# taz.de -- Geld statt Applaus in der Corona-Krise: Boni für Systemrelevanz | |
> Die Leistung von Pflegekräften und Verkäufer*innen soll auch finanziell | |
> anerkannt werden – wenn auch erstmal nur einmalig. | |
Bild: Sie sollen nicht nur beklatscht werden: Boni für Pflegekräfte | |
BERLIN taz | Dankbare Menschen applaudieren Pflegekräften vom Balkon für | |
ihre Arbeit in [1][Corona-Zeiten]. Jetzt soll diese Dankbarkeit auch in | |
Geld umgemünzt werden. Der Bund macht Bonuszahlungen bis 1.500 Euro | |
steuerfrei. Bayern will 500 Euro locker machen. Und auch die Debatte um ein | |
– einmaliges – Grundeinkommen für alle ist da. | |
Bundesregierung und Opposition sind sich einig: Medizinisches | |
Pflegepersonal und andere systemrelevante Dienstleister*innen sollten in | |
der Corona-Krise eine Dankesprämie erhalten. Um das zu erleichtern, stellt | |
die Regierung branchenunabhängig Sonderzahlungen bis zu 1.500 Euro steuer- | |
und sozialversicherungsfrei. Das gilt für Boni, die zwischen dem 1. März | |
und dem 31. Dezember 2020 zusätzlich zum geschuldeten Arbeitslohn gezahlt | |
werden. | |
Finanzminister Olaf Scholz verkündete: „100-prozentigen Einsatz in dieser | |
Zeit wollen wir 100-prozentig entlohnen“. Eine Reihe von Unternehmen hätte | |
angekündigt, das Engagement ihrer Beschäftigten mit Sonderzahlungen zu | |
belohnen. Neben Aldi, Real und Lidl kündigten auch Rewe und die | |
Konzerntochter Penny an, ihren Beschäftigten einen Bonus zu zahlen. | |
Allerdings wollten sie dies aus steuerlichen Gründen in Form von | |
Warengutscheinen oder Gutschriften auf Mitarbeiterkarten tun. | |
Der Handelsverband Deutschland wollte sich zu den Vorgehensweisen einzelner | |
Unternehmen nicht äußern. Ein Sprecher betonte am Telefon aber, „viele | |
Unternehmen aus dem Lebensmittelhandel wollen ihre Wertschätzung für die | |
Arbeitnehmer in der Coronakrise deutlich machen“, weshalb sich der Verband | |
„bei der Politik für die Steuerfreiheit der Boni und Prämien für die | |
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingesetzt“ habe. | |
## Keine Tarifverträge für Pflegepersonal | |
Auch Friedhelm Fiedler, Vizepräsident des Arbeitgeberverband Pflege, sagte | |
der taz: „Wir begrüßen den Vorschlag, der auf dem Tisch liegt.“ Aus seinem | |
Verband kenne er niemanden, der meine „das komm nicht in Frage“. Jedoch | |
solle jedes Unternehmen selbst entscheiden, was es zahle. Die | |
Refinanzierung müsse sichergestellt sein, damit die Pflegeunternehmen | |
sauber und lebend aus der Krise herauskommen. Einen flächendeckenden | |
Tarifvertrag für Pflegepersonal findet er eine „Diskussion zur Unzeit“. | |
Die Gewerkschaft Verdi will dauerhaft bessere tarifliche Entgelte und | |
Regelungen im Pflegebereich,wenn die Pandemie überwunden ist. Ihre Kritik: | |
Kommerzielle Unternehmen in der Altenhilfe würden ihren Beschäftigten | |
vielfach eine tarifvertragliche Bezahlung verweigern. [2][Pflegekräfte] | |
„wollen nicht nur beklatscht und gelobt werden, sagte Sylvia Bühler von | |
Verdi. „Sie brauchen bessere Arbeitsbedingungen und eine angemessene | |
Bezahlung – jetzt, nicht irgendwann“. So fordert Verdi für „Beschäftigt… | |
versorgungsrelevanten Bereichen“ in jedem Monat, den die Krise noch | |
andauert, 500 Euro mehr Gehalt – steuerfrei. | |
Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbandes Deutschlands, sieht in den | |
Sonderzahlungen ein „wichtiges Zeichen der Anerkennung für alle Menschen, | |
die in der Pflege gerade den Laden am Laufen halten“. Sie appelliert jedoch | |
an die Politik: „Die Bonuszahlungen heute dürfen auch nicht vergessen | |
machen, dass die Probleme in der Pflege langfristig gelöst werden müssen.“ | |
