# taz.de -- Happy Birthday, Bob Marley: Der unvollkommene Motivator | |
> Er stand für Liebe, Frieden und Widerstand, aber auch für | |
> Rastafari-Orthodoxie. Heute wäre Bob Marley 75 Jahre alt geworden. | |
Bild: Der bekannteste Rastafari: Bob Marley 1977 bei einem Konzert im Hammersmi… | |
Bob Marley war Musiker, politischer Aktivist, Entrepreneur, Freidenker und | |
der erste Künstler, der den noch jungen [1][Rastafari]-Glauben in die Welt | |
hinausgerufen hat. Marley stand für Liebe, Frieden, Widerstand gegen | |
Unterdrückung, [2][Black Liberation] sowie eine Offenheit anderen Menschen | |
gegenüber. Sein Wohn- und Geschäftshaus auf der Hope Road in Kingston stand | |
den Menschen offen. | |
„Neben Journalisten aus der ganzen Welt kamen fast täglich mehrere Dutzend | |
Menschen zu uns“, berichtet Tommy Cowan, damaliger Manager von Bob Marley, | |
„sie kamen zu Bob und fragten ihn nach finanzieller Hilfe, um ein Geschäft | |
zu eröffnen, die Reise auf das Land zur Familie zu finanzieren oder einfach | |
sich Lebensmittel zum Überleben auf der Straße leisten zu können. Es gab | |
Tage, da gaben wir den Leuten all das Bargeld, das wir hatten.“ | |
Doch auch Politik wurde an diesem Ort gemacht. 1977 bekam Cowan einen Anruf | |
von dem im Londoner Exil lebenden Marley. Der war von der Gewalt zwischen | |
den Anhängern der sozialistischen People’s National Party und der | |
wirtschaftsliberalen Jamaica Labour Party erschüttert. Mit dem „One Love | |
Peace“-Konzert, wollte er die Anhänger beider Parteien friedvoll | |
zusammenbringen. | |
Als Rastafari verehrte Marley den 1930 gekrönten äthiopischen König Haile | |
Selassie als lebenden schwarzen Gott. In ihrem Glauben ist es ihnen | |
wichtig, spirituell in ihre afrikanische Heimat, Äthiopien, zurückzukehren. | |
Marley selbst besuchte 1979 Äthiopien und das von Haile Selassie an die | |
Rastafari-Gemeinde übergebene Dorf Shashamane. | |
## Rastafari: Eine Utopie von Liebe und Freiheit | |
Doch auch diese Utopie von Liebe und Frieden ist nur eine scheinbare. Denn | |
in den ersten Jahren des Aufschwungs von Rastafari in den fünfziger und | |
sechziger Jahren, als diese Glaubensrichtung überwiegend von Männern | |
bestimmt wurde, waren Frauen marginalisiert, von bestimmten Ritualen | |
ausgeschlossen oder durften keine Hosen tragen. | |
In orthodoxen Dorfgemeinschaften gab es für Frauen ein gesondertes Haus, in | |
das sie sich während ihrer Menstruation zurückziehen mussten. Viele Männer, | |
darunter auch Bob Marley, lebten in Polygamie. Nachdem Marley zu Anfang | |
Rastafari noch kritisch gegenüberstand, wurde er zum Ende seiner Karriere | |
immer orthodoxer in seiner Auslegung. Grund dafür war seine | |
Hautkrebsdiagnose von 1977, die er aufgrund seines Glaubens nicht behandeln | |
ließ. | |
Ein anhaltender Kritikpunkt an den Rastafaris ist die Ablehnung von | |
Homosexualität. Dieses alte Dogma beginnt langsam aufzuweichen. So hat der | |
bekennende Rastafari Buju Banton sich im vergangenen Jahr von seinen | |
homophoben Texten und Aussagen distanziert. Dies sorgte in der | |
jamaikanischen LGBTQ-Gemeinde, deren Interessensgemeinschaft J-Flag | |
inzwischen fünf Prides auf der Insel abgehalten hat, für viel positives | |
Feedback. Zudem outete sich mit dem in New York lebenden Demaro der erste | |
jamaikanische Dancehall-Künstler Anfang des Jahres. | |
Marley kommt am 6. Februar 1945 als Sohn der Afrojamaikanerin Cedella | |
Malcolm und des Engländers Norval Sinclair Marley in dem kleinen Dorf Nine | |
