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# taz.de -- Krieg im Jemen: Entscheidungsschlacht am Roten Meer
> Mit einer Offensive auf Hudaida im Jemen sollen die pro-iranischen
> Huthi-Rebellen niedergekämpft werden. Der humanitäre Preis ist hoch.
Bild: Fahrt in den Kampf: Krieger in Hudaida
KAIRO taz | Die einen erwarten einen lang ersehnten Wendepunkt in dem drei
Jahre alten, militärisch festgefahrenen Jemenkrieg. Die anderen befürchten
eine humanitäre Katastrophe. Seit letztem Mittwoch tobt an Jemens Küste zum
Roten Meer die Schlacht um die Hafenstadt Hudaida, die seit Beginn des
Krieges von den schiitischen und vom Iran unterstützten Huthi-Milizen
kontrolliert wird.
Eine von den Vereinigten Arabischen Emiraten finanzierter und kommandierter
bunt zusammengewürfelter Haufen aus emiratischen Elitetruppen,
jemenitischen Regierungssoldaten und sudanesischen Soldaten versucht die
Stadt mit geschätzt 600.000 verbliebenen Einwohnern, der wichtigste
Handelsknotenpunkt des Huthi-Gebietes zum Rest der Welt, zu erobern. Die
saudische Luftwaffe bombardiert. Berichten zufolge begann am Dienstag die
Erstürmung des Flughafens von Hudaida südlich der Stadt.
„Um uns herum ist überall Tod und Armut. Wir haben Angst, die Häuser zu
verlassen, nachdem bereits um den Flughafen gekämpft wird“, erklärt
Abdelqader, einer der Einwohner, am Telefon gegenüber der
Nachrichtenagentur Reuters. „Keine Arbeit, kein Einkommen. Das einzige was
uns bleibt, ist auf Gottes Gnade zu hoffen.“ Es gibt nur wenig Stimmen aus
der Stadt. Ansonsten findet der Kampf um Hudaida weitgehend unter
Ausschluss der internationalen Medien statt.
Die saudisch-emiratische Koalition hofft auf schnelle militärische Erfolge
und darauf, dass sich die Huthi-Milizen, deren militärische Stärke eher in
der Verteidigung ihres schwer zugänglichen, bergigen Territoriums liegt,
sich unter Druck aus der Hafenstadt zurückziehen werden. Damit, so die
Idee, würde die Koalition einen in diesem Krieg entscheidenden Sieg
erringen. Die Einnahmen aus dem Hafen von Hudaida und die dort erhobenen
Zölle machen eine der wichtigsten finanziellen Quellen der Huthis aus.
Deren Verlust, propagiert die Koalition, würde die Huthis entscheidend
schwächen und dann an den Verhandlungstisch zwingen.
## Bedeutender Hafen
Doch gerade die Bedeutung des Hafens von Hudaida für ganz Jemen hat bei
Beginn der Offensive zu einem Aufschrei internationaler Hilfsorganisationen
geführt. Fast 40 Prozent des Treibstoffes des Landes sowie fast 70 Prozent
der Nahrungsmittelimporte gehen über den Hafen von Hudaida.
Hilfsorganisationen befürchten, dass die beginnende Schlacht die Lage des
Landes, die die UNO als eine der schlimmsten aktuellen humanitären Krisen
der Welt bezeichnet, noch verschärfen wird. Schon heute sind nach
UN-Angaben 22 Millionen Menschen im Jemen – drei Viertel der
Gesamtbevölkerung – von Hilfslieferungen abhängig und über 8 Millionen von
Unterernährung bedroht. Der Hafen von Hudaida ist der einzige, über den
ausreichende Mengen von Hilfsgütern nach Jemen gebracht werden können.
