# taz.de -- Gabriel García Márquez und Berlin: „Berlin ist eine irre Stadt�… | |
> Journalist, Literaturnobelpreisträger, Teil der taz-Geschichte: Gabriel | |
> García Márquez würde nun 91 Jahre alt. | |
Bild: Sein Text stand 1978 in der 1. Ausgabe der taz: Journalist und Schriftste… | |
BERLIN taz | An der Köpenicker Straße, nur wenige Straßenecken vom | |
einstigen Verlauf der Berliner Mauer entfernt, befindet sich seit Kurzem | |
das Museum des Kapitalismus. Die Dauerausstellung soll die heutige | |
Wirtschaftsordnung mit interaktiven Angeboten fassbar machen, kritisieren | |
und Alternativen aufzeigen. Das Museum ist somit nicht nur an der einstigen | |
geografischen Grenze der Systeme gelegen, es ist auch selbst ein | |
politischer Grenzgänger. | |
1959 schrieb ein junger kolumbianischer Journalist über Westberlin, an | |
dessen äußerstem Zipfel die Köpenicker Straße liegt, es sei ein | |
„gigantisches Unternehmen des Kapitalismus mitten im Machtbereich des | |
Sozialismus“. Autor dieser Zeilen war der spätere Literaturnobelpreisträger | |
Gabriel García Márquez. | |
Mit Anfang 30, lange vor seinem Durchbruch als Schriftsteller, reiste er | |
durch das sozialistische Osteuropa der ausgehenden 1950er Jahre und fand | |
sich plötzlich in der geteilten Metropole wieder. „Berlin ist eine irre | |
Stadt“, schrieb García Márquez und meinte irre im Wortsinne. | |
Erstaunt beschreibt er die Straßen des Westens, „die en bloc aus New York | |
hierher verpflanzt zu sein scheinen“, und „provisorische Parks“ in noch | |
nicht wiederaufgebauten Bezirken. Im Osten begegnen ihm hingegen | |
„rauchgeschwärzte Säulenreste“ und „von Moos und Gras gespaltene | |
Fundamente“ auf der einstigen Prachtstraße Unter den Linden. Am meisten | |
beeindrucken ihn jedoch die Zuckerbäckerbauten der Stalinallee – heute | |
Karl-Marx-Allee. Deren Dimension an monumentalem Kitsch sei „ebenso | |
überwältigend wie ihre Geschmacklosigkeit“. | |
## Das System, das die Oberhand gewann | |
Zwanzig Jahre später, 1978, kehrt García Márquez zurück nach Berlin, | |
jedoch in Form gedruckter Lettern. Die frisch gegründete linke | |
Tageszeitung, die taz, veröffentlicht ihre erste Ausgabe – „Null-Nr. 1“ | |
steht im Zeitungskopf. Mit einem Artikel über die Sandinisten, eine linke | |
Widerstands- und Guerrillagruppe in Nicaragua, steuert García Márquez zwei | |
der sechzehn Seiten bei. | |
In seinem Reisebericht von 1959 schrieb der Kolumbianer, dass in dem Fall, | |
dass kein Krieg ausbricht, in fünfzig oder hundert Jahren eines der beiden | |
Systeme die Oberhand gewinnen und Berlin wieder eine einzige Stadt sein | |
werde. Doch nicht irgendeine Stadt, so schrieb er, „eine monströse | |
Handelsmesse, die aus den Gratismustern der beiden Systeme besteht“. | |
Wäre García Márquez noch am Leben, würde er am heutigen Dienstag 91 Jahre | |
alt. Und würde er Berlin besuchen, könnte er auch heute noch die taz lesen | |
und in Kreuzberg, im kapitalistischen Westberlin, in einem Museum ebenjenes | |
System hinterfragen, das vor fast dreißig Jahren „die Oberhand“ gewann. | |
6 Mar 2018 | |
## AUTOREN | |
Daniel Stoecker | |
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