# taz.de -- Fußballspielerinnen mit Sporthidschab: Umkämpftes Textil | |
> Der Hidschab der Marokkanerin Nouhaïla Benzina wird zum Hingucker der WM. | |
> Dabei gehört er längst zum Sport – außer in Frankreich. | |
Bild: Nouhaila Benzina vom Team Marokko nach dem Spiel gegen Neuseeland | |
Sie wurde bestaunt, als sei sie eine Außerirdische, als sie sich vor dem | |
Spiel Marokkos gegen Südkorea neben ihren Kolleginnen zur Nationalhymne | |
aufgestellt hat. Denn die marokkanische Auswahlspielerin Nouhaïla Benzina | |
trug einen Hidschab. Dass eine muslimische Frau mit verschleiertem Haupt | |
den Platz betritt, hatte es auf der großen Bühne des Weltfußballs noch | |
nicht gegeben. Der Auftritt Benzinas markiert den Höhepunkt einer Kampagne | |
zur Teilhabe muslimischer Frauen im Sport. | |
Dem Auftritt der Verteidigerin, die am Donnerstag beim Spiel gegen | |
Kolumbien [1][zu einem weiteren WM-Einsatz kommen könnte], gehörten die | |
Schlagzeilen an diesem Turniertag. Im internationalen Spitzensport ist eben | |
immer noch nicht normal, was im Alltag vieler sporttreibender Musliminnen | |
längst eine Selbstverständlichkeit ist. | |
Um die 40 Euro muss bezahlen, wer einen Sporthidschab bei einem der großen | |
Sportartikelhersteller kaufen möchte. US-Weltmarktführer Nike startete 2017 | |
mit einer größeren Kampagne den Verkauf von Sporthidschabs. Der sportive | |
Schleier wurde zum Massenprodukt, da waren die ersten Bilder von | |
verschleierten Frauen bei Sportgroßereignissen schon um die Welt gegangen. | |
Auch wenn sich kaum jemand mehr an den Namen der ägyptischen | |
Beachvolleyballerin Doaa Elghobashy erinnern dürfte, so sind die Bilder, | |
für die sie bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro gesorgt hat, | |
unvergessen geblieben. Nie zuvor hatte eine Frau mit bedeckten Armen und | |
Beinen und einem verschleierten Kopf bei Olympia im Sand geschmettert. | |
Am Rande vor Großereignissen hat der Hidschab schon früher zumindest für | |
ein wenig Aufmerksamkeit gesorgt. Ein Auftritt mit Schleier im Vorlauf über | |
100 Meter bei den Spielen 2004 in Athen brachte Ruqaya al-Ghasra aus | |
Bahrain sogar einen Werbedeal mit Nike ein – lang bevor der Hidschab vom | |
Sportartikelhersteller für massentauglich erklärt worden ist. | |
## Im Fußball lange verboten | |
Zu jener Zeit war das Textil im Fußball bei internationalen Turnieren noch | |
verboten. Kritik daran gab es schon damals, aber so richtig laut wurde die | |
erst 2011. Im Jahr zuvor war einer iranischen Auswahl die Teilnahme an den | |
Olympischen Jugendspielen in Singapur verboten worden, weil die | |
Spielerinnen auf das Tragen des Hidschabs bestanden und nicht mit den von | |
der Fifa zugelassenen badekappenähnlichen Hauben, die den Hals freilassen, | |
aufs Feld laufen wollten. Aus demselben Grund wurde 2011 das Team des Iran | |
nicht zu den Spielen um die Olympia-Qualifikation zugelassen. | |
Doch die Frauen hatten mittlerweile einen mächtigen Fürsprecher an der | |
Spitze des Internationalen Fußballverbands. Der jordanische Prinz Ali bin | |
al-Hussein, der sich später vergeblich um das Amt als Fifa-Präsident | |
bewarb, saß als Vertreter Asiens im Präsidium des Weltverbands und machte | |
den Hidschab zu seinem persönlichen Anliegen. | |
Als sich schon abzeichnete, dass das Verbot fallen würde, präsentierte die | |
medizinische Kommission des Weltverbands dann plötzlich ein Gutachten, aus | |
dem hervorging, dass das Spielen mit Hidschab zu Verletzungen führen kann. | |
Doch die Tests wurden nicht mit den gerade entwickelten Sporthidschabs | |
durchgeführt und so rangen sich die Fußball-Regelhüter 2014 dazu durch, die | |
Kopfbedeckung zuzulassen. | |
In den meisten Ländern, in denen Frauen Fußball spielen dürfen, ist es nun | |
kein Problem mehr für diese, den religiösen Pflichten, denen sie sich | |
unterworfen haben, auf dem Feld Genüge zu tun. [2][Im laizistischen | |
Frankreich bleibt die Verschleierung indes verboten]. Der jahrelange Kampf | |
von Aktivistinnen, die sich „Les Hijabeuses“ nennen, war bislang | |
vergeblich. | |
Ende Juni hat das höchste Verwaltungsgericht Frankreichs entschieden, dass | |
das Verbot der Kopfbedeckungen für Spiele im Bereich des französischen | |
Fußballverbands rechtens ist. Frankreichs Innenminister Gérald Darmanin | |
hatte vor der Urteilsverkündung gesagt: „Man trägt keine religiöse | |
Kleidung, wenn man Sport treibt. Wenn man Fußball spielt, muss man nicht | |
wissen, welche Religion die Person vor einem hat.“ Die Hijabeuses halten | |
dagegen, dass mit dem Verbot vielen Mädchen der Zugang zum Fußball | |
verschlossen bleibe. „Der 29. Juni wird für immer der Tag sein, an dem die | |
französische Justiz in ihrer Pflicht versagt hat, die Rechte französischer | |
Frauen zu schützen und zu bewahren“, [3][heißt es auf dem Instagram-Profil | |
der Aktivistinnen]. Und: „Der Hidschab-Kampf geht weiter.“ | |
2 Aug 2023 | |
## LINKS | |
[1] /DFB-Team-auf-WM-Kurs/!5946269 | |
[2] /Streit-um-Sportkleidung-fuer-Musliminnen/!5574307 | |
[3] https://www.instagram.com/p/CuIVtv_oQeN/?hl=en | |
## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
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dem Sortiment. Das ist mal wieder eine Empörung an der falschen Stelle. |