# taz.de -- Geheimnis um Rücksendequote im Handel: Wie Fußpilz | |
> Händler verraten nur ungern, wieviel bestellte Ware zurückgeschickt wird. | |
> Warum eigentlich? Und was hat das Ganze mit Fußpilz zu tun? | |
Bild: Was Retouren und Fußpilz gemein haben? Niemand gibt gerne zu, dass er ei… | |
## Warum gibt es so eine Geheimnistuerei um die Quote der retournierten | |
Waren? | |
Wenn Waren zurückgeschickt werden, verursacht das Kosten für die Händler. | |
Nicht nur die Rücksendung selbst, die für den Kunden ja meist kostenlos | |
ist. Sondern auch weil die zurückgegangene Ware erst geprüft, aufbereitet | |
und dann eventuell über andere Kanäle abverkauft werden soll. Das kostet | |
Personal und dauert. Und solange ist diese Ware für andere Kunden nicht | |
verfügbar – die Bestände müssen also entsprechend höher sein, um das | |
auszugleichen. Das bedeutet, je höher die Retourenquote ist, desto höher | |
sind auch die Kosten. Retouren sind im Grunde wie Fußpilz: Niemand gibt | |
gerne zu, dass er damit ein Problem hat. Mittlerweile entwickelt sich | |
daraus sogar ein Nischenmarkt: So bietet etwa die Firma Returbo an, | |
Retouren anzunehmen und die Waren wieder zu vermarkten. | |
## Gibt es auch Händler, die offen sagen, wie hoch ihre Retourenquote ist? | |
Das tun zumindest einige, aber längst nicht alle. Der Versandhändler Otto | |
etwa gibt zwar auch keine Gesamtzahl bekannt, nannte vor zwei Jahren für | |
seinen Textilbereich aber eine Quote von 50 Prozent. Auch der Onlinehändler | |
Zalando gibt an, eine Retourenquote von 50 Prozent zu haben – vorher war in | |
Branchenkreisen gerüchteweise auch von 70 Prozent die Rede gewesen. | |
## Kann man davon ausgehen, dass eine Rücksendequote von 50 Prozent stimmt? | |
Wenn im Textilbereich die Hälfte der bestellten Waren zurückgesendet wird, | |
wäre das erstaunlich – erstaunlich wenig. Schließlich ordern Kunden im | |
Bereich Mode ja fast schon standardmäßig zwei Größen. Eine Quote von 50 | |
Prozent würde also bedeuten, dass Kunden von sämtlichen doppelt bestellten | |
Produkten immer eines behalten oder eine ausgleichende Zahl von Produkten, | |
die Kunden nur einfach bestellen und immer behalten, dazukommt. | |
## Gibt es dazu auch unabhängige Daten? | |
Ja, die Forschungsgruppe Retourenmanagement an der Universität Bamberg hat | |
selbst Daten erhoben. Ihr Ergebnis klingt dann schon anders: Bei „modischen | |
Textilien und Schuhen“ werden Retourenquoten von 70 bis 80 Prozent | |
erreicht. Grundsätzlich gelte: Wer per Rechnung zahlt, sendet seine | |
Bestellung häufiger zurück als Vorkassenzahler, Frauen tun das häufiger als | |
Männer, und Bücher werden am seltensten retourniert. Man darf auch nicht | |
vergessen, dass das Zurückschicken für viele System hat. Eine Umfrage des | |
Branchenverbandes Bitkom ergab etwa, dass gut 40 Prozent der Verbraucher | |
schon mindestens einmal Waren in der Absicht bestellt haben, sie wieder | |
zurückzuschicken. 3 Prozent praktizieren das sogar regelmäßig. | |
## Was kostet den Händler eine Retoure im Schnitt? | |
Durchschnittlich kostet sie rund 15 Euro. Aber es gilt laut der Umfrage der | |
Uni Bamberg auch: Je mehr Retouren ein Händler zu verzeichnen hat, desto | |
niedriger sind am Ende die Kosten, die für die Bearbeitung einer einzelnen | |
Sendung entstehen. Wie arbeitsintensiv eine Rücksendung ist, hängt außerdem | |
von der Art der Waren ab: Bei einer nur kurz anprobierten und dann | |
zurückgesendeten Hose reicht es ja durchaus, sie wieder ordentlich zu | |
