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# taz.de -- Kommunikationswissenschaftler über Humor: „Humor wirkt auch gese…
> Humor ist die Fähigkeit, heiter und gelassen zu sein. Wie man sie
> erforscht, erklärt Jan-Rüdiger Vogler, Mitinitiator der Hamburger
> Humortagung.
Bild: Setzt gesunde Glückshormone frei: Lachen im Krankenhaus, zum Beispiel mi…
taz: Herr Vogler, wie erforscht man Humor?
Jan-Rüdiger Vogler: Eine Humorforschung an sich oder einen Lehrstuhl für
Humor gibt es nicht. Humor ist zwar ein eigenes Forschungsfeld, aber bei
ganz verschiedenen Disziplinen angesiedelt. Die Psychologen ragen da
heraus, die haben die Humorforschung sehr vorangetrieben. Aber sie taucht
auch in anderen Disziplinen auf.
Sie laden am kommenden Wochenende zum zweiten Mal zur Hamburger
Humortagung. Dort stellen Sie auch die neuesten Erkenntnisse der
Humorforschung vor. In welche Richtung entwickelt sie sich aktuell?
Aktuell ist interessant, dass das Soziale in den Vordergrund tritt. Also
zum Beispiel die Frage: Wie wirkt sich Humor in so einem Fall wie der
Pandemie aus? Welche Auswirkung hat er auf die verschiedenen
gesellschaftlichen Gruppen, auf bestimmte Berufsgruppen? Wie gehen Menschen
dabei mit Humor um? Wird überhaupt gelacht im Zusammenhang mit solch
schrecklichen Sachen?
Das knüpft an schon ältere Überlegungen an, nach denen Humor ein Mittel
ist, um Spannungen abzubauen. Denkt man da heute anders?
Bisher hat man sich darauf konzentriert zu fragen, wie Humor auf das
Individuum wirkt. Jetzt gibt es eine Reihe von Studien, die gezeigt haben,
dass Humor auch gesellschaftlich wirkt. Vor allem im spanischsprachigen
Raum ist relativ viel dazu erschienen.
Wie sind diese Studien vorgegangen? Sind das sozialpsychologische Studien?
Es sind in der Regel literaturwissenschaftliche, soziologische und
politikwissenschaftliche Studien oder aus der Pädagogik. Festgestellt haben
sie im Zusammenhang mit der Pandemie zum Beispiel, dass Humor im
spanischsprachigen Raum meistens online stattfand, da die direkte
Kommunikation sehr eingeschränkt war. Dieser Humor war selbststärkend. Er
hat den Menschen geholfen, diese Einschränkungen zu ertragen, besser mit
ihnen klarzukommen.
Humor wäre dann ein Mittel, um über die Absurdität dieser für alle neuen
Situation zu kommunizieren, und über die Probleme, die wir damit haben?
Genau. Witze greifen auf, was in der Lebenswelt der Menschen passiert.
Interessanterweise kommen ein paar Studien, die in Polen entstanden sind,
zu anderen Ergebnissen: Dort haben die Menschen stark auf ihre Erfahrung
zurückgegriffen, die sie in der Zeit des Sozialismus gemacht haben. Da ging
es in Witzen eher darum, dass da ein unmündiger, leicht trotteliger Bürger
unter den Restriktionen des Systems leidet. Das ist eine etwas andere Art
von Witz, der für die Menschen in Polen die Einschränkungen erträglicher
machte.
Nicht nur der Humor, auch das Nachdenken über ihn hing immer von
historischen Bedingungen ab und hat sich im Laufe der Zeit verändert. Für
Aristoteles war Humor bloß Ausdruck von Überlegenheitsgefühlen, ein
Versuch, Macht über andere auszuüben. Heute ist das Lachen über andere eher
verpönt.
Unser heutiges Verständnis von Humor in den westlichen Ländern ist relativ
neu. Das ist im Grunde erst nach dem Zweiten Weltkrieg in den USA
entstanden, unter anderem durch eine Forschungsgruppe im kalifornischen
Palo Alto, wo Psychologen über den Begriff „Humor“ nachgedacht haben. In
den 3.000 Jahren davor hatte der Humor gesellschaftlich gar nicht so ein
gutes Ansehen, Aristoteles und auch Plato haben vor ihm gewarnt, für Plato
war er staatszersetzend. Bis vor Kurzem wurde Humor weitgehend mit Spott
gleichgesetzt. Das war die gängige Form von Humor für die meisten Menschen.
