| # taz.de -- „Marsch für das Leben“ in Berlin: Gottergeben bis völkisch-na… | |
| > Am Samstag marschieren wieder einmal christliche FundamentalistInnen, | |
| > Nationalisten und Rechte auf. Mehrere Demonstrationen halten dagegen. | |
| Bild: Same procedure as every year: die selbsternannten Lebensschützer von 2015 | |
| Familien, Nonnen und Nationalisten, Frauen und Männer mit Holzkreuzen, die | |
| mit grimmigem Ernst beten, singen und schweigen: Am Samstag marschiert die | |
| Parallelgesellschaft auf. Der Bundesverband Lebensrecht e. V. (BVL) hält | |
| wieder seinen „Marsch für das Leben“ ab. Die Dachorganisation | |
| christlich-fundamentalistischer Vereine unter Vorsitz von Martin Lohmann | |
| erwartet 7.000 TeilnehmerInnen, die bundesweit anreisen, um gegen | |
| Schwangerschaftsabbrüche („Mord“) zu agitieren. | |
| Seit 2008 begleiten feministische und antifaschistische Gegenproteste den | |
| „Schweigemarsch“ (siehe Kasten). Im Jahr 2015 schafften es diese erstmals, | |
| den mittlerweile 5.000 TeilnehmerInnen starken „Marsch“ über Stunden zu | |
| blockieren. | |
| Der Kern dieser Bewegung rekrutiert sich aus erzkatholischen Strukturen | |
| sowie freikirchlichen und evangelikalen Gruppen. Deren Ideologie zufolge | |
| verfüge der „ungeborene Mensch“, so die Berliner Erklärung des BVL, „ab… | |
| Zeugung“ über ein eigenes Lebensrecht – „unabhängig von der Entscheidung | |
| Dritter“. Zu den „Dritten“ rechnet die patriarchale Schicksalslogik die | |
| Schwangere, die als Frau qua göttlichen Fortpflanzungsauftrag auf ihre | |
| Funktionalität als Austragungsgefäß von „ungeborenen Kindern“ reduziert | |
| wird und reproduktiv entmündigt werden soll. | |
| Materialien wie Verlautbarungen von BVL und UnterstützerInnen lassen darauf | |
| schließen, dass man sich gegen „Gender-Ideologie“, „Frühsexualisierung�… | |
| „Homoehen“ in einem Kulturkampf apokalyptischen Ausmaßes wähnt. | |
| Individuelle Freiheitsrechte und Säkularismus, Feminismus und | |
| Sexualaufklärung, plurale Lebensentwürfe und Familienmodelle gefährdeten | |
| als Ausdruck einer westlichen „Kultur des Todes“ den gesellschaftlichen | |
| Fortbestand. | |
| ## Grußworte von der CDU | |
| Das reaktionäre Potenzial des organisierten „Lebensschutzes“ zielt in | |
| seiner Mobilisierung auf eine antidemokratische und antiliberale | |
| Gegenbewegung, die die Zweite Moderne – jene durch eine linke, liberale und | |
| feministische Öffentlichkeit nach 1968 errungenen gesellschaftlichen | |
| Veränderungen – rückabwickeln soll. | |
| Vermittels professioneller Kampagnen- und Lobbyarbeit bis auf EU-Ebene | |
| gegen Abtreibung und Sterbehilfe existiert heute eine breite Vernetzung | |
| dieser Szene. CDU/CSU-PolitikerInnen sorgen mit Grußworten, die Junge Union | |
| als „ideeller Unterstützer“ des BVL dafür, die in Teilen militante und | |
| holocaustrelativierende „Lebensschutz“-Bewegung in wertkonservativen | |
| Schichten hoffähig zu machen. | |
| Über Kulturkampfanleihen und das Thema Demografie erfolgt der | |
| Schulterschluss von Nationalisten und Rechtsextremen mit der christlichen | |
| Rechten: „Die Deutschen sterben aus!“ Als ideologische Brücke fungiert der | |
| geteilte Wunsch nach Restauration der patriarchalen Familie mit | |
| traditioneller Rollenverteilung und Geschlechterverhältnissen als Ausdruck | |
| einer „natürlichen“ Ordnung. In der Brauntönung von Schutz und Förderung | |
| der deutschen Familie als „Keimzelle der Gesellschaft“ schlägt es sich in | |
| der gesellschaftspolitischen Agenda der Rechten nieder. | |
| AfD-Prominenz wie Beatrix von Storch marschiert alljährlich bei den | |
| „Lebensschützern“ mit, das Grundsatzprogramm vom Mai integriert die | |
| passende Rhetorik. So heißt es im „Programm für Deutschland“ zum Punkt | |
| „Familien und Kinder“: „Die AfD steht für eine Kultur des Lebens“, won… | |
| „der Lebensschutz bereits beim Embryo beginnt“. | |
| ## Neurechte Topoi | |
| An selber Stelle fordert der migrationsfeindliche Zynismus „eine | |
| Willkommenskultur für Neu- und Ungeborene“ – Gleichlautendes war 2015 | |
| bereits auf vorgefertigten BVL-Demoschildern zu lesen. Man bedient den | |
| neurechten Topos vom „Großen Austausch“, demzufolge Regierung samt | |
| „Altparteienkartell“ mit dem großen Zugang von Asyl- und Schutzsuchenden | |
| die autochthone Bevölkerung gezielt durch „Kulturfremde“ zu ersetzen plane, | |
| bei stagnierenden Geburtenzahlen der Deutschen durch „Genderwahn“ und | |
| „Multikulti“. | |
| Rechte Medien wie die Neue Freiheit als Diskursorgan der „Neuen Rechten“ | |
| streuen als Multiplikatoren eben diese antifeministischen und | |
| nationalistischen Narrative. Entsprechende Diskurse samt Kommentarspalten | |
| machen deutlich: Die Normalisierung des Völkischen, an der die | |
| AfD-Bundesvorsitzende arbeitet, marschiert als pragmatische Vorhut längst | |
| unter dem Deckmantel des „Christlich-Abendländischen“ mit, um mit dem Ruf | |
| nach einer reaktionären Geschlechter- und Gesellschaftsordnung der | |
| konservativen bis völkischen „Revolution“ zuzuarbeiten. | |
| 17 Sep 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Melanie Götz | |
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