# taz.de -- Imre Kertész in Ungarn: Hasstiraden von rechts außen | |
> In seiner Heimat war Autor Kertész umstritten. Immer wieder kritisierte | |
> er die ungarische Politik – und deren einseitigen Umgang mit dem | |
> Holocaust. | |
Bild: Imre Kertész plaudert mit Prinzessin Benedikte von Dänemark | |
Berlin taz | Seit seiner Auszeichnung mit dem Literatur-Nobelpreis im Jahr | |
2002 scheiden sich in Ungarn über Imre Kertész die Geister: Bis heute fällt | |
es vor allem rechten Politikern und breiten Teilen der Bevölkerung schwer, | |
sich mit seinen Werken auseinanderzusetzen. „Sein Thema hat das | |
literarisches Werk immer verdeckt, und es wird noch lange Zeit brauchen, | |
bis das nicht mehr so ist“, schrieb der ungarische Schriftsteller Péter | |
Nádas, seit 2006 Mitglied der Berliner Akademie der Künste, über Imre | |
Kertész. | |
[1][Anlässlich seines Todes] kondolierten auch der Budapester Bürgermeister | |
und Vertreter der ungarischen Regierung sowie einiger oppositioneller | |
Parteien. Sie lobten das Lebenswerk des mittlerweile auch in Ungarn | |
mehrfach ausgezeichneten Schriftstellers. | |
Doch der Holocaust gehört in Ungarn bis heute zu den unaufgearbeiteten | |
Bereichen der Vergangenheit. Noch immer besteht kein Konsens über eine | |
eigene Schuld. So ließ die ungarische Regierung 2014 ein Mahnmal errichten, | |
das der NS-Besatzungszeit gedenkt, das allerdings Ungarn als reines Opfer | |
darstellt und die enge Zusammenarbeit der ungarischen Machthaber mit den | |
Nazis ausblendet. 600.000 ungarische Juden sind damals deportiert worden. | |
Vor der Verleihung des Nobelpreises war Imre Kertész in Ungarn nicht | |
Bestandteil des literarischen Kanons. Umso größer waren der Aufruhr und die | |
Scham, als Kertész die höchste literarische Auszeichnung erhielt: Die | |
Reaktionen reichten von „Ist er überhaupt ein ungarischer Autor?“ bis zu | |
peinlicher Berührtheit über die Unkenntnis seiner Werke. „Als er den | |
Nobelpreis erhielt, waren wir fast die einzige Buchhandlung in Budapest, | |
die seine Werke parat hatte“, sagt Éva Rédei, Leiterin der Láng Téka | |
Buchhandlung im jüdischen Viertel Budapests. | |
## Brachte Rechtspopulisten gegen sich auf | |
Den Grund für die gespaltene Rezeption von Imre Kertész lieferten neben der | |
Scheu vor dem Thema Holocaust auch einige Interviews mit Kertész, in denen | |
er den Antisemitismus und die ungarische Politik scharf kritisierte. So | |
nannte er sich selbst einen Holocaustclown, stritt ironisch ab, dass er | |
überhaupt Ungar sei, sprach von der Balkanisierung Budapests, vom | |
wachsenden Rechtsradikalismus und verglich Premier Viktor Orbán mit dem | |
Rattenfänger von Hameln. | |
Es folgten Hasstiraden von Rechtsradikalen. Erst 2014 erhielt der | |
Schriftsteller die höchste Auszeichnung, die der Staat des Rechtspopulisten | |
Viktor Orbán zu verleihen hat: den Sankt-Stephans-Orden. Dass Imre Kertész | |
diese Ehrung angenommen hat, wurde vielerorts mit Befremden aufgenommen. | |
1 Apr 2016 | |
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## AUTOREN | |
Anna Frenyo | |
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