# taz.de -- Import von verflüssigtem Erdgas: Regierung plant LNG-Überkapazit�… | |
> Puffer über Puffer: Das Wirtschaftsministerium hat dem Haushaltsausschuss | |
> des Bundestags seine Gesamtplanung für LNG-Terminals vorgelegt. | |
Bild: LNG Terminal Deutsche Ostsee in Lubmin | |
BERLIN taz | Für die Gasversorgung baut die Bundesregierung eine neue | |
Infrastruktur mit großen Reserven auf. Seine schon länger erwartete | |
Gesamtplanung über die Terminals und Häfen für den Import von | |
[1][Flüssiggas] (LNG) legte das Bundeswirtschaftsministerium am Freitag | |
vor. Eigentlich wäre die Frist dafür schon Mitte Februar gewesen. | |
Weil die Erdgaslieferungen aus Russland wegen des Angriffs auf die Ukraine | |
ausblieben, werden seit vergangenem Jahr neue schwimmende Terminals für die | |
Einfuhr von Flüssiggas (LNG) eingerichtet und mehrere feste Häfen an den | |
Küsten von Nord- und Ostsee geplant. | |
Laut dem Bericht des Wirtschaftsministeriums an den Haushaltsausschuss des | |
Bundestages geht es um sechs schwimmende und drei stationäre Terminals. | |
Sechs will der Bund betreiben, drei sind privat. [2][In Wilhelmshaven] | |
arbeitet das erste Anlandungsschiff bereits. [3][Gegen eine Anlage vor | |
Rügen] protestieren Anwohner:innen. | |
Für 2024 beziffert das Wirtschaftsministerium den Gasbedarf Deutschlands | |
auf rund 94 Milliarden Kubikmeter. Dem stünden Importe unter anderem aus | |
Norwegen, Belgien, den Niederlanden und eine eigene Förderung in | |
Deutschland von rund 67 Milliarden Kubikmetern gegenüber. | |
## Puffer für den absoluten Worst Case | |
Damit bleibe eine Lücke von mindestens 27 Milliarden Kubikmetern, die | |
mittels der Flüssiggashäfen gedeckt werden müsse. Allerdings sollen die | |
neuen Terminals im kommenden Jahr eine Kapazität von 37 Milliarden | |
Kubikmetern aufweisen. Deutschland kann damit mehr Gas importieren, als es | |
braucht. | |
In den Jahren bis 2030 könnte diese rechnerische Überversorgung außerdem | |
stark zunehmen. Zusätzlich wächst sie dadurch, dass hierzulande große | |
Gasmengen angelandet werden sollen, die möglicherweise – aber nicht sicher | |
– andere Länder wie Tschechien, die Slowakei, Österreich, die Ukraine und | |
Moldova benötigen. So könnte die Überkapazität der hiesigen LNG-Häfen 2024 | |
bis zu 37 Milliarden Kubikmeter betragen. | |
Braucht man dann überhaupt so viele Häfen? „Ja“, heißt es im | |
Wirtschaftsministerium des Grünen Robert Habeck. Die Regierung will | |
beispielsweise Vorsorge treffen gegen Sabotage – für den Fall, dass etwa | |
die Pipelines aus Norwegen zerstört werden wie die Ostsee-Röhre Nord Stream | |
2 im September 2022. Die großzügige LNG-Infrastruktur könnte das | |
ausbleibende Norwegen-Gas dann ausgleichen. | |
An vielen Stellen ist im Bericht des Wirtschaftsministeriums zudem von | |
notwendigen „Sicherheitspuffern“ die Rede – für sehr niedrige Temperatur… | |
große Nachfrage, Wartungsarbeiten an den Terminals und andere | |
Eventualitäten. Auch auf Betreiben des Bundeskanzleramtes will man | |
hundertprozentig auf Nummer sicher gehen. | |
## Kosten von knapp 10 Milliarden Euro | |
Andererseits wird betont, dass die Pläne der Energiewende nicht | |
entgegenstünden. Man peile an, dass Deutschland 2045 klimaneutral sei und | |
kaum noch Erdgas verbrauche. Sollten nicht alle Häfen gebraucht werden, | |
könne man die schwimmenden Stationen auch früher abschalten. Und feste | |
Anlandepunkte würden so gebaut, dass sie später auch für den Import grünen | |
Wasserstoffs geeignet seien. Somit bestehe keine Gefahr, dass fossile | |
Infrastruktur die Energiewende verlangsame. | |
Genau das befürchtet aber Sascha Müller-Kraenner von der Deutschen | |
Umwelthilfe (DUH). „Es ist offensichtlich, dass hier die Gasindustrie und | |
das von ihr lobbyierte Bundeskanzleramt die Feder geführt haben“, sagte | |
Müller-Kraenner. Er forderte den Haushaltsausschuss des Bundestags auf, | |
„keine weiteren Gelder für unnötige LNG-Projekte freizugeben“. Das | |
Wirtschaftsministerium rechnet bis 2038 mit Kosten von knapp 10 Milliarden | |
Euro. | |
Wie Müller-Kraenner sieht das auch Victor Perli, der für die Linksfraktion | |
im Haushaltsausschuss sitzt. „Auch die aktuelle LNG-Planung bleibt vor | |
lauter Puffern überdimensioniert“, sagte er. Die Begründung der | |
zusätzlichen Kapazitäten für Nachbarländer überzeugt ihn nicht. „Hier ge… | |
es vor allem um ein Geschäftsmodell für die deutsche Gasindustrie in | |
Konkurrenz zu dem bereits bestehenden großen Terminal-Angebot in Europa.“ | |
Auch aus der eigenen Partei bekommt Habeck Gegenwind. „Klimaschutz und | |
Versorgungssicherheit müssen zusammengehen“, erklärte Lisa Badum, | |
Energiepolitikerin der Grünen im Bundestag. „Wir dürfen keine Fehlanreize | |
gegen den Ausbau Erneuerbarer Energien durch überdimensionierte fossile | |
Infrastruktur geben.“ | |
Sie wendet sich auch dagegen, ein neues Gasfeld vor der Küste des | |
afrikanischen Landes Senegal zu erschließen und den Rohstoff von dort nach | |
Deutschland zu transportieren. Das Deutsche Institut für | |
Wirtschaftsforschung hatte den Bau fester LNG-Häfen an Nord- und Ostsee | |
kürzlich für unnötig erklärt. | |
3 Mar 2023 | |
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## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
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