| # taz.de -- Geplanter Rutilabbau in Norwegen: Førdefjord soll Müllkippe werden | |
| > Die Nordic Mining will 250 Millionen Tonnen giftigen Grubenabfall aus der | |
| > Rutilgewinnung ins Meer kippen. Die Genehmigungen hat sie. War es das? | |
| Bild: Die Proteste dauern schon seit acht Jahren an – hier eine Aktion im Aug… | |
| Stockholm taz | Wer die [1][Müllkippe im Fjord] noch verhindern will, muss | |
| jetzt ran: So rufen norwegische UmweltschützerInnen dieser Tage zu | |
| möglicherweise entscheidenden Protestaktionen auf. Am Uferberg des | |
| Førdefjord nördlich der Stadt Bergen soll großräumig Rutil abgebaut werden, | |
| ein Titanmineral, das als Farbpigment und auch in bestimmten Solarzellen | |
| verwendet wird. | |
| Das Projekt wird seit 18 Jahren verfolgt, 2014 wurde es konkret – und | |
| genauso lange gibt es Proteste. 11 Tonnen Abraum pro Minute wird der | |
| Rutilabbau produzieren – und das für die kommenden 40 bis 50 Jahre. | |
| Insgesamt rund 250 Millionen Tonnen. Er wird unter anderem Schwefelsäure, | |
| Schwermetalle und Titan-Nanopartikel enthalten. Geplant ist, ihn in den | |
| relativ flachen und noch geschützten Førdefjord zu kippen. Das könnte nicht | |
| nur das Leben in diesem Fjord ersticken, die Giftstoffe könnten sich auch | |
| im Nordatlantik weiter ausbreiten und in der menschlichen Nahrungskette | |
| landen. | |
| Das staatliche Meeresforschungsinstitut hat deshalb ausdrücklich vom | |
| Projekt abgeraten. Interessenvertretungen der Fischer und der Fisch | |
| verarbeitenden Industrie sind dagegen. Anne-Line Thingnes Førsund vom | |
| Naturschutzverband Naturvernforbundet warnt von einem „sehr gefährlichem | |
| Experiment“. Und der britische Meeresbiologe Callum Roberts glaubt sich „um | |
| 100 Jahre zurückversetzt“, als man das Meer noch als unermessliche | |
| Müllkippe behandelt habe. Er spricht von „Umweltverschmutzung im großen | |
| Stil“. | |
| Die Mehrheit der NorwegerInnen sieht das auch so. Laut einer Umfrage aus | |
| dem Dezember lehnen 80 Prozent die Nutzung des Meers als Müllkippe ab, nur | |
| 9 Prozent sind für Fjorddeponien. [2][Norwegen ist das einzige europäische | |
| Land, das noch Meeresdeponien für Grubenabfälle erlaubt]. Und es gibt | |
| weltweit überhaupt nur noch ein weiteres: Papua-Neuguinea. | |
| ## Abgeordnete sehen kein Problem | |
| Doch im Parlament in Oslo segnete eine Mehrheit aus Sozialdemokraten, | |
| Konservativen und Rechtspopulisten das Projekt ab. Alle erforderlichen | |
| Genehmigungen sind erteilt. Im Herbst meldete das Grubenunternehmen Nordic | |
| Mining den Abschluss von Verträgen mit mehreren Bauunternehmen. Erste | |
| Bauarbeiten sollen in diesen Tagen beginnen. | |
| VertreterInnen mehrerer Umweltschutz- und Parteijugendorganisationen wollen | |
| aktiven Widerstand leisten, wenn die Baumaschinen anrücken. Sie haben am | |
| Fjord ein Lager aufgebaut, unterstützt von internationalen | |
| UmweltaktivistInnen. Auch die deutsche Umweltschützerin Carola Rackete | |
| meldete sich per Twitter „von Norwegens sauberstem und für seinen | |
| Lachsbestand geschützten Fjord“. Die Naturschutzorganisation Natur og | |
| Ungdom erklärt, man werde Zufahrtswege blockieren und sich an die | |
| Baumaschinen anketten. „Wir unterstützen zivilen Ungehorsam“, sagt Lars | |
| Haltbrekken von den Linkssozialisten. | |
| ## Letzte Chancen | |
| Noch gibt es eine kleine Chance, dass die Pläne auf legalem Wege gestoppt | |
| werden können. Die ProjektgegnerInnen setzen auf die Wasserdirektive der | |
| EU. Im Rahmen des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) ist Norwegen | |
| verpflichtet, diese Direktive einzuhalten. Mehrere norwegische | |
| Umweltorganisationen haben das EWR-Überwachungsorgan ESA angerufen. Ende | |
| Februar teilte die ESA mit, sie werde die Klage behandeln – [3][zumal | |
| Titandioxid, dem Rutil in seiner chemischen Zusammensetzung entspricht, | |
| seit einem Monat innerhalb des EWR als Zusatzstoff in Lebensmitteln | |
| verboten ist]. Grund: Gesundheitsrisiken können nicht ausgeschlossen | |
| werden. | |
| Einen Bezug zu Deutschland gibt es auch. Nordic Mining hat einen | |
| Rutil-Abnahmevertrag mit dem US-deutschen Titandioxid-Produzenten | |
| Kronos-International, dessen Europasitz in Leverkusen ist. Der Name Kronos | |
| steht in Deutschland für eine Zeit, als auch hier das Meer noch als | |
| Müllkippe verwendet wurde. Die damalige Kronos-Titan GmbH leitete bis in | |
| die 1980er Jahre täglich eine Schiffsladung mit Dünnsäure – ein | |
| Abfallprodukt der Titandioxid-Produktion – in der Nähe von Helgoland in die | |
| Nordsee. Wegen der verheerenden Auswirkungen auf die Meeresbiologie wurde | |
| das 1989 verboten. | |
| 9 Mar 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Reinhard Wolff | |
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