Militärisch hat die saudisch-emiratische Koalition mit dem Vorrücken auf
dem Flughafen der Stadt seit dem Wochenende erste Erfolge zu vermelden, es
ist aber unwahrscheinlich, dass die militärischen Auseinandersetzungen
schnell enden. Auf offenem Territorium ist es wesentlich leichter, mit
Luftunterstützung vorzurücken, als in der Stadt in einem Kampf von Haus zu
Haus, der noch bevorsteht. Experten fürchten für den Fall langandauernder
Kämpfe, die Hudaidas Hafen zerstören oder unbenutzbar machen, eine
Hungersnot in Teilen Jemens nach drei Monaten.
Beide Seiten bleiben bisher kompromisslos, auch wenn der UN-Gesandte Martin
Griffiths am Wochenende zu Gesprächen in die von den Huthis kontrollierte
jemenitische Hauptstadt Sanaa reiste. Am Dienstag reiste er ab, ohne eine
Erklärung abzugeben. Die Rebellen verweigern sich einem Waffenstillstand
unter den jetzigen Bedingungen. Und auch die Emirati bleiben bei ihren
Maximalforderungen: „Die Huthis können keine Bedingungen für ein Rückzug
aus der Stadt stellen“, erklärte der emiratische Außenminister Anwar
Gargash in einer Pressekonferenz in Dubai. „Wenn die Rebellen Bedingungen
stellen wollen, dann hätten sie das vor einem Jahr tun sollen, jetzt ist
nicht die Zeit zu verhandeln.“
Iran, der wichtigste internationale Unterstützer der Huthis, warnte die
Emirate dagegen, dass der Versuch, die Krise im Jemen militärisch zu lösen,
zum Scheitern verurteilt sein. Der iranische Präsident Hassan Rohani hat
laut dem iranischen Staatsfernsehen den Emir von Katar, Sheih Tamim bin
Hamad al-Thani telefonisch aufgefordert, die Jemenkrise stattdessen „durch
politische Kanäle zu lösen“.
## Langer Kampf befürchtet
Das ist nach Ansicht der Denkfabrik International Crisis Group aber eher
unwahrscheinlich. Sie warnt, dass die Schlacht um Hudaida lange andauern
wird und Millionen Jemeniten ohne ausreichend Nahrungsmittel Treibstoff und
anderer lebenswichtige Güter zurücklassen wird. „Dieser Kampf wird eher
beide Seiten davon abhalten, zum Verhandlungstisch zu kommen“, heißt es in
einer aktuellen Analyse. Das wahrscheinlichste Ergebnis sei keine
Huthi-Kapitulation und kein sauberer Sieg für die emiratisch unterstützten
Regierungstruppen, sondern ein langer und destruktiver Kampf. Eine der
Strategien der Huthis, so die Crisis Group weiter, könnte sein, möglichst
lange in Hudaida auszuharren und die humanitären Kosten der Offensive nach
oben zu treiben, um einen internationalen Aufschrei zu provozieren.
Die Führung der Huthis ist nicht bekannt dafür, aufzugeben. Sie kämpft nun
bereits seit 14 Jahren gegen Jemens Regierung, die seit dem Verlust der
Hauptstadt Sanaa in der südlichen Hafenstadt Aden amtiert und deren
international anerkannter Präsident Abd-Rabbu Mansur Hadi erst vergangene
Woche von einem einjährigen Aufenthalt in Saudi-Arabien zurückkehrte. Der
aktuelle Krieg ist nur der letzte in einer Serie militärischer
Auseinandersetzungen. Und selbst wenn die Huthis den Hafen von Hudaida
verlieren sollten, könnten sie ihre Einnahmen schlichtweg an
Straßenkontrollpunkte weiter im Inneren des Landes erpressen und sich in
ihrem Berggebiet einigeln. Es ist die Tragik dieses Krieges, dass beide
Seiten immer noch glauben, den anderen erst militärisch in die Knie zwingen
zu können, bevor sie verhandeln.
19 Jun 2018
## AUTOREN
Karim El-Gawhary
## TAGS
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Huthi-Rebellen
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