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# taz.de -- Irisches EU-Referendum: Ohne Pakt droht die Pleite
> Zum ersten Mal in der Geschichte des Landes könnten die Iren im ersten
> Wahlgang einem „EU-Referendum“ zustimmen. Die Stimmung geht in diese
> Richtung.
Bild: Gegner des Referendums schüren Angst.
DUBLIN taz | Die Iren entscheiden am Donnerstag, ob sie dem Europäischen
Fiskalpakt beitreten wollen. Seit der Volksabstimmung im Jahr 1972 zu
Irlands Beitritt zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, wie die EU
damals hieß, ist kein Referendum so hart umkämpft worden wie dieses.
Die Regierungskoalition aus der konservativen Fine Gael und der Labour
Party schürt die Angst bei den Wählern: Sagen sie Nein, so argumentiert
Premierminister Enda Kenny, würde Irland der Zugang zu weiteren
Hilfsgeldern aus dem Eurorettungsfonds ESM verwehrt.
Der deutsche Botschafter in Dublin, Eckhard Lübkemeier, pflichtete ihm bei:
„Es ist ein Quidproquo, denn die Investoren müssen Sicherheiten haben, dass
ihre Schuldner das Geld zurückzahlen können.“ Ende 2010 musste Irland
Finanzhilfen von der EU und dem Internationalen Währungsfonds beantragen.
Insgesamt 67,5 Milliarden Euro wurden bewilligt, doch das Geld reicht
vermutlich nicht.
Die Wirtschaft stagniert, die Wachstumsprognosen für dieses Jahr bewegen
sich zwischen 0,1 und 0,5 Prozent. Die Kredite sind an strenge Auflagen
gebunden, zulasten der mittleren und niedrigen Einkommensschichten. Nach
sieben drastischen Sparhaushalten liegen die Gehaltskürzungen im
öffentlichen Dienst bei rund 20 Prozent, die Arbeitslosigkeit beträgt 15
Prozent, die Jugendarbeitslosigkeit ist doppelt so hoch. Die Mehrwertsteuer
wurde erhöht, neue Steuern sollen eingeführt werden.
## Umfragen erwarten 60 Prozent pro Fiskalpakt
Auf den Inseln vor der Grünen Insel wurde bereits am Montag abgestimmt. Auf
Inishfree vor der Nordwestküste lebt seit 20 Jahren nur ein einziger
Wähler. Barry Edgar Pilcher funktionierte sein Wohnzimmer in ein Wahllokal
um, gab seine Stimme ab und spielte dem Wahlbeamten danach ein Ständchen
auf dem Saxofon vor.
Laut Umfragen haben 60 Prozent der Inselbewohner für den Fiskalpakt
gestimmt, und das erwarten die Umfrageinstitute auch für das gesamte Land.
Allerdings hatte sich bis zum Schluss fast ein Fünftel noch nicht
entschieden. So wird es für die Regierung wieder zu einer Zitterpartie,
denn auch bei den Volksentscheiden zu den EU-Verträgen von Nizza und
Lissabon sah es zunächst nach einem Ja aus, das dann aber erst im zweiten
Anlauf zustande kam.
## Der Pakt schreibt strikte Disziplin vor
Diesmal haben die Iren allerdings kein Veto. Der Pakt, der eine strikte
Haushaltsdisziplin vorschreibt und bei Verstößen Geldstrafen vorsieht, soll
am 1. Januar 2013 in Kraft treten, wenn ihn mindestens 12 der 17 Euroländer
bis dahin ratifiziert haben. Tschechien und Großbritannien haben sich als
einzige EU-Länder nicht daran beteiligt. Ein irisches Nein hätte
symbolische Bedeutung, denn die Iren sind die Einzigen, die über den Pakt
abstimmen dürfen.
Bei einem Referendum spielen oft andere Faktoren als der eigentliche
Gegenstand des Volksentscheids eine Rolle. Die Bevölkerung ist
desillusioniert, viele Menschen können ihre Hypothek nicht mehr zahlen,
kleinere Unternehmen sind pleitegegangen, und eine Besserung ist vorerst
nicht zu erwarten. Zwar tritt auch die größte Oppositionspartei Fianna Fáil
für den Pakt ein, doch sie ist bei den Wahlen im vorigen Jahr mit der
größten Niederlage ihrer Geschichte bestraft worden, weil die Wähler sie
für die irische Misere verantwortlich gemacht haben.
## Die Linken warnen und sagen Nein zum Pakt
Die Gegner des Fiskalpakts warnen, dass nach seiner Ratifizierung die
neoliberale Politik in der irischen Verfassung verankert und die Austerität
institutionalisiert wäre. Neben dem linken Bündnis United Left Alliance
treten auch mehrere parteilose Abgeordnete sowie Sinn Féin, der frühere
politische Flügel der inzwischen aufgelösten Irisch-Republikanischen Armee
(IRA), für ein Nein zum Fiskalpakt ein. Das irische Fernsehen berichtete am
Wochenende vom Sinn-Féin-Parteitag.
Unter anderem wurden vier Minuten aus der Rede des Parteipräsidenten Gerry
Adams gegen den Fiskalpakt übertragen. Weil aufgrund eines
höchstrichterlichen Urteils die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten
bei einem Referendum beiden Seiten dieselbe Präsenz in Radio und Fernsehen
zugestehen müssen, durfte der Premierminister Enda Kenny bei seiner letzten
Ansprache an das Wahlvolk vor dem Referendum nur vier Minuten reden. Die
nutzte er, um noch einmal den Untergang Irlands bei einem Nein an die Wand
zu malen.
31 May 2012
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
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