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# taz.de -- Frühere Dioxin-Funde in Hamburg: Die zwei Skandale
> Nicht zum ersten Mal wurde in Hamburg Dioxin gefunden. Ein Chemiewerk
> Boehringer und eine Mülldeponie waren mit dem Gift verseucht.
Bild: Déjà vu: Spezialisten in Schutzanzügen nehmen Proben in der Boberger N…
Hamburg taz | Anfang der 1980er-Jahre wurden auf Hamburger Deponien mit
Dioxin verseuchte Abfälle gefunden. Das tödliche Gift stammte vom
Pflanzenschutzmittel-Produzenten Boehringer im Hamburger Industriestadtteil
Moorfleet. Am 18. Juni 1984 musste die Firma mit Hauptsitz im
rheinland-pfälzischen Ingelheim auf Druck von Behörden und Öffentlichkeit
das Werk schließen. Etliche Demonstrationen der erstarkenden Umweltbewegung
trugen dazu bei. Mitglieder der ersten grünen Fraktion in der Hamburgischen
Bürgerschaft ketteten sich vor dem Werkstor fest.
Zurück blieben rund 1.600 Boehringer-Mitarbeiter, die mit dem Seveso-Gift
Dioxin in Berührung gekommen und teilweise erkrankt waren. Eine 2011
vorgelegte Studie belegte häufige Erkrankungen und eine „signifikant
erhöhte“ Sterblichkeitsrate. Amtsärztlich anerkannte Opfer erhielten
„Schmerzensgelder“ in vier- und fünfstelliger Höhe.
Zurück blieb auch ein Werksgelände, dessen Boden mit Dutzenden von Tonnen
Gift belastet war sowie mit Chlorbenzolen verseuchtes Grundwasser. Um das
Werk wurde ein 1,5 Kilometer langer und bis zu 50 Meter tiefer Betonwall
gebaut, ein Teil des Bodens wurde ausgehoben und in
Sondermüllverbrennungsanlagen vernichtet, das meiste aber einbetoniert und
asphaltiert. Heute ist das Areal ein LKW-Stellplatz.
Boehringer verpflichtete sich, das verseuchte Grundwasser zu reinigen und
den Schadstoffabbau in den nächsten Jahrzehnten zu überwachen. Bislang ist
das Unternehmen mit rund 160 Millionen Euro für die verursachten Schäden
aufgekommen.
## Hochgiftige Industrieabfälle
Unübersehbar überragt er bis heute das Autobahnkreuz Hamburg-Süd – der 40
Meter hohe Gifthügel Georgswerder. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde auf dem
damaligen Acker Trümmerschutt aus Hamburg aufgeschüttet. Abfälle und
Hausmüll kamen hinzu und seit Mitte der 1960er-Jahre auch Fässer mit
Sondermüll, hochgiftigen Industrieabfällen und auch Dioxinen – auch von
Boehringer. 1979 wurde der Deponiebetrieb eingestellt.
Im Jahr 1983 wurde festgestellt, dass sich im Sickerwasser der Deponie die
besonders gefährlichen Dioxine befanden, die so auch ins Grundwasser
gelangten. Seit 1986 wurden deshalb etliche Sicherungsmaßnahmen zur
Abdichtung durchgeführt. Die Deponie wurde mit einer bis zu drei Meter
dicken, mehrschichtigen Abdeckung aus Kunststoffdichtungsbahnen und
Geschiebemergel abgeschlossen, die Kosten betragen bislang knapp 100
Millionen Euro.
Das weiterhin austretende Sickerwasser wird in einer Aufbereitungsanlage
behandelt, das Grundwasser muss weiterhin überwacht und geschützt werden.
Auf dem rund 45 Hektar großen Hügel wurden vier Windkraft- und eine
Fotovoltaikanlage errichtet, die Strom für etwa 4.000 Haushalte erzeugen:
Heute ist Georgswerder ein Hügel mit Wanderwegen, Ökoteichen und einem
fantastischen Blick über halb Hamburg.
9 Nov 2018
## AUTOREN
Sven-Michael Veit
## TAGS
Pflanzenschutzmittel
Umweltbehörde Hamburg
Umweltgifte
Umweltverschmutzung
Umweltkatastrophe
Verseuchung
Explosion
Umweltverschmutzung
Kriminalität
Hamburg
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