falten und neu zu verpacken. Damit ist die Retoure erledigt. Doch ein | |
zurückgeschicktes Handy muss mindestens auf Hardwareschäden untersucht und | |
auf Werkseinstellungen zurückgesetzt werden. Dazu kommt auch noch ein | |
durchschnittlicher Wertverlust – nämlich dann, wenn ein Gegenstand mehr als | |
nur ausprobiert wurde und der Händler ihn nicht mehr als Neuware verkaufen | |
kann. | |
## Wie wirken sich die zusätzlichen Lieferwege auf die Ökobilanz der | |
Händler aus? | |
Für das Jahr 2012 summierten sich die CO2-Emissionen der zurückgesendeten | |
Waren laut den Forschern der Universität Bamberg auf rund 143.000 Tonnen. | |
Das entspricht in etwa der Menge an CO2, die mehr als 12.000 Bundesbürger | |
über ein Jahr verursachen. Aber immerhin: „Die Lieferung an einen Paketshop | |
oder eine Packstation ist deutlich ökologischer als eine Lieferung vor die | |
eigene Haustür“, sagt Thomas Bergmann vom Öko-Institut. Denn die Routen von | |
Haustür zu Haustür ließen sich nicht so effizient planen. Lieferungen zu | |
einem Zeitpunkt, zu dem der Kunde nicht zu Hause ist, verursachen natürlich | |
zusätzliche Wege. | |
## Gibt es denn Versuche, die Lieferwege zu verringern? | |
Ja, sogar diverse. Etwa die Paketkästen der Deutschen Post, die sich | |
Hausbewohner vor die Tür stellen lassen können – eine Art großen | |
Briefkasten also. Für Bewohner von Mehrfamilienhäusern läuft dazu derzeit | |
ein Pilotprojekt. An diese Zielgruppe wendet sich auch das Start-up | |
Lockbox. Mit einer Kombination aus einem Anker unter der Tür, einem Seil | |
und einem Schloss sollen Boxen mit der Lieferung an die Wohnungstür | |
gekettet werden können. Auch Retouren sollen Kunden so direkt abholen | |
lassen können. | |
## Gibt es auch Versuche, die Retourenquote zu senken? | |
Ja, die gibt es, und viele Händler haben sie schon umgesetzt. So gehören | |
etwa Fotos mit Zoom auf das Material, Drehmöglichkeiten in der Ansicht, | |
detaillierte Angaben zu Größe, Maßen, Passform und Farbe sowie Kommentare | |
von Käufern, die das Produkt bewerten, mittlerweile zum Standardrepertoire | |
der Onlinehändler. Im Kommen sind derzeit auch Videos, in denen Kunden etwa | |
sehen können, wie ein Stoff fällt, oder die Kleidung auf dem Laufsteg | |
vorgeführt bekommen. Es gibt weitere Ideen, die schwierig umzusetzen sind – | |
digitale Umkleidekabinen etwa, in denen Kunden per Webcam ein | |
Kleidungsstück anprobiert wird, konnten sich bislang nicht durchsetzen. | |
Auch bei Zalando scheiterte solch ein Versuch, sagt Christoph Lütke | |
Schelhowe. Die Kunden sollten selbst zum Maßband greifen. „Viele Kunden | |
waren aber einfach nicht bereit, sich zu vermessen“, sagt er. | |
## Kann man sagen, dass es umweltfreundlicher ist, im Laden einzukaufen? | |
Nicht unbedingt. Der größte Faktor, der den stationären Handel unökologisch | |
macht, ist schlicht der Verkehr. Ein Paket im Lieferwagen hat einen | |
deutlich kleineren ökologischen Fußabdruck als die Fahrt mit dem Pkw in die | |
Innenstadt und zurück. Dazu kommen weitere Faktoren: Das Öko-Institut hat | |
mehrere Dutzend Variablen ausgemacht, die die Ökobilanz beeinflussen – von | |
der Auslastung des Lieferwagens bis zur Beleuchtung beim Händler und dem | |
gekauften Produkt. Denn wer online ein gebrauchtes Smartphone kauft, wird | |
immer noch deutlich ökologischer handeln als der Käufer eines neuen | |
Telefons – selbst wenn der Käufer der Neuware mit dem Fahrrad zum | |
Elektronikmarkt fährt. | |
29 Jul 2015 | |
## AUTOREN | |
Svenja Bergt | |
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