# taz.de -- Kölner „Tatort“ über Wohnungslosigkeit: Vielschichtig, stark,… | |
> Ein „Tatort“, der ausnahmsweise seinem Anspruch gerecht wird. „Wir alle | |
> anderen auch“ erzählt zart und brutal vom Leben von Frauen ohne Wohnsitz. | |
Bild: Ella Jung (Ricarda Seifried) darf bei einem Fremden duschen. Aber ist sie… | |
Es ist selten geworden, dass Tatort-Folgen jenem Anspruch gerecht werden, | |
mit dem die Sonntagabendkrimireihe so gerne etikettiert wird: | |
gesellschaftliche Realitäten spiegeln. Vielleicht sogar für Themen, | |
Menschen, Ungerechtigkeiten sensibilisieren, die anderweitig in Dokus | |
abgefrühstückt werden, die kaum jemand guckt. [1][Meist wird dieser | |
Anspruch nur noch als Ritual erfüllt, ohne Substanz]. | |
Mit der neuen Kölner Folge „Wie alle anderen auch“ gelingt diese Seltenheit | |
derart zart, direkt, realitätsbrutal, dass es einen umhaut: Es ist die | |
Geschichte über Ella Jung, Monika Keller, Katja Fischer, Gertrud Tauenziehn | |
und Regine Weigand. Frauen, die in Köln auf der Straße leben, in ihrem | |
Auto, oder Angst haben, morgen, übermorgen, nächsten Monat ihr Dach über | |
dem Kopf zu verlieren. Die vor der Gewalt ihres Mannes geflohen sind, schon | |
länger keinen Job mehr haben oder gerade noch so. Die ein bisschen Geld | |
verdienen, indem sie Obdachlosenzeitungen verkaufen oder bei einem | |
Hilfeverein die Buchhaltung machen. | |
Autor Jürgen Werner (dessen [2][Dortmunder Tatort „Monster“] schon | |
sagenhaft war) und Regisseurin Nina Wolfrum („[3][Niemals ohne mich“ von | |
genau vor einem Jahr] taugt als Beschlussgrundlage, nur noch ihre | |
Köln-Folgen anzuschauen) erzählen, was passiert, als eine der Frauen eines | |
Morgens verbrannt in ihrem Schlafsack draußen an einer dieser | |
Beton-Parkplatz-Strecken liegt. Und was sie erzählen, sucht seinesgleichen. | |
Nicht nur, dass die Frauen allesamt Nachnamen bekommen sondern auch so viel | |
Raum, dass sie und ihre Leben vielschichtig, stark, unübersehbar mitten in | |
diesem Film stehen. Ballauf (Klaus J. Behrendt), Schenk (Dietmar Bär) und | |
Jütte (Roland Riebeling) ermitteln sich tastend vorwärts, hängen zwischen | |
Fassungslosigkeit und Empathie, je weiter sich die Lebenshärten auffächern. | |
Sie spiegeln unseren Blick, die wir bequem auf eigenen Sofas sitzen. | |
Dass nun, ein Jahr in die Pandemie, überall Existenzen ins Prekäre rutschen | |
und damit die Fragen drängender werden, was ist, wenn wir die Miete nicht | |
mehr zahlen können, den Strom, das Mobiltelefon, das Brot und die Butter, | |
ist der stille Soundtrack dieses Films. Daher umso eindringlicher. Wir | |
müssen alle besser hinschauen, so wie es uns die Kamera (Katharina | |
Diessner) in den letzten anderthalb Minuten des Films vormacht. | |
21 Mar 2021 | |
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## AUTOREN | |
Anne Haeming | |
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