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# taz.de -- Immigrationsgesetz in Frankreich: Verschärfung wird zur Manie
> Der Senat in Frankreich debattiert über ein Immigrationsgesetz, das
> Abschiebungen von Terrorverdächtigen erleichtern soll – ein politischer
> Test.
Bild: „Darmanin tat, wovon Le Pen geträumt hat“: Demonstranten vor dem Sen…
Paris taz | Nur zu wenigen Themen revidiert der französische Staat seine
Gesetzgebung so oft wie in den Bereichen Asyl und Immigration. Mit der
Vorlage, die Innenminister Gérald Darmanin dem Senat am Montag und später
am 11. Dezember den Abgeordneten der Nationalversammlung unterbreitet, ist
die 30. Revision seit 1980 geplant. Sie widerspiegelt vor allem, wie stark
der politische, und namentlich fremdenfeindliche, Druck auf die jeweiligen
Regierungen ist.
Für Darmanin war der Anlass unter anderem [1][das kürzliche Attentat in
Arras], wo ein Lehrer von einem Islamisten aus dem Kaukasus erstochen
wurde. Da dieser mit seiner Familie vor seinem 13. Altersjahr eingereist
war und in Frankreich aufgewachsen ist, sei es den Behörden nicht möglich
gewesen, diesen jungen Mann, der wegen seiner Sympathien für den
Dschihadismus registriert und überwacht war, nach Russland abzuschieben.
Der Innenminister bedauert es im Fernsehen, dass er aufgrund der bisherigen
gesetzlichen Regeln rund 4.000 unliebsame Personen nicht aus Frankreich
„entfernen“ könne.
Seine Vorlage soll es nun erleichtern, ausländische Personen abzuschieben,
wenn sie sich strafbar gemacht haben oder lediglich die „Prinzipien der
Republik“ nicht respektieren. Dabei denkt Darmanin, ohne es explizit zu
sagen, an die Regeln [2][der französischen Laizität], die beispielsweise
das Tragen eines Schleiers oder einer Burka im öffentlichen Dienst
untersagt, sowie an radikale Islamisten, die in ihrer Familie oder
Quartieren die Scharia vor die Autorität der Republik stellen möchten.
## Kostenlose medizinische Versorgung nur in Notfall
Eine zweite Verschärfung, die laut der Umfrage ebenfalls von einer Mehrheit
der Befragten gutgeheißen würde, betrifft die medizinische Versorgung der
„Sans-papiers“, der Menschen, die sich ohne Aufenthaltsgenehmigung im Land
befinden und oft schwarz arbeiten. Sie sollen zukünftig im Krankenhaus nur
noch in Notfällen kostenlos behandelt werden.
Schneller abschieben möchte die Regierung außerdem Geflüchtete, deren
Asylgesuche abgelehnt werden. Das ist die Absicht hinter der Forderung,
Anträge müssten in 4 statt bisher 12 Monaten behandelt und entschieden
werden, damit die von der zuständigen Behörde nicht als Flüchtlinge
akzeptierten Menschen nicht geltend machen, sie seien inzwischen in
Frankreich verwurzelt.
## Keine Zustimmung der Konservativen und Rechten
Trotz dieser deutlichen Verschärfung ist es Darmanin bisher nicht gelungen,
dafür eine Zustimmung der Konservativen Les Républicains (LR), und so eine
Mehrheit in beiden Parlamentskammern, zu finden. Die meisten LR-Senatoren
und -Abgeordneten sowie die Parlamentarier der extremen Rechten möchten
weiter gehen, und sie stoßen sich an einem anderen Vorschlag in der
Gesetzesvorlage. Der Artikel 3 nämlich sieht vor, dass [3][„Sans-papiers“],
die bereits in einem Wirtschaftszweig mit akutem Personalmangel arbeiten
oder sich anstellen lassen wollen, eine Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung
bekommen können.
Obschon dies offensichtlich im Interesse zahlreicher Unternehmen wäre,
widersetzen sich die Fraktionen der Rechten vehement dieser Maßnahme, die
ihnen zufolge eine Legalisierung von illegal Eingereisten und eine
Einladung zur illegalen Einwanderung statt einer scharfen Kontrolle der
Immigration darstelle. Noch hofft der politisch ehrgeizige Darmanin, zuerst
im Senat und danach in der Nationalversammlung einen „Kompromiss“ und damit
die Zustimmung zu seiner Vorlage aushandeln zu können. Er setzt in dieser
Debatte seine Aussichten als Präsidentschaftskandidat der Partei
Renaissance und Nachfolger von Präsident Macron aufs Spiel.
6 Nov 2023
## LINKS
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## AUTOREN
Rudolf Balmer
## TAGS
Schwerpunkt Frankreich
Migration
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