# taz.de -- Irans neuer Präsident Rohani: Bärtiger Hoffnungsträger mit Herz | |
> Er will sein Land aus der außenpolitischen Isolation führen und den | |
> verarmten Bürgern helfen. Aber der reformbereite Präsident Hassan Rohani | |
> hat viele mächtige Gegner. | |
Bild: Hassan Rohani während des Wahlkampfes. | |
BERLIN taz | Noch vor zwei Wochen hätte sich kaum ein Iraner vorstellen | |
können, dass der bärtige, Turban und Umhang tragende Geistliche Hassan | |
Rohani zum Hoffnungsträger von Millionen Menschen würde. Er gehörte zwar | |
als einer der Weggefährten Ajatollah Chomeinis, des 1989 verstorbenen | |
Begründers der Islamischen Republik, zum islamischen Establishment, aber er | |
wirkte eher im Hintergrund. | |
Als er sich um das Amt des Präsienten bewarb, wurden ihm kaum Chancen auf | |
den Sieg eingeräumt. Die Konservativen waren mehrheitlich gegen ihn, die | |
Reformer neigten zum Wahlboykott. Erst in den drei Fernsehdebatten der | |
Kandidaten, die eine Woche vor der Wahl ausgestrahlt wurden, konnte sich | |
Rohani als Reformer profilieren. | |
Er warf der Regierung des scheidenden Präsidenten Ahmadinedschad vor, die | |
Wirtschaft ruiniert und mit seiner Außenpolitik das Land isoliert zu haben. | |
Atomverhandlungen dürften nicht so geführt werden, dass das Land in eine | |
politische und wirtschaftliche Krise gerate. | |
Ahmadinedschad beherrsche die Kunst der diplomatischen Verhandlungen nicht, | |
sondern verfolge eine Hetzrhetorik, die das Land an den Rand eines Krieges | |
gebracht habe. „Jedes Mal ’Tod den USA‘ zu rufen, ist einfach, die Politik | |
der USA sachlich zu neutralisieren, ist aber wahre Kunst“, gab Rohani zu | |
bedenken. Und weiter: „Man muss auch mal zuhören können und auch | |
akzeptieren, wenn die Gegenseite etwas Richtiges sagt.“ | |
## Folgen innen- und wirtschaftspolitischer Fehler | |
Zur wirtschaftlichen Lage bemerkte Rohani, obwohl das Land mit Öl und Gas | |
und anderen Reichtümern gesegnet sei, müssten viele Menschen wegen innen- | |
und wirtschaftspolitischer Fehler in Armut leben. „Warum sollten in einem | |
Land mit so viel wirtschaftlichem Potenzial 3,5 Millionen Menschen, | |
darunter 750.000 Akademiker, arbeitslos sein? Es schmerzt einen das Herz, | |
dass hoch qualifizierte Personen aus politischen Gründen im Gefängnis | |
sitzen müssen, statt dem Land in geeigneten Positionen weiterzuhelfen“, | |
sagte Rohani. | |
Trotz dieser Positionen wäre es verfehlt, zu viele Erwartungen in Rohani zu | |
setzen. Der heute 64-Jährige ist ein Mann des Systems. Nach der Revolution | |
von 1978/79 machte er rasch Karriere, zunächst im militärischen Apparat, wo | |
er es während des iranisch-irakischen Kriegs (1980–1988) bis zum | |
Stellvertreter des Oberkommandierenden der Streitkräfte brachte. Dann | |
wechselte er in den Bereich der Sicherheit, wo er eher hinter den Kulissen | |
wirkte. So wurde erst nachträglich bekannt, dass Rohani während des Kriegs | |
geheime Verhandlungen mit der US-Regierung führte. | |
Zuletzt übernahm er politische Aufgaben. Zwei Legislaturperioden lang war | |
er Mitglied des Parlaments, dann über lange Jahre Sekretär des Obersten | |
Nationalen Sicherheitsrats und etwas länger als zwei Jahren | |
Chefunterhändler im Atomkonflikt. Zurzeit ist er sowohl Mitglied des | |
Expertenrats als auch des Schlichtungsrats ebenso wie Beauftragter des | |
Revolutionsführers im Nationalen Sicherheitsrat. | |
## Sieg über den Extremismus | |
Nach seiner Wahl erklärte Rohani, er wolle eine Regierung der Versöhnung | |
zwischen allen Fraktionen bilden. Sein Sieg sei ein Sieg der Mäßigung über | |
den Extremismus. Damit gäbe es auch eine neue Chance für den | |
internationalen Beziehungen und für die, welche Demokratie, Zusammenarbeit | |
und freie Verhandlungen wirklich respektieren. | |
Gegen diesen angekündigten Kurswechsel wird es sicherlich starken | |
Widerstand geben, auf Seiten des Revolutionsführers, des mit absoluter | |
Mehrheit der Konservativen besetzten Parlaments, der mächtigen | |
Revolutionsgarden und des radikalkonservativen Wächterrats. Rohani hat | |
einen schweren Weg vor sich. | |
16 Jun 2013 | |
## AUTOREN | |
Bahman Nirumand | |
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