Miles zur Welt. Kurz nach seiner Geburt verschwindet sein Vater, über den | |
Marley im Lauf seiner Karriere kaum sprach. Hänseleien wie „The German Kid“ | |
aufgrund seiner familiären Herkunft sah sich der junge Bob regelmäßig | |
ausgesetzt. Bob Marley selbst wird später elf Kinder mit sieben | |
unterschiedlichen Frauen haben. | |
## Erfolgreiche Patchwork-Großfamilie | |
Die bekannteste Frau in dieser jamaikanischen Patchwork-Großfamilie ist | |
Ehefrau Rita Marley, die auch als Sängerin in der Band ihres Mannes, | |
I-Threes, mitwirkte. Neben den musikalisch erfolgreichen Kindern Ziggy, | |
Stephen, Damian, Julian und Ky-Mani, die gemeinsam 16 Grammys gewonnen | |
haben, ist es vor allem der 1972 geborene Rohan Marley, der den | |
Geschäftssinn seines Vaters weiterführt. Denn schon der war über die | |
Musikindustrie hinaus tätig. | |
So hatte Bob Marley etwa den Plan, eine Farm außerhalb von Kingston zu | |
kaufen, um dort arbeitslosen Jugendlichen aus den Gettos einen Job zu geben | |
– ein Vorhaben, das er vor seinem Tod nicht mehr verwirklichte. Mit dem | |
nachhaltig und fair-trade-lizensierten Marley Coffee setzt am Ende der Sohn | |
diese Idee seines Vaters in die Realität um – gut 39 Jahre nach dessen Tod | |
investiert er in die Landwirtschaft. Ein weiterer Geschäftszweig des | |
umtriebigen Geschäftsmannes ist die Öko-Kopfhörer-Marke „House of Marley�… | |
Die Ikonisierung von Bob Marley, die bis heute anhält, hat viele Faktoren. | |
Da ist zum einen der „Export“ seiner Musik nach Europa: Der | |
Arbeitskräftemangel in England, der zwischen 1948 und 1971 Tausende von | |
Menschen aus Jamaika, Trinidad, Tobago und anderen Karibikstaaten als | |
sogenannte „Windrush Generation“ auf die Britische Insel brachte, sorgte | |
auch dafür, dass deren Kultur in Großbritannien reüssierte. So fand | |
jamaikanische Musik etwa in den Arbeitervierteln großen Anklang. | |
## Ikonisierung durch Dreadlocks und Joint | |
Auf der anderen Seite des Atlantiks saugten die schwarze | |
Bürgerrechtsbewegung und die Flower-Power-Bewegung Marleys Sound auf. | |
Politische Songs wie „Get Up, Stand Up“ fanden sich genauso in seinem Œuvre | |
wie „Jamming“. Einige Fotos von Marley, mit Dreadlocks und Joint, wurden | |
ikonisch. Das funktionierte aber nur, weil die Musik einen Nerv traf. | |
In musikalischer Hinsicht war Joe Higgs der wichtigste Lehrmeister Marleys. | |
Der Sänger und Songwriter lebte wie Marley auch Anfang der Sechziger in dem | |
Sozialbau-Viertel Trenchtown. Higgs lehrte Marley Gitarre, doch er | |
unterrichtete Bob sowie seine Mitmusiker Bunny Wailer und Peter Tosh auch | |
in Gesang und Harmonielehre. | |
Reggae entstand in einer Zeit der wirtschaftlichen Depression von Jamaika, | |
was sich im Sound widerspiegelt, zum Beispiel im Song „Natural Mystic“, dem | |
ersten Stück des Albums „Exodus“, mit seiner Basslinie und der tiefen | |
dumpfen Orgel, die gelegentlich unterbrochen werden von luftigen | |
Gitarrenriffs. | |
Am Donnerstag, zum 75. Jahrestag seines Geburtstags, werden Hunderte | |
Musikfans aus der ganzen Welt den Weg zur 56 Hope Road finden. Dort wollen | |
alte Weggefährten wie Bongo Herman, Toots Hibbert, aber auch junge | |
Reggae-Acts wie Mortimer und Jesse Royal den so legendären wie | |
unvollkommenen Mann aus Nine Miles ehren. | |
6 Feb 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Rastafaries-in-Aethiopien/!5214945 | |
[2] /Sachbuch-ueber-Rassismus-in-den-USA/!5411851 | |
## AUTOREN | |
Kai Eckold | |
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