Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Leerstand in Prenzlauer Berg: Keine neue Wohnung
> Die Initiative Deutsche Wohnen und Co enteignen entdeckte, dass etliche
> Wohnungen der Deutsche Wohnen in Prenzlauer Berg absichtlich leer stehen.
Bild: Auffällig leer: Die Klingelschilder tragen keine Namen (Symbolbild)
Berlin taz | Bis über die Stadtgrenzen hinaus ist der Prenzlauer Berg als
[1][Musterbeispiel eines bereits vollständig gentrifizierten Bezirks]
bekannt. Laut Mietspiegel werden Wohnungen hier inzwischen für 27 Euro kalt
pro Quadratmeter angeboten. Doch wer denkt, in so einem Bezirk würde jeder
verfügbare Quadratmeter Wohnraum vermietet, der irrt: Hier lässt Berlins
größter Immobilienkonzern, die Deutsche Wohnen (DW), im Nordischen Viertel
zwischen den Querstraßen Bornholmer und Ibsenstraße ganze Wohnblocks
absichtlich leerstehen – zum Teil seit Jahren.
„Abends ist es richtig gruselig im Viertel, es brennen nur noch ganz wenige
Lichter“, erzählt Niklas G. (Name geändert) der taz, einer der wenigen
Mieter, der noch in einem der betroffenen Häuser ausharrt. Ursprünglich
habe die DW große Pläne gehabt: „Ende 2016 hatte ich die erste
Modernisierungsankündigung im Briefkasten“, sagt G. Um die Miete erhöhen zu
können, habe der Konzern unter anderem geplant, in seiner
31-Quadratmeter-Wohnung ein vergrößertes Bad zu platzieren, mit schicker
Badewanne und beheiztem Handtuchtrockner.
Viele Nachbar:innen seien bereits nach dem ersten Brief weggezogen, sagt
G. Weitere habe die DW mit Ausweichwohnungen und Abfindungen weggelockt.
Laut G. werden die Häuser systematisch entmietet: Ziehe jemand aus, bleibe
die Wohnung leer. Auch repariert würde kaum noch, inzwischen sei der
Zustand des Hauses „grausam“. G. will dennoch bleiben. „Ich lasse so einen
Scheiß nicht mit mir machen“, sagt er.
Zunächst ist unklar, warum DW überhaupt modernisieren darf. Schließlich
befinden sich die Häuser in einem sogenannten Milieuschutzgebiet.
Modernisierungen, die auf Aufwertung der Wohnhäuser abzielen, können
deshalb vom Bezirksamt untersagt werden. Doch dieses teilt mit, es habe
viele der geplanten Baumaßnahmen bereits im Mai 2016 genehmigt, die
restlichen im November 2020.
## Keine Veranlassung für Maßnahmen
Das wiederum wirft die Frage auf, warum die Deutsche Wohnen nicht mit dem
Modernisieren beginnt. Eine Konzernsprecherin schrieb auf taz-Nachfrage
lediglich, die Baumaßnahmen wären „aus verschiedenen Gründen verschoben und
bislang noch nicht umgesetzt“ worden. Eine mögliche Begründung wäre, dass
der Konzern die Wohnhäuser vor Baubeginn vollständig entmieten will.
So teilte das Bezirksamt mit: In den fraglichen Objekten stehen mindestens
50 Wohnungen in 13 Häusern leer. Demnach liegen aber nur für 2 der 13
Häuser Leerstandsgenehmigungen wegen anstehender Modernisierungsmaßnahmen
vor. Teilweise sind die Genehmigungen laut Bezirksdaten bereits 2018
ausgelaufen – also vor über 3 Jahren.
Das ist keine Lappalie: Laut Zweckentfremdungsverbotsgesetz ist es
verboten, [2][Wohnungen länger als 3 Monate ungenutzt zu lassen.] Bei
Verstoß sind Strafzahlungen von bis zu 500.000 Euro vorgesehen. Auch eine
Beschlagnahme durch den Bezirk ist laut Gesetz möglich.
