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# taz.de -- Keramik-Traditionen in Korea: Die Eleganz des Kranichs
> Jadefarben sind bedeutend, und es ist verflixt schwer, in den feuchten
> Ton zu schneiden: Erfahrungen eines Keramik-Sommerkurses in Seoul.
Bild: Traditionelle Keramik trifft Moderne – ein seltener Anblick
Seoul taz | Schnell fliegen die Finger der Professorin mit einem kleinen
Messer über die flach gepresste Tonerde. Mit wenigen Strichen ritzt sie
einen Kranich in die weiche Oberfläche und blickt die Studierenden fordernd
an. Die Aufgabe der heutigen Keramik-Stunde ist klar – es geht um
Verzierungen. In wenigen Schritten erklärt sie den Vorgang und die
Techniken für die Keramikuntersetzer, die aus gleichmäßigen Platten
geschnitten werden sollen.
Seit zwei Wochen durchlaufen die Studierenden ihres Sommer-Kurses an der
Ewha-Universität in Seoul die wichtigsten Epochen der koreanischen
Keramikkunst. Nun ist man in der Goryeo-Ära der Jahre 918 bis 1392
angekommen, in der Muster und Dekorationen unter der Glasur der
Keramikobjekte populär wurden.
An der Ewha Womans University in Seoul in Südkorea wird seit 1959 Keramik
unterrichtet. Das Fach hat einen eigenen Lehrstuhl, ein Research Institute
und Ateliers, in denen die Studierenden arbeiten und Externe im Sommer an
den Kursen teilnehmen können.
Während des Sommerprogramms lernt man in vier Wochen, was die Keramikwaren
aus Korea so besonders macht. Dazu gehört vor allem das Seladon, eine
grünlich-durchsichtige Glasur, die an Jade erinnern soll und typisch für
Keramik aus Korea ist. Obwohl Seladon ursprünglich aus China kommt, nahmen
sich koreanische Keramikkünstler der Verfeinerung der Technik und
Herstellung im 12. und 13. Jahrhundert an, sodass Keramiken aus ihrem Land
noch heute mit der edlen Glasur verbunden werden.
In Seoul selbst: von Keramik keine Spur
In der autarken Welt der Töpferkunst am Universitätsinstitut inmitten der
südkoreanischen Hauptstadt gehört die Produktion der Seladonglasur zu einem
der Dauerprojekte. Daneben wird der Ton vor Ort verarbeitet und gebrannt.
Da der Unterricht unter der Woche regelmäßig stattfindet, werden die
Keramik und der Umgang damit für die Teilnehmer alltäglich.
Doch so viel Keramik wie in den Universitätsräumen sieht man auf den
Straßen in Seoul selten. In Cafés gibt es meistens Pappbecher to go, auch
wenn man es sich vor Ort bequem machen möchte. In wirklichen Keramiktassen
wird der Tee nur in traditionellen Teehäusern gereicht, wie in der
inzwischen touristischen Nachbarschaft von Insa-Dong. Hier wird noch Wert
auf Traditionen gelegt und westliche Ketten, soweit sie hier überhaupt
existieren, müssen sich danach richten. Selbst das von Koreanern geliebte
Starbucks muss die grünen Lettern seines Markennamens in dem Viertel per
Gesetz in der koreanischen Schrift Hangul schreiben.
Besonders die jüngere Generation der Koreaner identifiziert sich eher mit
Trends aus dem Westen, der neuesten Technik oder einer Adaption wie dem
K-Pop, als mit den historischen Gütern des Landes. Die Traditionen von
Korea leben in Seoul deshalb oft als Tourismusphänomen wieder auf, etwa am
Gyeongbokgung-Palast. Besucher, die im koreanischen Hanbok gekleidet sind,
müssen hier keinen Eintritt zahlen. Die zahlreichen Läden an den Mauern des
Palastes, die die traditionellen Trachten verleihen, rufen aber ein
Kopfschütteln bei der älteren Generation hervor, der die meisten Kleider
nicht als authentisch gelten.
Um unverfälschte koreanische Handwerkstraditionen zu sehen, lohnt es sich,
in die geschützten Räume eines Museums wie in das Leeum Samsung Museum of
Art zu gehen. Hier nimmt die Sammlung aus knapp 120 Objekten koreanischer
Kunst überwiegend aus der Goryeo- und Joseon-Dynastie ein ganzes Gebäude in
Anspruch. Auf vier Etagen bekommt man als Besucher einen Einblick in die
Keramikkunst, Malerei und Kalligrafie, Metallarbeiten und in die
buddhistische Kunst des Landes. Das gesamte obere Stockwerk widmet sich
sogar nur Seladon-Objekten – ein Zeugnis dafür, wie wichtig die schimmernde
Glasur für die koreanische Keramikkunst ist.
Beliebte Traditionen
Die ausgewählten Vasen, Dosen und Gefäße in der grünlichen Farbe kommen
durch die verdunkelten Räume und einzelnen Präsentationen besonders gut zur
Wirkung. Die im Keramikkurs behandelten Dekorationen von Kranichen, ein
Zeichen für Glück, ein langes Leben, Treue und Reichtum, entdeckt man immer
wieder.
Selten steht zeitgenössische Kunst wie die zwei einfarbigen Ölgemälde der
Serie „Goryeo Green Glace“ aus den 90er Jahren von Byron Kim im Dialog mit
den alten Schätzen. Die Gegenüberstellung von moderner und traditioneller
Kunst wirkt mutig, weil das Museum die beiden Welten sonst durch zwei
verschiedene Gebäude trennt.
Im Keramikkurs finden die alten Bräuche und das heutige Leben zueinander –
die darin gefertigten Objekte, wie die vielen kleinen Becher aus der ersten
Stunde oder der Kerzenhalter aus der zweiten Woche, sind vor allem für den
Alltag gedacht. Das liegt auch im Interesse der Studierenden, denn die
Keramiken waren schon vor dem Kurs fest als persönliches Mitbringsel
eingeplant. Die Teilnehmer kommen aus den USA, Japan, Singapur oder
Deutschland. Das ist ganz im Sinn der koreanischen Professorin, die den
internationalen Austausch begrüßt und selbst am Royal College of Art in
London studierte. Wie beliebt die Töpfertradition aus Südostasien im
Ausland ist, erkennt man besonders an dem Sommerkurs. Er war am ersten Tag
so überfüllt, dass er aufgeteilt werden musste.
Dieses Interesse könnte der handwerklichen Tradition aus Korea frischen
Aufwind geben. Nachdem die Professorin die Technik vorgeführt hat, sitzt
man in der Hoffnung, den Ansprüchen wenigstens im Ansatz gerecht zu werden,
an seinem quadratischen Werktisch und atmet tief ein. Mit dem auffordernden
Blick der Lehrerin im Hinterkopf greift man nach dem kleinen Messerwerkzeug
und beginnt mit ruhigen Händen die eleganten Schwünge eines Kranichs in den
feuchten Ton zu schneiden.
13 Aug 2018
## AUTOREN
Lorina Speder
## TAGS
Korea
Seoul
Südkorea
Reisen
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