# taz.de -- Hochhäuser und Brandgefahr: Wuppertal teilweise unbewohnbar | |
> Nach der Brandkatastrophe im Grenfell Tower wird deutlich: Auch in | |
> Deutschland können Hochhäuser zur Todesfalle werden. | |
Bild: Wuppertal: Da wohnt jetzt keiner mehr | |
BOCHUM taz | Ihre Wohnungstüren sind versiegelt, die Schlösser | |
ausgetauscht: MieterInnen des wegen akuter Brandgefahr geräumten Hochhauses | |
in Wuppertal werden Wochen, wenn nicht Monate nicht nach Hause zurückkehren | |
können. Wer nicht bei Verwandten oder Freunden unterschlüpfen konnte, | |
findet sich in ursprünglich für Geflüchtete eingerichteten Wohnungen | |
wieder. Vor dem Haus, in dem die 72 BewohnerInnen teilweise seit Jahren | |
lebten, patrouilliert stattdessen ein Wachdienst, um Plünderungen zu | |
verhindern. | |
Die Wuppertaler Stadtverwaltung hatte das elfstöckige Gebäude im sozialen | |
Brennpunkt Hilgershöhe am späten Dienstagnachmittag für unbewohnbar | |
erklärt. Nach dem Brandinferno im Londoner Grenfell Tower sei eine | |
„Neubewertung der Gefahrenlage notwendig“ geworden, erklärte Baudezernent | |
Frank Meyer während der Räumungsaktion: Für die MieterInnen bestehe | |
„unmittelbare Gefahr für Leib und Leben“. | |
Grund dafür ist die Fassade des 1959/60 errichteten, knapp 30 Meter hohen | |
Gebäudes: Deren Kunststoff-Abdeckplatten sind auf eine Holzkonstruktion | |
montiert – und dahinter steckt als Dämmmaterial leicht entflammbare | |
Holzwolle. Bekannt gewesen sei das bereits seit 2010, so Désirée Ackermann, | |
Mitarbeiterin der Pressestelle der Wuppertaler Stadtverwaltung, zur taz. | |
Zur Räumung aber entschloss sich Baudezernent Meyer aber erst unter dem | |
Eindruck der Londoner Katastrophe: Ihm sei „bewusst“, wie „einschneidend�… | |
der überhastete Auszug für die MieterInnen sei, sagte Meyer – aus den | |
Wohnungen durfte zunächst nur ein Koffer mit Habseligkeiten mitgenommen | |
werden. | |
In den fünfziger und sechziger Jahren sei der Einbau von Holzwolle | |
„Standard“ gewesen, sagte Ackermann zur Erklärung. Allein in Wuppertal gebe | |
es eine ganze Reihe mit Holzwolle gedämmter Hochhäuser – allerdings müssten | |
die nicht alle geräumt werden: Auf der Hilgershöhe sorgten enge Fluchtwege, | |
die nur über einen Außenbalkon führten, für zusätzliche Gefahr: | |
Seit Jahren habe die Stadtverwaltung deshalb per Zwangsgeld versucht, die | |
schnell wechselnden Hauseigentümer zu besserem Brandschutz zu bewegen – | |
bisher vergeblich. „Vom aktuellen Besitzer haben wir nicht einmal eine | |
Telefonnummer oder eine Mailadresse – nur die Postanschrift“, klagte | |
Ackermann. Immerhin: Am Mittwochnachmittag erklärte sich der Eigentümer, | |
eine Immobiliengesellschaft aus Berlin, zu Nachbesserungen bereit. Doch das | |
kann dauern. | |
Völlig unklar bleibt, wie viele Gebäude bundesweit ähnliche potenzielle | |
Todesfallen sind wie das Hochhaus auf der Hilgershöhe. Eine Sprecherin von | |
Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) sprach zunächst von einem | |
„Einzelfall“, zog das aber später zurück. Denn eine bundesweite | |
Datensammlung zu Gebäuden mit brennbaren Fassaden gebe es derzeit gar | |
nicht. „Welche und wie viele Häuser ein ähnliches Gefährdungspotenzial“ … | |
in Wuppertal haben, solle nun in Zusammenarbeit mit den Bundesländern | |
erhoben werden. | |
Allerdings: Auch die dürften kaum verlässliche Zahlen parat haben. Für | |
Nordrhein-Westfalen blieb eine entsprechende Anfrage der taz bis zum | |
Redaktionsschluss unbeantwortet. „Zuständig für die Überwachung von | |
Hochhäusern sind die unteren Bauaufsichtsbehörden auf der kommunalen | |
Ebene“, hieß es aus Niedersachsen: Das Bauministerium in Hannover habe | |
keine Kenntnisse über den Stand des Brandschutzes bei Hochhäusern. Der | |
Sprecher des Bremer Bauressorts, Jens Tittmann, regte deshalb die Gründung | |
einer länderübergreifenden Arbeitsgruppe an. | |
Aktiv werden dagegen einzelne Kommunen: In NRW kündigten Münster, Bielefeld | |
und Recklinghausen Überprüfungen der Sicherheit des Hochhausbestands an. | |
Auch in Köln laufen Beratungen. „Eine Überprüfung sämtlicher Berliner | |
Häuserfassaden ist nicht geplant“, erklärte dagegen die Senatsverwaltung | |
für Stadtentwicklung der Bundeshauptstadt – und verwies bei „begründetem | |
Verdacht“ auf die Bezirke. | |
Der Vermieterverband „Haus und Grund“ in NRW warnte unterdessen, gefährdet | |
seien nicht nur Hochhäuser mit mehr als 23 Meter Höhe: Auch in kleineren | |
Gebäuden sei auf Druck der Politik brennbares Dämmmaterial verbaut worden, | |
so Geschäftsführer Erik Uwe Amaya. Sollten nun brandsichere Fassaden her, | |
müsste es Subventionen der öffentlichen Hand geben – sonst werde es nicht | |
nur für Hausbesitzer, sondern gerade für MieterInnen teuer. | |
28 Jun 2017 | |
## AUTOREN | |
Andreas Wyputta | |
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