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# taz.de -- Homosexualität im Tierreich: Homo geht auch ohne sapiens
> Die queere Tierwelt: Flamingos, Vögel und auch Löwen haben
> gleichgeschlechtliche Sexpartner. Eine Führung durch den Tierpark
> Hellabrunn klärt auf.
Bild: Wie süüüüß: Männchen vögeln Männchen, Weibchen lieben Weibchen
München taz | Wir müssen über Sex reden! Das zumindest findet
Tierparkführer Edgar Diel. Und das tut er jetzt auch in aller
Ausführlichkeit bei einem anderthalbstündigen Spaziergang. Das Interesse an
dem, was Diel zu sagen hat, ist groß, und so stapfen 20 Zuhörer an einem
verregneten Abend hinter ihm durch den [1][Münchner Tierpark Hellabrunn].
„Homosexualität im Tierreich“ heißt das angekündigte Thema der Führung.
Passend zu Pride Week und Christopher Street Day hat man sie in dieser
Woche erstmals angeboten.
Treffpunkt: Flamingo-Eingang. Klar, wo sonst? Die Gruppe steht
erwartungsvoll vor 120 bis 140 schnatternden Flamingos. Von Homosexualität
bei Tieren zu sprechen, sei schon mal schwierig, erklärt Diel nun, da es
kaum Studien gebe, wo einzelne Individuen ihr ganzes Leben lang beobachtet
worden seien. In jedem Fall könne man aber [2][eine sehr weit verbreitete
Bisexualität] unter Tieren feststellen. Irgendjemand muss mal Buch geführt
haben, denn Diel weiß, dass es bei 1500 Tierarten anekdotische Berichte
über homosexuelles Verhalten gegeben habe, bei 500 Arten seien tatsächlich
fundiertere Beobachtungen dokumentiert.
Die Besuchergruppe ist recht homogen. Kaum ein Hetero hat sich zu der
Führung verirrt, und das ist schade. Dürfte aber auch daran liegen, dass
die Führungen zunächst vor allem über ein Veranstaltungsmagazin und
Social-Media-Kanäle in der queeren Community verbreitet wurden – und dann
ganz schnell ausgebucht waren. Einer der Besucher hat an seiner
Baseballkappe abstehende Regenbogenohren, ein anderer trägt ein T-Shirt der
Rosa Liste.
Es ist Wolfgang Scheel, der auch im Vorstand der Münchner Wählerinitiative
sitzt. Und der findet es gar nicht so schlimm, dass heute vor allem Lesben
und Schwule in den Tierpark gekommen sind. Er schätzt an den Führungen vor
allem, dass man hier anschauliche Beispiele vermittelt bekommt. Die sei
eine nützliche Argumentationshilfe, wenn mal wieder einer daherkommt und
behauptet, Homosexualität sei widernatürlich.
## Balzverhalten unter Männern
Zurück zu den Flamingos: Bei ihnen gebe es regelmäßig Balzverhalten auch
unter Männern, erzählt Diel. Dabei bleibe es aber nicht, mitunter finde man
sich auch als Paar zusammen bis hin zur gemeinsamen Familienplanung –
Eierraub und gewaltsame Adoptionen inklusive.
Überhaupt sei Homosexualität bei Vögeln besonders verbreitet. Prozentzahlen
seien zwar mit sehr großer Vorsicht zu genießen, sagt Diel, nennt aber
zumindest eine: Bei manchen Entenarten legten bis zu 20 Prozent der Tiere
homosexuelle Verhaltensweisen an den Tag. Spitzenreiter: die Stockente.
Beim weißen Schwan dagegen sei noch nie dergleichen beobachtet worden. „Und
dabei war er doch das Wappentier Ludwigs II.“
Diel hält nun bei den Waldbisons. Eigentlich ist der hochgewachsene Mann
mit dem Lockenkopf und der randlosen Brille Schauspieler, doch daneben
macht er schon lange Führungen in Hellabrunn. Männliche Bisons, erzählt er,
bestiegen sich außerhalb der Paarungszeit häufig gegenseitig – allerdings
nur innerhalb der Herde, das Verhalten diene also mutmaßlich auch der
Stärkung des sozialen Zusammenhalts.
## Homoerotische Kuriositäten
Im Dschungelhaus will der Guide auf die Flughunde und eine „homoerotische
Kuriosität“, nämlich deren Vorliebe für Oralverkehr aufmerksam machen, doch
hinter ihm machen Benny und Max lautstark auf sich aufmerksam. Pech für die
Flughunde. Benny und Max sind Brüder und ihres Zeichens ausgewachsene
Löwen. Auch zwischen ihnen komme es häufig zu homosexuellen Interaktionen.
Sex zwischen Brüdern, fragt einer der Besucher mit gespielter Empörung.
„Sie sehen, die Skandale steigern sich“, antwortet Diel.
Und dann erst die Humboldt-Pinguine. „Lassen Sie mich kurz suchen“, sagt
Diel und zeigt schließlich auf zwei schwule Paare unter den Frackträgern.
Die seien schon seit mehreren Jahren zusammen. Überhaupt gebe es ja den
Mythos der Monogamie bei Pinguinen. Aber wenn dem so sei, hätten ihm die
zuständigen Tierpfleger versichert, dann sei das hier Sodom und Gomorrha.
Oft habe es früher bei dem Thema übrigens Wissenschaftsfälschung gegeben.
Das sei so weit gegangen, dass Wissenschaftler Oralsex zwischen
Orang-Utan-Männchens beobachtet und als Nahrungssuche interpretiert hätten.
Oder von Revierkämpfen gesprochen hätten, wenn Giraffenbullen ihre Penisse
aneinander gerieben hätten.
[3][Apropos Giraffe]: Besuch in einer Hellabrunner Frauen-WG. Fünf
Netzgiraffenweibchen leben derzeit hier. Es gebe kaum eine Spezies, wo
Homosexualität so alltäglich zu sein scheint, erzählt Diel. Die Tiere
bestiegen sich und tauschten eine Art Küsse aus.
Die Tour endet wieder bei den Flamingos, der Regen hat nachgelassen. Diel
entschuldigt sich, dass der Transgender-Aspekt zu kurz gekommen sei und
weist noch schnell auf den Clownfisch hin. Der nämlich… Aber das ist eine
andere Geschichte.
12 Jul 2019
## LINKS
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## AUTOREN
Dominik Baur
## TAGS
Queer
Tierpark
Tiere
München
Papagei
Pferde
Eisbären
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