# taz.de -- Gasstreit Griechenlands und der Türkei: Entspannung am Mittelmeer | |
> Der griechische Außenminister trifft die türkische Führung. Auch sonst | |
> sucht Ankara nach der jüngsten Eskalation einen Neuanfang. | |
Bild: Ein Grieche in der Türkei: Außenminister Dendias, hier am Mittwoch in I… | |
ISTANBUL taz | Nach Jahren wachsender Spannungen zwischen der Türkei und | |
Griechenland kommt am Donnerstag der griechische Außenminister Nikos | |
Dendias nach Ankara. Neben einem Treffen mit seinem türkischen Kollegen | |
Mevlüt Çavuşoğlu steht auch eine Audienz im Präsidentenpalast auf dem Plan. | |
Dendias ist bereits seit Mittwoch in der Türkei und hat erst einmal den | |
griechisch-orthodoxen Patriarchen Bartolomäus I. besucht. Nach der | |
Eskalation im Streit um Ergasvorkommen im Mittelmeer im letzten Jahr, als | |
es um ein Haar zu einer bewaffneten Auseinandersetzung zwischen türkischen | |
und griechischen Kriegsschiffen kam, ist der Besuch nun ein deutliches | |
Entspannungssignal. | |
Es ist nicht nur der Besuch des griechischen Außenministers, der eine | |
Entspannung andeutet. Auch zwischen der Türkei und Ägypten, die seit dem | |
[1][Sturz von Mohammed Mursi 2013] erbittert verfeindet sind, deutet sich | |
eine Wende an. Kürzlich telefonierten erstmals die beiden Außenminister | |
miteinander, am Mittwoch kündete Çavuşoğlu an, dass in Kürze ein Treffen | |
beider stellvertretenden Außenminister stattfinden soll. | |
Den außenpolitischen Reigen leitete Anfang der Woche [2][der neue libysche | |
Interimsregierungschef Abdulhamid Dbeiba] mit einem Besuch in Istanbul ein. | |
Dieser brachte fast sein gesamtes Kabinett mit in die Türkei, um mit | |
Erdoğan über außenpolitische und wirtschaftspolitische Fragen zu sprechen. | |
Beide sprachen anschließend von einer strategischen Kooperation, die weiter | |
ausgebaut werden soll. | |
Dabei ging es auch um [3][ein umstrittenes Seerechtsabkommen, das Erdoğan | |
im November 2019 mit Dbeidas Vorgänger Fajis al-Sarradsch abgeschlossen | |
hatte]. Dieses dehnt die jeweiligen „ausschließlichen Wirtschaftszonen“ | |
beider Länder, die das Recht zur Ausbeutung der Bodenschätze unter dem | |
Meeresboden beinhalten, soweit aus, dass Griechenland, Zypern und Ägypten | |
heftig dagegen protestierten. Das Abkommen, auf dessen Grundlage Erdoğan | |
türkische Explorationsschiffe in von Griechenland und Zypern beanspruchte | |
Gewässer schickte, war der Beginn der großen Krise im östlichen Mittelmeer. | |
Erdoğan sagte nach dem Treffen mit Dbeida zwar, man habe sich auf die | |
Beibehaltung des Abkommens verständigt, gleichzeitig kündigte der neue | |
libysche Regierungschef aber auch Gespräche mit Griechenland an. Diese | |
nehmen mit dem Besuch von Dendias in Ankara nun konkrete Formen an. Zu | |
Ergebnissen dürfte es vorerst wohl nicht kommen, aber das Treffen | |
signalisiert, dass nun tatsächlich ernsthafte Verhandlungen beginnen | |
können. | |
## Erdoğan sucht Neuanfang | |
Die Gründe dafür sind vielfältig: Da ist einmal der Druck der EU und des | |
neuen US-Präsidenten Joe Biden, die beide deutlich gemacht haben, dass eine | |
Einigung im Mittelmeer eine der Voraussetzungen dafür ist, dass die Türkei | |
sowohl mit der EU als auch mit den USA wieder einen Neuanfang machen kann. | |
Den braucht Erdoğan dringend. Sein aggressiver Kurs im Mittelmeer hat ihn | |
völlig isoliert, alle anderen Anrainerstaaten am östlichen Mittelmeer | |
hatten sich zuletzt gegen die Türkei zusammengeschlossen. | |
Noch wichtiger ist die desolate wirtschaftliche Situation der Türkei. | |
Erdoğan wollte durch die Erschließung von Gasfeldern unter dem Meeresboden | |
die Abhängigkeit von Öl-und Gasimporten verringern und damit Geld sparen. | |
Tatsächlich hat er nur erreicht, dass fast alle westlichen Investoren das | |
Land verlassen haben und die türkische Lira im Ausland fast nichts mehr | |
wert ist. | |
Damit ist die Aggression im Mittelmeer zu einem Bumerang geworden. Erdoğan | |
muss seine Beziehungen zu den USA und der EU dringend verbessern, damit die | |
Türkei wirtschaftlich nicht völlig abstürzt. | |
15 Apr 2021 | |
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## AUTOREN | |
Jürgen Gottschlich | |
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