Doch offenbar sieht der zuständige Pankower Baustadtrat Vollrad Kuhn
(Grüne) für solche Maßnahmen derzeit keine Veranlassung. Pressesprecherin
Nicole Holtz schrieb der taz, zuvor müssten mildere Mittel wie Bußgelder
ausgeschöpft werden. Doch auch zu diesen kam es bisher nicht. Holtz sagt
lediglich, es bestehe „Abstimmungsbedarf“ mit dem Immobilienkonzern.
## Akuter Überforderung im Bezirksamt
Überhaupt sei nicht klar, ob der Leerstand tatsächlich illegal sei. Die vom
Bezirk angegebenen Daten seien lediglich die elektronisch erfassten. Um
sicher nachzuprüfen, ob der Bezirk nicht doch eine Genehmigung ausgestellt
habe, müsste scheinbar in 50 analogen Einzelakten nachgeforscht werden.
Offenbar kann dem Bezirksamt dieser Arbeitsaufwand nicht zugemutet werden.
Womit das grundlegende Problem zu Tage kommt: „Im Bezirksamt herrscht akute
Überforderung“, sagt Fred Bordfeld, der stadtpolitische Sprecher der
Pankower Linken, der sich bereits Ende August in einer kleinen Anfrage an
die Bezirksverodnetenversammlung (BVV) über den Status der Wohnungen
erkundigte. Es gebe in Pankow eine „massive Leerstandsproblematik“, sagt
Bordfeld, doch das Bezirksamt habe zu wenig Mitarbeitende, um dem
nachzugehen.
Ursprünglich aufgedeckt hatte den Leerstand die Initiative hinter dem am
kommenden Superwahlsonntag stattfindenden Volksentscheid zur
Vergesellschaftung großer Wohnungskonzerne, die Deutsche Wohnen & Co.
enteignen. Als sie im DW-Viertel Haustürgespräche führte, seien dem
Kiezteam überquellende Briefkästen und namenlose Klingelschilder
aufgefallen, erzählt Thomas Isele von der Kampagne.
Für Isele steht der Fall exemplarisch für das Geschäftsmodell von DW. Der
Konzern steigere seine Profite „fast ausschließlich durch Mietsteigerung
bei Neuvermietung und nach Modernisierung“, sagt er. Die Lösung der
Problematik sieht er – natürlich – [3][in der Enteignung des
Immobilienkonzerns]: „Wäre der Wohnraum vergesellschaftet, würden
Modernisierungen unter wirklicher Mitbestimmung der Mieter:innen
geplant“, sagt Isele. Es bestünde kein Anreiz mehr, Wohnungen in der
Hoffnung auf künftige Gewinne leerstehen zu lassen.
23 Sep 2021
## LINKS
[1] /Berliner-Wohnungsmarkt/!5797585
[2] /Kampf-gegen-Wohnungslosigkeit/!5797411
[3] /Wohnungsmangel-in-Berlin/!5791370
## AUTOREN
Timm Kühn
## TAGS
Wohnungsleerstand
Deutsche Wohnen & Co enteignen
Berlin Prenzlauer Berg
Enteignung
Schwerpunkt Wahlen in Berlin
Deutsche Wohnen & Co enteignen
Deutsche Wohnen & Co enteignen
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
## ARTIKEL ZUM THEMA
Lobbyarbeit gegen Enteignungen: Desinformation und Gutachterei
CDU und Immobilienlobby bieten im Kampf gegen Enteignung Tricks und ein
neues Gutachten auf. Das Volksbegehren hält dagegen.
Vergesellschaftung von Wohnungen: Enteignen – aber wie?
Rechtswissenschaftler und Ökonomen diskutieren über die angestrebte
Vergesellschaftung der Immobilienkonzerne. Schwierig wird es in den
Details.
Erfolgreiches Volksbegehren in Berlin: Fast 350.000 Stimmen für Enteignung
Der Volksentscheid über die Vergesellschaftung großer Immobilienkonzerne
kommt: Fast jede*r zehnte Berliner*in hat für Enteignungen
unterschrieben.
Volksbegehren für Vergesellschaftung: Populismus enteignen!
Das Volksbegehren Deutsche Wohnen und Co. Enteignen sammelt ab Freitag
Unterschriften. Die taz widerlegt Argumente gegen das Volksbegehren.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.