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# taz.de -- Kopfballverbot im US-Jugendfußball: Matschbirne
> Die USA haben das Kopfballspiel für unter Zehnjährige verboten – zur
> Prävention von Hirnschäden. Aber wie gefährlich ist Köpfen wirklich?
Bild: „Mit jedem Kopfball sind zehn Vokabeln weg“, hieß es früher im Spor…
Berlin taz | Es gab diesen Spruch beim Jugendfußball, der so ging: „Mit
jedem Kopfball sind zehn Vokabeln weg.“ Ernst gemeint war das nicht, und
gestört hat es auch nicht viele. Doch mittlerweile bleibt bei dem Witz,
dass Kopfbälle doof machen, das Lachen im Halse stecken. Mehrere Studien
deuten an, dass zu viele Kopfbälle die Hirnstruktur verändern und
Hirnschäden verursachen könnten. Besonders das Kopfballspiel bei Kindern
und dessen Schädlichkeit sind umstritten. Die USA haben schon mal reagiert:
Kinder unter zehn Jahren dürfen dort keine Kopfbälle mehr spielen, Kinder
bis 13 zumindest keine trainieren.
Diese Idee dürfte dem US-Verband nicht zufällig gekommen sein, gab es doch
just 2014 eine Sammelklage besorgter Eltern wegen des Kopfballspiels. „In
den USA wird so was schnell generalisiert“, sagt Gerhard Müller, Präsident
der Gesellschaft für Sport-Neuropsychologie (GSNP). „Das ist dort ein sehr
emotionales Thema.“ Dass man bei der GSNP, die 2015 mit einem netten
Vorwort von IOC-Präsident Thomas Bach gegründet wurde, das US-Verbot für
vorschnell hält, dürfte allerdings auch nicht verwundern. Dabei legen
neuere Studien nahe, dass das US-Verbot nicht ganz unbegründet ist.
Selbst in Deutschland geht man mit Kopfbällen deutlich vorsichtiger um als
in alten Zeiten, wo die Birne mit Lederball und Pendel traktiert wurde. Der
DFB etwa empfiehlt derzeit Kopfballtraining erst ab 13 Jahren, beim
niederländischen Nachbarn wird der Kopfball sogar erst ab 16 Jahren
empfohlen. „Wir wissen, dass der kindliche Schädel noch nicht voll
entwickelt ist“, sagt auch Müller. „Die Vorsichtigen raten bis zum Alter
von 13 Jahren von Kopfbällen ab, die weniger Vorsichtigen bis elf.“ Dass
jedoch Kopfbälle allgemein schädlich seien, „das geben die Studien nicht zu
hundert Prozent her“.
Es gab sowohl in den USA als auch in Europa nur Kurzzeitstudien mit wenigen
Probanden. Doch wegdiskutieren lassen sich die Ergebnisse nicht. Die
deutsche Forscherin Inga Koerte untersuchte 2012 in einer viel beachteten
Studie mit einem speziellen Screening-Verfahren die Gehirne von zwölf
Bundesligaspielern. Dabei stellte sie eine auffällige Veränderung der
Mikrostruktur fest. „Die strukturellen Veränderungen waren denen eines
Schädel-Hirn-Traumas ähnlich“, teilte Koerte mit.
## Studien über Schäden wegen Kopfbällen
Seit den 1990er Jahren beobachten Forscher auffällige Häufungen
neurologischer Krankheiten bei Fußballprofis. Und schon damals fiel auf,
dass vor allem Abwehr- und Mittelfeldspieler betroffen sind, also die, die
viel köpfen. Eine Studie aus Turin zeigte zudem eine ungewöhnliche hohe
Zahl von ALS-Erkrankungen bei Fußballprofis, ein Phänomen, das man sonst
etwa von Footballspielern kennt. Im Football ist die Hirnverletzung CTE
(Chronisch Traumatische Enzephalopathie) ein großes Thema. Und immer wieder
gibt es auch im Fußball Fälle wie des ehemaligen englischen
Nationalspielers Jeff Astle oder des US-Profis Patrick Grange, begnadete
Kopfballspieler, deren vordere Hirnpartie stark geschädigt wurde.
Solche Studien allerdings kriegen viel Gegenwind. „Die Lage ist nicht
eindeutig“, so Andreas Eidenmüller vom Zentrum für Klinische
Neuropsychologie in Würzburg. „Bei den CTE-Studien im Football waren viele
Sportler mit Drogenproblemen oder Depressionen dabei. Der kausale
Zusammenhang ist noch nicht klar.“ Eidenmüller fordert daher längere
Studien mit mehr Probanden. „Aber dafür bräuchte man viel Geld.“ Fraglich,
wer das in die Hand nehmen möchte, würde doch eine nachgewiesene
Kopfballgefahr für den Fußball eine Menge unbequemer Probleme bringen.
## Helmpflicht für Fußballer?
Die Reaktion des US-Verbands jedenfalls ist ebenso umstritten. „Wenn man
mit 13 Jahren erst anfängt, Kopfbälle zu trainieren, kann das Köpfen später
gefährlich sein“, so Eidenmüller. „Wir sagen: Besser ein gut trainierter
Kopfball als ein schlechter.“ Denn sonst sei das Risiko hoch, den Ball
falsch zu treffen, was mit größerer Wahrscheinlichkeit zu Schäden führe.
Zumindest ein Industriezweig bereitet sich aber schon vor, falls Kopfbälle
sich als schädlich erweisen sollten: Sicherheitsunternehmen forschen
bereits an Helmen für Fußballer. Im Jahr 2008 testeten die Grasshoppers
Zürich den Helm bei den Junioren. Vom Ergebnis waren sie allerdings wenig
überzeugt: zu warm, zu lästig.
24 Nov 2015
## AUTOREN
Alina Schwermer
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