Heute wird viel über verletzenden Humor diskutiert, darüber, welche Formen
von Humor von wem ertragen werden müssen.
Wobei man sich fragen sollte: Kann man das ausdrücklich regeln? Oder muss
man nicht einige Sachen stehen lassen? Im Zweifelsfall macht man Witze
darüber. Ich kenne keine Studien darüber, aber man kann über das, was in
der Gesellschaft überwiegend als lustig empfunden wird, gesellschaftlichen
Konsens aushandeln. Und man sollte, meiner Meinung nach, akzeptieren, dass
unterschiedliche Menschen einen unterschiedlichen Humor haben.
Was als humorvoll und angemessen verstanden wird, hängt vom kulturellen
Umfeld ab. In Japan kommen Witze in Gesprächen wegen der vielen
Höflichkeitsregeln selten vor. In den USA ist man selbstironisch, Witze
über andere sind verpönt, in Europa ist das eher akzeptiert.
Hier ist es etwas unentschieden. In Fernsehformaten zum Beispiel wird gern
mit Spott gearbeitet, da gehen ziemlich viele Witze auf Kosten anderer.
Diese Art von Humor ist halt sehr direkt und populär. In akademischen
Kreisen ist es oft verpönt zu spotten, aber auch da ist Spott verbreitet,
das muss man auch sagen.
Da kommen Humor und Habitus zusammen. Was jemand humorvoll findet, ist auch
immer Ausdruck von sozialen Positionen und Geschmäckern. Habe ich einen
sogenannten feinen Humor oder kann ich über Kalauer lachen?
Ja, die Trennung von „richtigem“ und „falschem“ Humor ist im
deutschsprachigen Raum stärker als zum Beispiel im englischsprachigen Raum.
Das merkt man schon an dem, was die jeweilige Forschung als Humor
bezeichnet. Etwas platt könnte man sagen: Im englischsprachigen Raum ist
Humor alles, was dazu animiert, dass die Leute darüber lachen. Während die
Humorforschung im deutschsprachigen Raum etwa eher sagt: Zynismus und
Sarkasmus sind kein richtiger Humor. Ich erlebe oft in Seminaren, dass mir
Leute gegenübersitzen, die sagen: Ach nee, das ist jetzt unter meinem
Niveau und darüber kann ich nicht lachen. In anderen Seminaren heißt es
wiederum: Ja, gib ihnen Saures!
Sie sind auch Humortrainer. Wie kann man Humor lernen und üben?
Es heißt immer, Humor hat man oder nicht. Tatsächlich haben alle Menschen
Humor und man kann eine humorvolle Haltung üben, man kann sie richtig
trainieren. Ich habe dafür eine „Humorschatzkiste“ entwickelt, die auf
einem wissenschaftlich evaluierten Training aufbaut. Dann kann man
irgendwann dahin kommen, dass man tatsächlich sagt, das tue ich jetzt
bewusst als Notfallprogramm. Wenn ich selbst in Stresssituationen wie zum
Beispiel einem Konflikt bin, frage ich mich: Was ist hier denn jetzt gerade
komisch? Das ist mir früher nicht gelungen, denn wenn ich im Konflikt war,
dann war mein Humor meistens weit weg. Aber in jedem Konflikt gibt es ein
komisches Element. Und wenn ich das erkenne, sinkt der Stress meistens.
Zum Schluss: Fürs Lachen braucht es gar keinen Humor, das geht auch ohne
Lustiges.
Humor und Lachen werden oft in einen Pott geworfen, aber es sind zwei
grundsätzlich unterschiedliche Dinge. Lachen ist eine Form der
Kommunikation, die übrigens nicht nur Menschen, sondern auch Menschenaffen
betreiben. Es gibt Studien, die zeigen, dass dem Lachen in Dreiviertel der
Fälle nichts Lustiges vorausgeht. Man lacht vielleicht aus Verlegenheit
oder einfach, um dem Gegenüber zu zeigen: Es ist alles in Ordnung, du hast
von mir nichts zu befürchten. So wie es ganz unterschiedliche Formen von
Humor gibt, so gibt es auch ganz unterschiedliche Formen von Lachen.
10 Sep 2022
## AUTOREN
Robert Matthies
## TAGS
Humor
Forschung
Witze
Comedy
Kurt Krömer
Schwerpunkt #metoo
Die Wahrheit
Sigmund Freud
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