| # taz.de -- Medien in Russland: Arreststrafe für Retweet | |
| > Der Chefredakteur des Nachrichtenportals Mediazona wird zu 25 Tagen | |
| > Arrest verurteilt. Er soll zu einer unerlaubten Kundgebung aufgerufen | |
| > haben. | |
| Bild: Sergej Smirnow (m.), Chefredakteur des Nachrichtenportals Mediazona am Mi… | |
| Berlin taz | Zack, weg war (auch) er: Am Mittwoch hat ein russisches | |
| Gericht im Moskauer Stadtteil Twerskoj den Cheffredakteur des | |
| Online-Nachrichtenportals Mediazona, Sergej Smirnow, zu 25 Tagen Arrest | |
| verurteilt. Sein Vergehen: Er soll mehrfach das Gesetz über Demonstrationen | |
| verletzt haben. | |
| Der Journalist und Menschenrechtsvertreidiger war am 30. Januar in Moskau | |
| bei einem Spaziergang mit seinem fünfjährigen Sohn in der Nähe seiner | |
| Wohnung festgenommen worden, weil er angeblich am 23. Januar an einer nicht | |
| genehmigten Demonstration zur Unterstützung [1][des inhaftierten | |
| Kremlkritikers Alexei Nawalny] teilgenommen haben soll. Allerdings war er | |
| an diesem Tag nachweislich zu Hause. | |
| Interessant ist die Begründung, die Smirnow dann doch noch die Arreststrafe | |
| einbrachte. So soll er einen Aufruf [2][zu der Kundgebung am 23. Januar] | |
| retweetet haben. | |
| Besagtes Moskauer Gericht scheint übrigens ein besonderes Händchen für | |
| Regierungskritier*innen zu haben. So wurden bereits mehrere Personen | |
| zu Arreststrafen verurteilt – darunter die Juristin und Mitarbeiterin der | |
| Antikorruptionsstiftung von Nawalny, Ljubow Sobol, sowie das Mitglied der | |
| Frauenband Pussy Riot Maria Alechina. | |
| ## Lustige Verwechslung | |
| Smirnows Version ist eine komplett andere. Bei dem inkriminierten Tweet | |
| handle es sich um einen Witz über ihn selbst, da er offensichtlich mit dem | |
| ihm ähnlich sehenden Solisten der populären Rock-Band Tarakany | |
| (Kakerlaken), Dmitri Spirin, verwechselt worden sei. Spirin ist ein | |
| erklärter Anhänger von Alexei Nawalny. | |
| Die Reaktionen auf Smirnows Verurteilung ließen nicht lange auf sich | |
| warten. Das sei in der Geschichte Russlands die erste Arreststrafe gegen | |
| einen Chefredakteur. Der Kreml versuche nicht nur die Proteste brutal | |
| nieder zu schlagen, sondern auch Journalisten einzuschüchtern, die darüber | |
| berichteten, schrieb der Verleger von Mediazona, Petr Wersilow, auf | |
| Twitter. | |
| Auf diesem Feld tut sich besonders Mediazona hervor. Das Medium wurde 2014 | |
| gegründet. Das Rechtssystem und der Strafvollzug in Russland sowie | |
| Menschenrechtsverletzungen und politische Verfolgung sind inhaltliche | |
| Schwerpunkte. | |
| Auch die russische Tageszeitung Kommersant äußerte sich zu dem Fall | |
| Smirnow. „Die Arreststrafe soll Mediazona unter Druck setzen und andere | |
| Journalisten einschüchtern. Unsere Aufgabe ist es, die Gesellschaft | |
| objektiv über das, was vorgeht, zu unterrichten. Doch diese Arbeit zu tun, | |
| ist gefährlicher geworden. (…) Prügeleien und Massenfestnahmen sollten in | |
| unserem Land nicht zur Norm werden“, heißt es in einer Erklärung, die der | |
| Kommersant auf seiner Homepage veröffentlichte. | |
| ## Ins rechte Licht | |
| Die US-Nichtregierungsorganisation Committee to Protect Journalists | |
| forderte, Smirnow unverzüglich frei zu lassen. Journalisten in Russland | |
| sollten frei und ohne Furcht arbeiten können, hieß es in einer | |
| Stellungnahme. | |
| Unterdessen rückte der Pressesprecher des Kreml, Dmitri Peskow, die Dinge | |
| wieder einmal ins „rechte“ Licht. „Es gibt keine Repressionen, dafür aber | |
| Maßnahmen gegenüber Gesetzesbrechern und Teilnehmern nicht genehmigter | |
| Aktionen. Es gibt keine Repressionen. Mit solchen emotionalen Bewertungen | |
| bin ich nicht einverstanden“, zitiert ihn die Webseite des Kommersant. Für | |
| die Beschwerden Festgenommer, Stunden in Bussen ausharren zu müssen, hatte | |
| er ebenfalls eine Erklärung parat: Es seien zu viele, als dass „die | |
| Untersuchungsgefängnisse sie alle verarbeiten“ könnten. | |
| 4 Feb 2021 | |
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| Barbara Oertel | |
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