| # taz.de -- Grenzkontrollen wegen Corona-Krise: „Keinen interessiert, ob wir … | |
| > Polens Regierung hat bei Frankfurt (Oder) Grenzkontrollen eingeführt. | |
| > Privatpersonen aus Weißrussland müssen seit Tagen dort ausharren. | |
| Bild: Deutsch-polnischen Grenze am 17. März: Kein Weiterkommen für Transitrei… | |
| Frankfurt (Oder) taz | [1][Aufgrund der aktuellen Corona-Krise] beschloss | |
| die polnische Regierung kürzlich, [2][umfassende Grenzkontrollen] | |
| einzuführen. Einreisen dürfen nur noch polnische Staatsbürger und | |
| Ausländer, die in Polen arbeiten. Nach der Einreise müssen sie zwei Wochen | |
| in Quarantäne. Weiterhin erlaubt ist der Lkw-Transitverkehr. | |
| Zwar fließt der Verkehr seit Donnerstagnachmittag wieder | |
| ([3][zwischenzeitlich hatte es sich auf bis zu 50 Kilometern gestaut]), | |
| Privatpersonen aus dem Baltikum, der Ukraine und Weißrussland müssen | |
| allerdings weiterhin an der Grenze ausharren. Polnische Grenzbeamte lassen | |
| sie nicht passieren. | |
| Michail, 68, sitzt seit Dienstag auf einem ehemaligen Zollplatz in der Nähe | |
| von Frankfurt (Oder) fest. Er hat in den Niederlanden ein Auto für eine | |
| Freundin gekauft. Als er am Dienstag über die deutsch-polnische Grenze | |
| fahren wollte, wiesen ihn die Beamten ab. „Sie haben mich schon zweimal | |
| zurückgeschickt“, sagt Michail. „Ich muss essen, duschen. Aber ich habe | |
| kein Geld.“ | |
| Die Entscheidung der polnischen Regierung soll zunächst für zehn Tage | |
| gelten. Doch wie es danach weitergeht, ist unklar. „Wo soll ich hin?“, | |
| fragt Michail. „Wenn sie die Grenze schließen wollen, sollen sie das | |
| machen. Aber dann müssen sie sich auch um uns kümmern.“ Michail ist | |
| Rentner, er hat kein Geld für ein Hotel oder Verpflegung. Seit vier Tagen | |
| schläft er in seinem Auto. Am Mittwochabend hat das Deutsche Rote Kreuz | |
| (DRK) die festsitzenden Reisenden mit Essen und Trinken versorgt. Doch | |
| gestern waren die Helfer aufgrund eines schweren Unfalls auf der A12 an | |
| anderen Orten im Einsatz. | |
| Die Polizei hatte den ehemaligen Zollplatz Anfang der Woche geöffnet, um | |
| weitere Stellplätze für Lkws zur Verfügung zu stellen und so den Verkehr | |
| auf der A12 zu verringern. Am Freitagmorgen stehen nur noch wenige Laster | |
| auf dem Platz. Aus dem Oder-West-Center, einem Supermarkt, kommen einzelne | |
| Personen mit Klopapier, Schinken oder Bierfässern. | |
| Die meisten von ihnen stammen aus Weißrussland, Russland oder der Ukraine. | |
| Vor dem Gebäude steht Michail mit zwei anderen Männern aus seinem | |
| Heimatland und wartet. Auch sie anderen sitzen seit vier Tagen hier fest. | |
| Vladimir, 50, war eine Woche in Deutschland. Nun wird ihm die Durchreise | |
| nach Polen verweigert. „Wenn du keinen polnischen Pass hast, sagen sie | |
| ‚Tschüss‘“, berichtet er. | |
| „Was ist das für eine nationalistische Scheiße?“ Er hat noch ein weiteres | |
| Problem: Sein Schengen-Visum läuft noch im März aus. „Und was dann? Dann | |
| werde ich abgeschoben, oder was?“ Er habe das dem polnischen Grenzbeamten | |
| erklärt, aber es habe sie nicht interessiert. Auch die weißrussische | |
| Botschaft in Berlin würde ihnen nicht helfen, sagt Vladimir. Dort habe man | |
| ihm gesagt, sie sollten einen Flug nach Weißrussland nehmen. „Aber wie soll | |
| ich das bezahlen?“, fragt er. „Und was passiert mit meinem Auto?“ | |
| ## Weißrussland will „humanitären Korridor“ errichten | |
| Auf Anfrage teilt die weißrussische Botschaft in Berlin per E-Mail mit, die | |
| Situation der in Deutschland Festsitzenden rufe „ernsthafte Besorgnis“ | |
| hervor. Man habe der polnischen Seite vorgeschlagen, einen „humanitären | |
| Korridor“ für die betroffenen Menschen zu organisieren. Dies habe die | |
| polnische Regierung allerdings abgelehnt. Nun werde die Möglichkeit | |
| geprüft, einen Sonderzug für die Menschen einzurichten. Außerdem | |
| unterstütze die Botschaft und das Außenministerium weißrussische | |
| Staatsbürger mit Direktflügen der nationalen Fluggesellschaft Belavia. Der | |
| polnische Grenzschutz ließ eine Anfrage bis jetzt unbeantwortet. | |
| Die Menschen auf dem ehemaligen Zollplatz bei Frankfurt (Oder) fühlen sich | |
| alleingelassen. Michail überlegt, einen Lkw-Fahrer aus Weißrussland zu | |
| finden, der ihn und sein Auto mitnehmen kann – bisher vergeblich. So wie es | |
| aussieht, werden er und die anderen beiden Männer weiter auf dem Rastplatz | |
| ausharren müssen. In den nächsten Tagen soll es außerdem kälter werden. | |
| „Niemand interessiert sich dafür, ob wir hier verrecken“, sagt Vladimir. | |
| 20 Mar 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Paul Toetzke | |
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