# taz.de -- Markus Söder auf dem CSU-Parteitag: Selbstlob und Attacke | |
> Bayerns Ministerpräsident wandelt sich mitunter so schnell, dass seine | |
> CSU nicht mehr mitkommt. Auf dem Parteitag liefert er ihr eine | |
> Standortbestimmung. | |
Bild: Auch wenn sich viele in der CSU das gewünscht haben: Wohin er mit seiner… | |
AUGSBURG taz | Auf dem Podium des 88. Parteitags der CSU kündigt die | |
Neu-Ulmer Oberbürgermeisterin Katrin Albsteiger am Freitagnachmittag die | |
nächste Rede an: „Wir sind schon alle ganz heiß drauf.“ Der Mann, auf den | |
in der Messe Augsburg alle heiß sind, hat gerade statt der üblichen Dose | |
Cola Light eine mit Red Bull geleert und ist bereit für den großen | |
Auftritt. Begleitet von bombastischen Klängen und einem multimedialen | |
Starschnitt schreitet Markus Söder zum Rednerpult. | |
Was folgt, ist eine Mischung aus Regierungserklärung und Politischem | |
Aschermittwoch. Die wichtigsten Zutaten der Rede sind Attacken gegen die | |
Bundesregierung und die Ampelparteien sowie Lobeshymnen auf das eigene | |
Regierungshandeln in Bayern. Söder bemüht die „unzähligen positiven | |
Begegnungen im Land“ als Beleg für die Zufriedenheit der Wähler mit ihm. | |
Ein Verweis, von dem ihn bislang freilich nur der strikteste Lockdown | |
abhalten konnte. | |
Dann hechelt er die Evergreens christsozialer Bierzeltreden durch: Da geht | |
es gegen Berlin, gegen das aktuelle Krisenmanagement der Ampel: „Alles zu | |
spät, zu wenig, hin und her, zu kurz gedacht.“ Es sei „eine der schwächst… | |
Regierungen, die wir je in der Bundesrepublik gehabt haben“. Söder empört | |
sich über den „ideologischen Schildbürgerstreich“, die verbliebenen | |
Atomkraftwerke nur bis März weiterlaufen zu lassen, zieht über grüne | |
Doppelmoral im Allgemeinen und über Robert Habeck im Speziellen her, rät | |
dem Bundeskanzler zu einer Kabinettsumbildung angesichts des aus seiner | |
Sicht so unfähigen Wirtschaftsministers. Die Grünen seien eine „nette | |
Schönwetterpartei“, die in Krisenzeiten schlichtweg nicht kompetent sei. | |
Und in Bayern sei sie schon gar nicht regierungsfähig, eine schwarz-grüne | |
Koalition daher keine Option – „Gott bewahre!“. | |
Das Applaus-Niveau steigt im selben Maß, in dem das inhaltliche Niveau | |
sinkt. Wenn Söder schimpft, die Grünen seien keine Klimapartei, sondern die | |
unverbesserliche alte Anti-AKW-Partei und anfügt: „Claudia Roth weint, und | |
Trittin schreit“, tobt die Halle. | |
Eigentlich ist dieser Parteitag eine Pflichtübung. Das Programm ist mäßig | |
spannend. Keine Wahlen, keine Grundsatzentscheidungen. Stattdessen: | |
Berichte vom Generalsekretär und von den Fraktionschefs in Europa, Bund und | |
Bayern. Etwas Abwechslung vom Standardprogramm bringt da allenfalls ein | |
achtminütiges Grußwort in die Messehalle: Vitali Klitschko darf, | |
zugeschaltet aus seinem Büro in Kiew, zu den Delegierten sprechen. Sonst | |
sind es vor allem zwei Höhepunkte, die die CSU in Augsburg zu bieten hat: | |
Neben der Rede des eigenen Vorsitzenden ist es der Auftritt von Friedrich | |
Merz; der CDU-Chef wird am Samstagmittag sprechen. | |
## Möglichst wenig Bewegung? | |
Und doch: Für [1][Markus Söder] ist die Veranstaltung nicht ganz ohne. | |
