# taz.de -- Ausweg aus Krise und Bandengewalt: Haiti bekommt eine Regierung | |
> Haitis Akteure einigen sich auf die Bildung eines siebenköpfigen | |
> Präsidialrats, der das Land aus der Krise führen soll. Ob das gelingt, | |
> bleibt offen. | |
Bild: Straßenszene in Haitis Hauptstadt Port-au-Prince am 13. März | |
FRANKFURT/MAIN taz | Seit in Haiti die staatliche Sicherheitsstruktur | |
zusammengebrochen ist und der amtierende Ministerpräsident Ariel [1][Henry | |
vergangene Woche seinen Rücktritt angekündigt hat,] suchen die karibischen | |
Staaten, vereinigt in Caricom, die USA und die UNO nach einem Ausweg aus | |
der Krise. In einer Ad-Hoc-Sitzung am Montag haben sie in | |
Hochgeschwindigkeit versucht, einen Lösungsvorschlag zu finden, um das | |
[2][entstandene Machtvakuum in Haiti] so schnell wie möglich zu füllen. | |
Offensichtlich mit haitianischen zivilgesellschaftlichen und politischen | |
Akteuren in Zoom-Konferenzen vorher ausgehandelt, legten sie einen Plan zur | |
Bildung eines präsidialen Übergangsrats aus sieben Vertretern der für | |
wichtig befundenen haitianischen Gruppierungen vor. Dieser Rat soll dann | |
eine neue Übergangsregierung aushandeln, die den Weg zu Wahlen freimacht. | |
In der am Dienstag veröffentlichten Erklärung von Caricom ist immer wieder | |
von einer „haitianischen Lösung“ die Rede. Trotzdem werden zwei Bedingungen | |
klar formuliert: Jeder Entsandte müsse der kenianischen Polizeimission | |
zustimmen, die die Ganggewalt bekämpfen soll und für die US-Außenminister | |
Blinken 200 Millionen Dollar als Finanzierung zusagte. Außerdem dürfe kein | |
Vertreter in Bandenkriminalität und andere Verbrechen verwickelt sein. | |
Dem Übergangsrat soll die Partei der seit dem Erdbeben regierenden | |
Präsidenten (Martelly, Moïse, Henry) PHTK genauso angehören wie das | |
gegnerische Bündnis des Montana-Accord, das bislang eine Zusammenarbeit mit | |
der Regierungspartei aufgrund der Korruption und der Verwicklung in | |
Bandenkriminalität abgelehnt hat. Montana-Accord hatte bereits 2021 einen | |
Gegenvorschlag zur Ernennung Henrys vorgelegt, der ein Übergangsmodell | |
vorsah, wie es jetzt Caricom vorschlägt. | |
## Forderung nach stärkerer Militärintervention | |
Außerdem mit von der Partie ist Fanmi Lavalas, die Partei des 2004 | |
gestürzten Präsidenten Aristide. Die politischen Interventionen der | |
US-Politik haben diese Partei seit 2010 mit allen Mitteln von der | |
Regierungsmacht ferngehalten. Mit dabei soll auch die Partei von | |
Jean-Charles Moïse sein, der sich bislang in einem lockeren Bündnis mit Guy | |
Philipp befand, der wegen Drogen und Geldwäscherei sechs Jahre in den USA | |
inhaftiert war und auch eine bewaffnete Gruppierung unterhält. Offenkundig | |
soll er die Figur sein, die die Gangs einhegt. | |
Bis Redaktionsschluss waren sechs der geplanten sieben Vertreter im Rat | |
benannt, die Namen sind bekannt. Die Caricom hatte den haitianischen | |
Akteuren eine 24-Stunden-Frist zu Ernennung gestellt. Ob dieser | |
Übergangsrat tatsächlich einen Weg aus der Krise finden kann, ist offen. | |
[3][Pierre Espérance, Direktor des haitianischen Menschenrechtsnetzwerks], | |
begrüßte den Vorschlag als „ einen Schritt in die richtige Richtung“. Er | |
betonte allerdings, dass an der Bedingung, kein Vertreter dürfe in | |
kriminelle Machenschaften verwickelt sein, kategorisch festzuhalten sei. | |
Gangleader Jimmy Chérizier kommentierte hingegen, wenn die internationale | |
Gemeinschaft diesen Weg fortsetze, traditionelle Politiker zu Verhandlungen | |
über eine zukünftige Regierung in ein Hotel zu setzen, werde sie Haiti | |
weiter ins Chaos treiben. Er kündigte an, weiter für die „Befreiung Haitis�… | |
zu kämpfen. Dan Foote, ehemaliger Sonderbotschafter der USA für Haiti, | |
kritisierte Caricom ebenfalls. Er forderte stattdessen einen „nationalen | |
Dialog“. | |
Zeitgleich werden in den USA Stimmen lauter, die eine viel stärkere | |
Militärintervention in Haiti fordern. Lee Hockstader, ein renommierter | |
außenpolitischer Kolumnist der [4][Washington Post], forderte ein | |
internationales militärisches Eingreifen „mit Muskeln“, das weit über die | |
schlecht ausgerüstete Kenia-Mission hinausgehen müsse. Der Präsidialrat sei | |
eine nette Idee, rieche aber nach „Verzweiflung“. Niemand könne die Frage | |
beantworten, wie ein solcher notdürftig zusammengeschusterter Rat die | |
Autorität haben soll, 300 Gangs, die die Hauptstadt beherrschen, in den | |
Griff zu bekommen. | |
14 Mar 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Gangs-vertreiben-Henry-Regierung/!5994815 | |
[2] /Krise-in-Haiti/!5997205 | |
[3] /Bandengewalt-in-Haiti-eskaliert/!5994728 | |
[4] https://www.washingtonpost.com/opinions/2024/03/13/haiti-anarchy-internatio… | |
## AUTOREN | |
Katja Maurer | |
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