verwurzelt sind, bilden Lais Blätter oft Kontroverses ab. | |
Die neuen Investoren dagegen stehen im Ruf, Medien in den Dienst der | |
eigenen Interessen zu stellen – und dazu gehören vor allem gute Geschäfte | |
in China. | |
„Schützt die Meinungsfreiheit! Kein Medienmonopol!“ Mit solchen | |
Sprechchören protestieren Studenten aus ganz Taiwan in der Hauptstadt. Sie | |
kampierten Ende November vor dem Regierungssitz, gerieten mit der Polizei | |
aneinander und zogen vor das Hochhaus, in dem Taiwans Wettbewerbsbehörde | |
über den Deal berät. | |
Das Engagement der Studenten für die alten Medien überrascht, denn Taiwans | |
Jugend gilt als unpolitisch bis zur Apathie. „Wenn wir heute nicht den Mund | |
aufmachen, gibt es in Zukunft weniger Platz für unterschiedliche | |
Meinungen“, sagte Soziologiestudent Kuo Shu Wei auf einer Demo. „Die große | |
Politik ist für uns weit weg. Aber mit Medien haben wir jeden Tag zu tun, | |
das betrifft uns eher.“ | |
## Missbrauch der Macht | |
Das Feindbild für Studenten wie Kuo ist einer der reichsten Männer Taiwans: | |
Tsai Eng Meng gilt als treibende Kraft der Investorengruppe. Der | |
Multimilliardär hat sein Vermögen mit Reiswaffeln gemacht, die er vor allem | |
in China herstellt und verkauft. 2008 hatte Tsai sich Taiwans | |
China-Times-Mediengruppe einverleibt. In deren Fernsehsendern, | |
Zeitschriften und Tageszeitungen registrieren Beobachter seitdem eine | |
beschönigende China-Berichterstattung. | |
Tsai missbrauche seine Medienmacht auch, um Kritiker zu attackieren und | |
seine wirtschaftlichen Interessen zu fördern, sagt Jang Show Ling. Die | |
Wirtschaftsprofessorin an der Nationalen Taiwan-Universität warnt davor, | |
dass Tsai nach der Übernahme rund 50 Prozent des Zeitungsmarktes | |
kontrollieren würde. „Dann wird er durch Druck auf Anzeigenkunden die | |
Konkurrenz vom Markt drängen und Taiwans Printmedien monopolisieren.“ Von | |
den Wettbewerbshütern verlangt sie, den Deal zu verhindern. Doch dafür gibt | |
es derzeit wenig Anzeichen. | |
Durchkreuzt hatte Taiwans Medienaufsicht dagegen Jimmy Lais Pläne für neue | |
Fernsehsender, mit denen er auch China erreichen wollte. Jugendschutz und | |
mangelnde „soziale Verantwortung“ seiner Medien wurden mehrfach als Gründe | |
gegen eine Lizenz angeführt. Nun zieht der China-Kritiker sich offenbar | |
frustriert aus Taiwan zurück. | |
Profitieren könnte ausgerechnet Tsai Eng Meng, der im Januar 2012 der | |
Washington Post sagte: Auf dem Platz des Himmlischen Friedens seien 1989 | |
„gar nicht so viele Menschen gestorben“, und er hoffe auf eine rasche | |
Vereinigung Taiwans mit China. | |
Nach Protesten distanzierte er sich von dem Interview: Er sei falsch | |
zitiert worden. | |
20 Dec 2012 | |
## AUTOREN | |
Klaus Bardenhagen | |
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