Nicht dass man ihm in der CSU die Gefolgschaft kündigen könnte. Aber es | |
gibt große Erwartungen an den Parteivorsitzenden. Söder, so ließ sich der | |
Wunsch seiner Parteifreunde zuletzt immer wieder vernehmen, soll ihnen doch | |
endlich sagen, wo es lang geht. „Wir sind wieder da, wir sind wieder | |
stabil, wir sind die Nummer eins“, sagt Söder zur Begrüßung seiner Leute | |
draußen vor der Halle zwischen den Messeständen. Nur: Wohin er mit seiner | |
Partei will, das sagt Söder nicht, auch später am Rednerpult nicht. An der | |
Tabellenspitze bleiben wolle er, sagt der CSU-Chef lediglich. Also | |
möglichst wenig Bewegung? | |
Die CSU präsentiert sich aktuell tatsächlich etwas orientierungslos. Und | |
das hat natürlich auch – oder vor allem – mit Söder zu tun. Dessen | |
Wandlungsfähigkeit, manche nennen sie auch Opportunismus, ist zwar seit | |
jeher berühmt, inzwischen finden die Kurswechsel allerdings in so dichter | |
Folge statt, dass der eine oder die andere Christsoziale ein Jahr vor der | |
Landtagswahl dem Haken schlagenden Chef nicht mehr zu folgen vermag. | |
Vom Fischer am rechten Rand – Stichwort Asyltourismus – über den Bäume | |
umarmenden Modernisierer bis zum Kümmerer, der neuerdings vor allem wieder | |
die konservative, ländliche Kernklientel klar im Blick hat, vom | |
Krisenmanager aus dem Team Vorsicht zum Freiheitskämpfer in Sachen | |
Corona-Beschränkungen: Spätestens seit der Pandemie [2][erfindet sich der | |
CSU-Chef schon fast im Halbjahresrhythmus neu]. Der Titel des Leitantrags, | |
den die CSU in Augsburg verabschiedet, heißt denn auch mehr beschwörend als | |
konstatierend: „Mit klarem Kurs durch die Krise“. Darin geht es um die | |
üblichen Schlagwörter: [3][eine Laufzeitverlängerung der verbliebenen | |
Atomkraftwerke], einen „marktgerechten“ Ausbau der Erneuerbaren, eine | |
Unternehmenssteuerreform und, und, und … | |
In Söders Rede geht es indes weiter mit Klassikern, der CSU-Chef ist gegen | |
Wokeness – „dies ist keine neue Freiheit, sondern illiberales, zwanghaftes | |
Spießertum“ – und für Winnetou. Natürlich geht es auch um den Bayern-Tur… | |
etwa in Sachen erneuerbare Energien. Diese wolle man bis 2030 verdoppeln, | |
[4][Photovoltaik auf staatliche Dächer] packen, aber auch die Wasserkraft | |
ausbauen, und ja, auch 1000 neue Windräder werde es in Bayern bis 2030 | |
geben. Mittelfristig, so Söder, wolle man nicht nur unabhängig von Russland | |
werden, sondern auch deutlich unabhängiger vom Norden Deutschlands. | |
Auch seine Hightech-Agenda lässt Söder nicht unerwähnt. Bayern spiele hier | |
auf Augenhöhe mit dem Silicon Valley in der Superleague, sei stärker als | |
Südkorea, behauptet der Ministerpräsident. Und in Sachen Raumfahrt sei man | |
de facto das Houston von Europa. „Möge die Macht mit Bayern sein, liebe | |
Freundinnen und Freunde!“ | |
Als Söder zum Ende kommt – Gott schütze Bayern und die CSU! –, springen d… | |
lieben Freundinnen und Freunde auf, bejubeln ihren Chef. Warum auch einen | |
Kurs festlegen, wenn es da, wo man sich gerade befindet, gar so schön ist? | |
29 Oct 2022 | |
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## AUTOREN | |
Dominik Baur | |
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