# taz.de -- Haiti in der Gewalt der Gangs: Polizeimission mit Hindernissen | |
> Eine Polizeimission sollte unter kenianischer Führung in Haiti | |
> eintreffen. Aber der Voraustrupp ist erst einmal wieder abgereist. | |
Bild: Port-au-Prince im Mai: Nach einem Zusammenstoß zwischen Gangs und Polize… | |
FRANKFURT/M. taz | Eigentlich dachten alle, dass die „[1][Multinationale | |
Sicherheitsunterstützungsmission]“ unter Führung von Kenia in den nächsten | |
Tagen in Haiti eintreffen würde. Am Flughafen von Haitis Hauptstadt | |
Port-au-Prince stapeln sich Schiffscontainer übereinander, die Material für | |
die vom UN-Sicherheitsrat vor sieben Monaten beschlossene Mission (MSS) | |
enthalten. 37 C-17 Transportflugzeuge der US-Luftwaffe haben seit April | |
Material nach Port-au-Prince eingeflogen: Waffen, Munition, Zelte, | |
Verbandsmaterial, gepanzerte Fahrzeuge. | |
Man arbeite in Washington, Miami und Port-au-Prince „fieberhaft“ daran, den | |
Flughafen wieder flottzumachen, schrieb Jaqueline Charles vom Miami Herald, | |
die wohl bestinformierte US-Journalistin mit haitianischen Wurzeln. | |
Die Leiterin des Süd-Kommandos der US-Armee, Generalin Laura Richardson, | |
erklärte vergangene Woche in Washington öffentlich, auch „begrenztes | |
US-Personal“ werde bei der Mission mitarbeiten. US-Präsident Biden, dessen | |
frühere Äußerungen zu Haiti von Verachtung geprägt waren, traf sich am | |
vergangenen Donnerstag mit dem kenianischen Präsidenten [2][William Ruto]. | |
Biden legte Wert auf die Feststellung, dies sei kein US-Armee-Einsatz. | |
US-Außenminister Blinken sagte mit Blick auf die Widerstände des | |
US-Kongresses: „Ich weiß, dass manche nicht wollen, dass die USA weiter die | |
Rolle des Weltpolizisten spielen.“ Jetzt habe man Kenia und eine Reihe | |
anderer Staaten, die bereit wären, einzuspringen. „Aber sie brauchen unsere | |
Unterstützung“, flehte der Außenminister den Kongress an. | |
## Blockade im US-Kongress, Opposition in Kenia | |
Gemessen an den politischen Aktivitäten der US-Regierung ist Haiti eine | |
fast ebenso bedeutende Krise wie die Ukraine oder Gaza. Und doch will | |
vorerst nichts gelingen. Die in Haiti weilenden kenianischen Polizisten, | |
das Vorauskommando, das die Mission vorbereiten und prüfen sollte, ob die | |
Voraussetzungen für ihren Beginn gegeben sind, ist am Sonntag wieder | |
zurückgeflogen. Das ist bitter für die US-Außenpolitik. | |
Denn dass die USA den Einsatz in Haiti von Beginn an geplant haben und | |
koordinieren, die Mission zumindest theoretisch weitestgehend finanzieren | |
und auch die Ausbildung der kenianischen Sondereinheiten seit Monaten | |
durchführen, wirft die Frage auf, ob das Reden von einer Kenia-geführten | |
Mission nicht Camouflage ist. So munkelt man laut Miami Herald im | |
US-Kongress, dass es sich in Wahrheit um eine „US-geführte Mission mit | |
multiplen Akteuren“ handle. | |
Warum verzögert sich der Einsatz, wenn er nicht sogar gänzlich zu scheitern | |
droht? Die Biden-Regierung hat beim Kongress 300 Millionen US-Dollar für | |
die Mission beantragt, allerdings ist bislang fast nichts bewilligt worden. | |
Die Republikaner stellen sich aus Prinzip quer. Die UNO versucht, | |
internationale Geber zu finden. Es kamen aber nur zehn Millionen zusammen. | |
Aber nicht nur der US-Kongress macht Schwierigkeiten. Die kenianische | |
Opposition hat Klage bei Gericht eingereicht mit der Begründung, die | |
Polizisten würden in Kenia gebraucht. Bis Juni soll das Gericht | |
entscheiden. Die Mission sei eine Todesfalle, sagt die kenianische Juristin | |
und Parlamentsmitarbeiterin Millie Odhiambo. Schon vor Monaten hatte | |
Präsident Ruto zudem erklärt, die Mission könne nur stattfinden, wenn ihre | |
Finanzierung gesichert sei. | |
## Politische Führung in Haiti bleibt chaotisch | |
Doch das sind noch nicht alle Hindernisse, die die Kenianer zum Zweifeln | |
gebracht haben dürften. Der auf Initiative der USA und der karibischen | |
Staatengemeinschaft gegründete haitianische [3][Präsidialrat], der legale | |
Strukturen für den internationalen Einsatz schaffen und vor allen Dingen | |
für Wahlen sorgen sollte, ist – kaum eingerichtet – zum Kampffeld um die | |
Macht im Land ohne Staat geworden. Aus sieben Parteigruppierungen | |
zusammengesetzt, hat sich ein Vierergrüppchen gebildet, das im Alleingang | |
die Ministerposten verteilen wollte. Das kann man einen Putsch nennen. | |
Diese Vierergruppe, schreibt der haitianische Menschenrechtler Pierre | |
Espérance, gehöre zu der Mafia, die vor allen Dingen den Status quo | |
erhalten wolle. Die USA haben interveniert und nun sind Mehrheitsbeschlüsse | |
nur bei einer Quote von fünf gegen zwei möglich. Für die | |
Übergangspräsidentschaft haben sich 1.000 Bewerber eingetragen. Von einer | |
funktionsfähigen Regierung, die die Mission legitimiert, kann also noch | |
lange nicht die Rede sein. | |
Zwischenzeitlich schien es um die [4][Gangs] etwas ruhiger geworden zu | |
sein. Doch jetzt, kurz vor dem nun ins Wasser gefallenen Beginn der | |
Mission, zeigten sie wieder Stärke. Ein Pärchen, das als US-Missionare | |
unterwegs war, wurde umgebracht; eine Polizeistation in Gressier, ein | |
wichtiger Knotenpunkt auf dem Weg in den Süden, wurde gestürmt und | |
niedergebrannt; und weitere 10.000 Menschen wurden von dort in die Flucht | |
getrieben, wie schon 350.000 im vergangenen Jahr. | |
Auch ganz neue Armeewaffen aus Belgien sind an den von den Gangs | |
eingerichteten Zahlstationen aufgetaucht. Sollten die Kenianer kommen, wird | |
es kein Spaziergang. | |
28 May 2024 | |
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## AUTOREN | |
Katja Maurer | |
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