## Anstoß für eine dauerhafte Verbesserung der Gehälter | |
Die aktuelle [3][Krise zeige sehr deutlich die Defizite] auf. Das sollte | |
Anstoß für eine dauerhafte Verbesserung der Gehälter und Arbeitsbedingungen | |
in der Pflege sein. „Wir dürfen nach Corona nicht einfach so weitermachen | |
wie vor Corona“, sagte sie der taz. Außerdem sollten die Sonderzahlungen | |
verpflichtend für alle systemrelevanten Berufsgruppen gelten. | |
Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt schlägt vor, der Bund solle | |
die steuerfreien Bonuszahlungen mit Mitteln aus dem Gesundheitsfonds | |
finanzieren, damit Krankenhäuser, Rettungsdienste und Pflegeeinrichtungen | |
zusätzliche Gelder erhalten, die sie rasch an ihre Mitarbeiter*innen | |
auszahlen können. Das Pflegepersonal leiste in der Krise „jeden Tag | |
Unglaubliches“, sagte Göring-Eckardt den Zeitungen der Funke Mediengruppe | |
vom Sonntag. Sie warnte die Regierung davor, die Frage der Sonderzahlungen | |
für medizinisches und Pflegepersonal nun so lange vor sich herzuschieben, | |
bis sie zwischen Bund, Ländern und den Arbeitgebern versande. | |
## Söder prescht vor | |
Die Pflegeexpertin der Linken, Pia Zimmermann, plädiert dafür, dass | |
Besserverdienende diese Zahlungen finanzieren: „Nicht die kleinen und | |
mittleren Einkommen sollen die Epidemiekosten tragen. Wann, wenn nicht | |
jetzt, müssen Schritte zur Einführung der Solidarischen | |
Pflegevollversicherung gegangen werden.“ So sei eine Anhebung der | |
Beitragsbemessungsgrenze in der Kranken- und der Pflegeversicherung | |
überfällig. Auch im Pflegevorsorgefonds lägen Milliarden, sofort nutzbar | |
für eine befristete Zulage, erklärte sie. | |
Auf Twitter kündigte [4][Bayerns Ministerpräsident Söder] am Sonntag an, | |
500 Euro als Bonus an alle Pflegekräfte zu zahlen. Zunächst einmalig und | |
steuerfrei. Kostenpunkt für Bayern: etwa 126 Millionen Euro. Die Zahlung | |
soll am Dienstag im Kabinett beschlossen werden. Laut eines | |
Regierungssprechers sollen alle 252.000 Pflegekräfte in Krankenhäusern, | |
Reha-Kliniken, Alten-, Pflege- und Behindertenheimen den Bonus bekommen. | |
Auch Berlin regt sich. So schlägt der CDU-Landesvorsitzende Kai Wegner vor, | |
dass Mitarbeiter*innen in systemrelevanten Berufen einen 500 Euro | |
Wertgutschein erhalten. Auch Berlins Bürgermeister Michael Müller will sich | |
für Bonuszahlungen an das Pflegepersonal einsetzen. | |
## Grundeinkommen? | |
Auch das umstrittene Thema Grundeinkommen wurde in der Debatte um | |
Zusatzzahlungen wieder aufgegriffen. Der Verein „Mein Grundeinkommen“ | |
verloste am vergangenen Mittwoch 40 bedingungslose Grundeinkommen in Höhe | |
von monatlich 1.000 Euro und einer Laufzeit von einem halben Jahr. | |
Politisch spielt das Thema kaum eine Rolle, selbst die auf mehr Sozialstaat | |
pochende Linke ist sich innerparteilich uneins. Die Co-Vorsitzende Katja | |
Kipping ist eine offene Befürworterin des bedingungslosen Grundeinkommens. | |
Der Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble hatte sich noch Anfang des Jahres | |
äußerst kritisch geäußert: „Wenn wir überfördern, zerstören wir die | |
Motivation der Menschen“. Auch der Paritätische Gesamtverband ist | |
grundsätzlich sehr skeptisch und hält eine Debatte über das Thema mitten in | |
der Corona-Krise für falsch. „Wenn es brennt, löscht man erst mal, aber | |
setzt sich nicht hin und macht Pläne für ein neues Haus“, sagte | |
Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider. (mit dpa) | |
7 Apr 2020 | |
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## AUTOREN | |
Mareike Andert | |
Frederik Schmidt | |
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