| # taz.de -- Kanzlerkandidatur der SPD: Spitzenjob, gar nicht so spitze | |
| > Sigmar Gabriel will 2017 als Kanzlerkandidat gegen Merkel antreten. | |
| > Offiziell loben Spitzengenossen sein Signal. Aber intern gibt es Zweifel. | |
| Bild: Ein Chef muss tun, was ein Chef tun muss. Dass das nicht immer Spaß mach… | |
| Berlin taz | Zuletzt hat die SPD in Sachen Kanzlerkandidatur mit einer | |
| lustigen Sommerlochdebatte auf sich aufmerksam gemacht. Schleswig-Holsteins | |
| Ministerpräsident saß im Juli mit einem Fernsehreporter auf einer | |
| Caféterrasse, man plauderte nett, dann brach es aus Torsten Albig heraus. | |
| Angela Merkel mache das „ganz ausgezeichnet“, sagte Albig. Dann stellte er | |
| die Frage in den Raum, ob sich die SPD angesichts von Merkels Stärke einen | |
| eigenen Kanzlerkandidaten 2017 sparen sollte. | |
| Sigmar Gabriel, SPD-Chef und sehr von sich überzeugt, hielt das Kieler | |
| Gedankenspiel für ziemlich bescheuert. Nicht nur, dass Journalisten danach | |
| wochenlang über geeignete SPD-Spitzenkandidaten spekulierten. Auch die | |
| Idee, die stolze SPD könne von vornherein jeden Machtanspruch aufgeben, ist | |
| Gabriel fremd. Jetzt hat der Chef einen deutlichen Wink gegeben. In einem | |
| Stern-Porträt sagt er einen Satz, der alle Spekulationen erledigt. | |
| „Natürlich will ich Bundeskanzler werden, wenn die SPD mich aufstellen | |
| will.“ Das „wenn“ muss man erklären, aber dazu später. | |
| Gabriels Ansage wurde am Donnerstag von führenden Sozialdemokraten gelobt. | |
| „Ich freue mich über dieses klare Signal des Vorsitzenden“, sagte Johannes | |
| Kahrs, Chefhaushälter der SPD-Fraktion. „Sigmar Gabriel steht für Elan, | |
| Schwung und Bewegung. Er ist einer, der mit der SPD etwas reißen will.“ | |
| Auch SPD-Bundesvize Ralf Stegner begrüßte die Ankündigung. „Das ist eine | |
| gute Nachricht“, so Stegner. „Die CSU befindet sich in heller Aufregung, | |
| die CDU auch. Sigmar Gabriel sendet ein Signal, das Orientierung gibt und | |
| Selbstbewusstsein ausstrahlt.“ | |
| Nun zum „wenn“ in Gabriels Satz. Zum Sommertheater der SPD gehörte auch der | |
| – an sich interessante – Vorschlag der Juso-Vorsitzenden, die | |
| SPD-Mitglieder über den oder die KanzlerkandidatIn abstimmen zu lassen. | |
| Gabriel, für jede modern klingende Idee zu haben, setzte sich flugs an die | |
| Spitze der Bewegung. Ein Mitgliederentscheid brächte sicher eine große | |
| Mobilisierung, lobte er damals. Allerdings brauche es dafür „mehr als nur | |
| einen Kandidaten“. Gabriel nimmt bei seiner Ankündigung also Rücksicht auf | |
| ein mögliches Votum der Basis. | |
| Und er wies auf die schlichte Tatsache hin, dass sich die Spitzengenossen | |
| nicht gerade um die zweifelhafte Ehre drängeln, Merkel herauszufordern. | |
| Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hat ihrer Basis | |
| öffentlich geschworen, „nie, nie“ nach Berlin zu wechseln. Außenminister | |
| Frank-Walter Steinmeier zeichnet mit 23 Prozent für das schlechteste | |
| SPD-Ergebnis im Bund verantwortlich – und dürfte wenig Lust haben, sich das | |
| noch einmal anzutun. Und weder Andrea Nahles noch Manuela Schwesig verfügen | |
| über die Statur und den parteiinternen Rückhalt, um Gabriel ernsthaft | |
| herauszufordern. | |
| ## „Gabriel wird keine Konkurrenz bekommen“ | |
| Der Mitgliederentscheid wird also vermutlich ausfallen, mangels Interesse. | |
| „Gabriel wird keine Konkurrenz bekommen“, sagt ein Spitzenmann. Der Job ist | |
| ja auch eher unattraktiv: Ein Sieg gegen die Union ist unwahrscheinlich, | |
| die SPD liegt in Umfragen wie festgefroren bei 25 Prozent. Manche Sozis | |
| hoffen darauf, dass der unionsinterne Streit bei dem Flüchtlingsthema das | |
| Ende der Ära Merkel einläuten könnte. In dem Fall bekäme es Gabriel 2017 | |
| mit einer am Boden zerstörten CDU und einer schwachen Chefin zu tun, etwa | |
| mit Ursula von der Leyen. Die Theorie spiegelt eher Wunschdenken und nicht | |
| die Realität. | |
| Die Schwächen des künftigen Kanzlerkandidaten sind den SPDlern sehr | |
| bewusst. Gabriel liegt in Beliebtheitsumfragen weit abgeschlagen hinter | |
| Merkel. Im linken Parteiflügel regt viele auf, dass er die Partei in die | |
| Mitte rückt, etwa indem er auf Steuererhöhungen für Reiche verzichten will. | |
| Dann die Sprunghaftigkeit, die Zuspitzungen und die Neigung, jede Woche | |
| eine neue Sau durchs Dorf zu treiben. Außerdem schießt Gabriel gern übers | |
| Ziel hinaus, wie etwa, als er den SPD-Justizminister wegen seiner liberalen | |
| Haltung zur Vorratsdatenspeicherung öffentlich rundmachte. Diplomatisch | |
| Begabtere hätten die Sache intern geklärt. | |
| Aber so ist das eben mit manchen Spitzenjobs. Der Chef muss sie machen, | |
| auch wenn viele seiner Leute nicht glücklich darüber sind. | |
| 29 Oct 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Ulrich Schulte | |
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