Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Geplanter Rahmenvertrag mit EU: Bern zieht den Stecker
> Seit sieben Jahren verhandelt die Schweiz mit der EU über ein
> Rahmenabkommen. Nun haben die Eidgenoss:innen die Verhandlungen
> platzen lassen.
Bild: Der Schweizer Bundespräsident Guy Parmelin erklärte die Verhandlungen m…
Berlin taz | Die Schweiz hat einen seit über sieben Jahren angestrebten
[1][Rahmenvertrag] mit der EU über die bilateralen Beziehungen am Mittwoch
endgültig platzen lassen. Die Verhandlungen über einen bereits seit 2018
vorliegenden Vertragsentwurf scheiterten schließlich an
Nachbesserungsforderungen, die der Bundesrat – die Regierung in Bern – zum
Teil unter dem Druck von Volksentscheiden gegenüber Brüssel erhoben hatte.
„Der Bundesrat hat festgestellt, dass die Gespräche in drei Bereichen mit
der EU nicht zu den nötigen Lösungen geführt haben. Deshalb hat der
Bundesrat entschieden, die Verhandlungen zu beenden“, teilte Präsident Guy
Parmelin am Mittwochnachmittag in Bern mit.
Bei den drei Streitfragen ging es um Regeln über Staatshilfen für
Unternehmen, über Maßnahmen zum Schutz der hohen Schweizer Löhne sowie den
Zugang von EU-Bürgern zu Schweizer Sozialkassen. Zudem war die Schweiz
nicht bereit, sich in künftigen Streitfällen mit der EU ohne Einschränkung
der Jurisdiktion des Europäischen Gerichtshofes zu unterwerfen.
Die Schweiz hat in den vergangenen 50 Jahren einen Beitritt zur EU oder
ihren Vorläuferorganisationen EG und EWG und auch zum Europäischen
Wirtschaftsraum (EWR) in mehreren Volksentscheiden und
Parlamentsbeschlüssen immer wieder abgelehnt. Stattdessen schlossen Bern
und Brüssel zahlreiche bilaterale Verträge ab. Mit dem angestrebten
Rahmenabkommen sollten diese bilateralen Verträge zusammengefasst und
aktualisiert werden.
## Unabhängig, jedoch verknüpft
Nach einem ersten Freihandelsabkommen im Jahr 1972 hatten Brüssel und Bern
1989 zunächst einen Vertrag zur Liberalisierung des gegenseitigen
Marktzugangs von Versicherungsunternehmen vereinbart. 1999 folgten dann
sieben bilaterale Abkommen unter anderem über die Personenfreizügigkeit,
den Handel mit Agrarprodukten, den Land- und Luftverkehr sowie über
wissenschaftlich- technische Zusammenarbeit.
Diese sieben bilateralen Verträge von 1999 sind zwar rechtlich voneinander
unabhängig, sie sind jedoch durch eine damals von der EU durchgesetzte
Verknüpfungs- oder „Guillotine“-Klausel miteinander verknüpft: im Falle
einer Kündigung oder einer Nichtverlängerung würden nicht nur der
betreffende Vertrag, sondern alle sieben Abkommen hinfällig.
Mit dieser Regelung wollte die EU ein „Rosinen picken“ durch die Schweiz
verhindern. Diese Gefahr wurde aktuell, nachdem sich die
Eidgenoss:innen bei einer Volksabstimmung im Februar 2014 mit der
Annahme der von der rechtspopulistischen Schweizer Volkspartei (SVP)
eingebrachten „Initiative gegen Masseneinwanderung“ für Beschränkungen f�…
Saisonarbeiter:innen oder Pendler:innen aus den EU-Nachbarländern
ausgesprochen hatten.
Seitdem stritten Bern und Brüssel aber auch die politischen Parteien,
Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände in der Schweiz bis zuletzt
vergeblich darüber, wie dieser Volksentscheid umgesetzt werden kann, ohne
das Recht auf Freizügigkeit für EU-Bürger:innen auszuhebeln.
## Lohnniveau gefährdet
Der Widerstand gegen die von der EU verlangte Zuständigkeit des
Europäischen Gerichtshofs für die Klärung künftiger Streitfragen kam auch
in erster Linie von der [2][SVP]. Sie stellt in der siebenköpfigen
Koalitionsregierung zwei Minister sowie die größte Fraktion im Nationalrat,
der ersten Parlamentskammer.
Befürchtungen, durch die mit dem Rahmenabkommen vorgesehenen
Aktualisierungen der bisherigen bilateralen Verträge würde das hohe
Lohnniveau in der Schweiz gefährdet, kamen in erster Linie von den
Sozialdemokratischen Partei und den Gewerkschaften.
Auch nach dem Scheitern der Verhandlungen über ein Rahmenabkommen bleiben
die bisherigen bilateralen Verträge zwischen der EU und der Schweiz
bestehen. Aber die EU hat diese Woche gewarnt, mit welchen Folgen die
Schweiz ohne den Abschluss des Rahmenabkommens rechnen müsse: Es werde
keine weiteren Abkommen geben und ältere Abkommen würden möglicherweise
nicht aktualisiert.
26 May 2021
## LINKS
[1] /Die-Schweiz-und-die-EU/!5613736
[2] /Volksabstimmung-in-der-Schweiz/!5716710
## AUTOREN
Andreas Zumach
## TAGS
EU
Schweiz
Abkommen
Schweiz
Schweiz
Schweiz
Schweiz
Schweiz
Schweiz
## ARTIKEL ZUM THEMA
Verhandlungen zwischen Bern und Brüssel: EU gibt der Schweiz neue Chance
Nach drei Jahren verhandeln Bern und Brüssel erneut über ihre komplizierte
Beziehung. Schweizer EU-Gegner:innen sprechen von „Unterwerfungsvertrag“.
Schweizer Linke und Europa: Die EU ist der falsche Gegner
Das Scheitern des Rahmenabkommens zeigt, wie schwer sich Schweizer Linke
mit Europa tun. Dabei sollte sich deren Engagement nicht gegen die Union
insgesamt richten.
Rahmenvertrag EU-Schweiz: Singapur in den Alpen
Die Schweiz verhandelt nicht mehr mit der EU über ein Rahmenabkommen. Das
freut vor allem Rechte. Einige haben dafür viel Geld investiert.
Volksabstimmung in der Schweiz: Schwexit ohne EU-Mitgliedschaft
Die rechtskonservative Schweizer SVP ruft erneut zur Volksabstimmung über
ein Ende der Freizügigkeit mit der EU. Alle anderen sind dagegen.
Parlamentswahl in der Schweiz: Grüne wollen in die Regierung
Bei der Parlamentswahl in der Schweiz erringen die Grünen einen
historischen Wahlsieg. Nun beanspruchen sie einen Sitz im siebenköpfigen
Bundesrat.
Die Schweiz und die EU: Illusionen und Skepsis
In der Schweiz wird das geplante Rahmenabkommen mit der EU heftig
debattiert. Nicht wenige hoffen, dass die neue EU-Kommission Entgegenkommen
zeigt.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.