# taz.de -- Geldanlage zum Jahreswechsel: Wohin mit der Knete? | |
> Viele Sparer befürchten Negativzinsen, sie wollen noch schnell in Aktien | |
> oder Bitcoins investieren. Das ist keine Lösung für alle. | |
Bild: Das Geld soll „arbeiten“, nicht dümpeln | |
Die Zeit der guten Vorsätze fürs neue Jahr ist gekommen. Und nicht wenige | |
Deutsche dürften sich fragen, was sie im nächsten Jahr bloß mit ihrem Geld | |
anstellen sollen. Viele Sparer sind geradezu verzweifelt, weil 2020 ein | |
Novum bringen dürfte: Die Banken werden auf breiter Front Negativzinsen | |
einführen, um alle Kunden zu bestrafen, die ihre Guthaben einfach nur auf | |
dem Girokonto parken. Das Geld soll „arbeiten“, nicht dümpeln. | |
An Vorschlägen fehlt es nicht, wie man sein Geld anlegen könnte. Die | |
Ratgeberliteratur empfiehlt unter anderem: Aktien, Immobilien, Ackerland, | |
Wald, Diamanten, Gold, Whisky – oder [1][Bitcoins]. Wahnsinn und Vernunft | |
sind kaum voneinander zu trennen. | |
Wahnsinn ist der Glaube an die Bitcoins. Da kann die taz kompetent | |
mitreden: Denn wir haben 15 dieser virtuellen Münzen, die uns vor langer | |
Zeit von Lesern überlassen wurden, als der Kurs noch niedrig lag. Jetzt ist | |
jeder Bitcoin angeblich 6.454 Euro wert, wenn man den Börsenkurven trauen | |
darf. Trotzdem ist es der taz bisher nicht gelungen, ihre Bitcoins zu | |
verkaufen. Denn Banken nehmen das Kryptogeld nicht. Also hier die dringende | |
Bitte an alle Bitcoin-Fans: Melden Sie sich bei der taz! Wir geben unsere | |
15 Münzen gern gegen 96.800 echte Euro ab. | |
Doch Wahnsinn beiseite: Was ist von Aktien zu halten? Die Börsen-Analysten | |
sind optimistisch, dass die Kurse im nächsten Jahr steigen werden. Dem | |
deutschen Aktienindex DAX wird zugetraut, von derzeit 13.357 auf 15.000 | |
Punkte zu steigen. Da muss sich jeder blöd vorkommen, der noch kein Depot | |
hat. Zumal Finanzberater gern den Eindruck vermitteln, alle Deutschen | |
könnten längst reich und fürs Alter bestens abgesichert sein, wenn sie nur | |
rechtzeitig in Aktien investiert hätten. | |
## Frugalismus ist Trend | |
Der Börsenvirus infiziert daher immer neue Bevölkerungsgruppen. Früher | |
befasste sich vor allem der Mittelstand im mittleren Alter mit den | |
verheißenen Segnungen eines Aktiendepots, doch neuerdings hat das | |
Börsenfieber auch gering verdienende Hipster befallen. „[2][Frugalisten]“ | |
nennen sie sich selbst, denn sie schränken den Konsum radikal ein. Das | |
gesparte Geld investieren sie dann in Aktien – um spätestens mit 40 Jahren | |
in Rente gehen zu können. | |
Allein 2019 dürften mindestens zehn Bücher erschienen sein, die das Thema | |
„finanzieller Frugalismus“ variieren. Für nächstes Jahr sind weitere Werke | |
angekündigt. Hinter diesem Börsenhype – mit oder ohne Frugalismus – steckt | |
jedoch ein Denkfehler: Betriebswirtschaft wird mit Volkswirtschaft | |
verwechselt. Einzelne Aktienbesitzer können zwar durch Kurssteigerungen | |
gewinnen, trotzdem können nicht alle Deutschen ganz viele Aktien besitzen. | |
Es gibt schlicht nicht genug Wertpapiere. | |
Man stelle sich einmal vor, alle Bundesbürger würden sich auf Aktien | |
stürzen: Die Börsenkurse würden zwar rasant steigen, aber dieser Reichtum | |
wäre rein fiktiv und hätte mit der Realität nichts zu tun. Daimler oder BMW | |
verkaufen ja nicht deswegen mehr Autos, weil ihr Aktienkurs steigt. | |
Es würde nur ein sinnloser Kreisverkehr des Geldes einsetzen: Wenn jemand | |
eine Aktie kaufen will, muss ein anderer sie verkaufen. Der Neubesitzer | |
wäre sein Geld los – genau diese Summe wäre nun aber bei dem früheren | |
Eigentümer der Aktie gelandet, der sich jetzt überlegen muss, wie er das | |
Geld neu anlegt. | |
Bittere Ironie: Wahrscheinlich würde der ratlose Ex-Aktienbesitzer wieder | |
Aktien erwerben, weil sie ja ständig an „Wert“ gewinnen. Die Spekulation | |
nährt sich selbst. | |
Bleibt die Frage: Wohin mit dem Geld? Eine gute Antwort gibt es nicht, denn | |
die Frage ist falsch gestellt. Die besorgten Sparer wollen in ihre Zukunft | |
investieren, doch wie diese Zukunft aussieht, interessiert sie nicht. Das | |
Geld soll allein und automatisch „arbeiten“. Dieser Ansatz war immer zu | |
eng, aber in Zeiten des Klimawandels ist er obsolet. Nur wenn wir unsere | |
Umwelt retten, werden sich auch Finanzanlagen rentieren. Sonst nicht. | |
28 Dec 2019 | |
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## AUTOREN | |
Ulrike Herrmann | |
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