# taz.de -- Kritik an temporären Radstreifen: Autolobby neben der Spur | |
> ADAC und Unternehmensverbände schießen gegen die Pop-up-Bikelanes. Das | |
> Mobilitätsgesetz kennen sie offenbar nur vom Hörensagen. | |
Bild: Ein paar Sprühstöße – fertig ist der Radstreifen | |
So laut, wie die Autolobby gerade schreit, muss es ganz schön wehtun: | |
Sowohl der ADAC als auch die Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB) | |
haben zuletzt Breitseite gegen die temporären „pandemieresilienten“ | |
Radstreifen abgefeuert, die gerade auf immer mehr Hauptverkehrsstraßen | |
entstehen. | |
Der Senat [1][„nutzt eine Notsituation aus, um Partikularinteressen zu | |
verfolgen“], findet Volker Krane, Verkehrsvorstand des ADAC-Landesverbands. | |
Sein Verband stellt infrage, dass die Umverteilung von Straßenraum | |
überhaupt den Zweck erfüllt, in Pandemiezeiten für mehr Abstand und somit | |
Sicherheit zu sorgen: In einer „kurzfristig angelegten | |
Vor-Ort-Untersuchung“ habe man in der morgendlichen Rushhour ein „minimales | |
Radverkehrsaufkommen und kaum Überholvorgänge“ auf den frisch markierten | |
Spuren beobachtet. | |
An manchen Stellen, vor allem in Kreuzungsbereichen, seien sogar „neue | |
Gefahrensituationen“ geschaffen worden. Mit den Lockerungen der Maßnahmen | |
zur Corona-Eindämmung werde der Kfz-Verkehr wieder auf sein früheres Maß | |
ansteigen – dann seien Kapazitätsengpässe abzusehen, so Krane. Sein Aufruf | |
an die Politik: den Radverkehr nicht über Hauptverkehrsadern führen, | |
sondern in die Nebenstraßen verlagern. | |
Auch UVB-Hauptgeschäftsführer Christian Amsinck sieht [2][„zusätzliche | |
Staus programmiert“]: Supermärkte, Handwerker oder Pflegedienste seien auf | |
einen fließenden Verkehr und genügend Parkplätze „dringend angewiesen“. | |
Auch er fordert die Senatsverkehrsverwaltung auf, die temporären Radwege | |
„so bald wie möglich zurückzubauen“. | |
Dazu wäre Folgendes zu sagen: „Eine Notsituation ausnutzen“ lässt sich | |
freundlicher ausdrücken, etwa „die Gunst der Stunde nutzen“. Schließlich | |
handelt es sich bei den allermeisten Maßnahmen um solche, die auch ohne | |
Pandemie längst anstanden – gemäß dem vor fast zwei Jahren in Kraft | |
getretenen Mobilitätsgesetz. Bei leeren Straßen gesetzlich vorgeschriebene | |
Veränderungen umsetzen, an die sich der Verkehr später anpassen kann und | |
muss, hat mit Partikularinteressen wenig zu tun (zumal im Gegensatz zum | |
fließenden und zum Lieferverkehr hauptsächlich die Falschparker | |
Leidtragende sein werden). | |
## Nicht kirre machen lassen | |
Es sei denn, man verdammt den ganzen Ansatz des Gesetzes in Bausch und | |
Bogen. Diese Vermutung liegt bei den Kritikern natürlich nahe: Auch der | |
Vorschlag, den Radverkehr eben nicht über die Hauptstraßen zu führen, | |
widerspricht ganz klar dem Mobilitätsgesetz. Von solchen Attacken sollte | |
sich die Verkehrsverwaltung also nicht kirre machen lassen, die gerade erst | |
– dem umtriebigen Straßenamtsleiter von Friedrichshain-Kreuzberg sei Dank – | |
so richtig in die Gänge gekommen ist. | |
Dass kurz nach Bereitstellung einer Radspur das Angebot noch kaum | |
angenommen wird, ist übrigens ein völlig normales Phänomen, das anderswo | |
auch auf den Kfz-Verkehr zutrifft. Und natürlich fällt der Radverkehr | |
insgesamt in Zeiten von Homeoffice und Shutdown geringer aus. Wo man | |
tatsächlich genau hinschauen sollte, sind die bemängelten Gefahrenstellen. | |
Sollte hier etwas mit allzu heißer Nadel gestrickt worden sein, muss es | |
Anpassungen geben. Geht ja viel schneller als gedacht. | |
26 Apr 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://presse.adac.de/regionalclubs/berlin-brandenburg/adac-berlin-branden… | |
[2] https://www.uvb-online.de/de/wirtschaft-fordert-rueckbau-temporaerer-radwege | |
## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
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